Eine etwas geringeres prognostiziertes Minus ändert nichts an der Lage. Die kommunale Finanzkrise führt im Kreistag zu einer Grundsatzdiskussion.
Wenn gute Nachrichten so klingen, sieht es düster aus: „Die voraussichtliche Verschlechterung des ordentlichen Ergebnisses hat sich gegenüber der Mai-Prognose um 4,5 Millionen Euro auf minus 15,1 Millionen Euro verbessert.“ Die Verbesserung der Verschlechterung, von der die Vorlage zur Kreistagssitzung kündet, ändert nichts an der Verschlechterung. Der Landkreis Esslingen macht Stand 31. Juli nur etwas weniger Miese als noch im Mai erwartet: prognostiziert eben ein Minus von 15,1 statt 19,6 Millionen Euro im Jahr 2025. Die liquiden Eigenmittel schrumpfen bis Jahresende voraussichtlich auf sechs Millionen Euro. Eigentlich sieht die Mindestliquidität 14,7 Millionen Euro vor.
Zu verdanken ist das laut Landrat Marcel Musolf niedrigeren Personalaufwendungen und höheren Einnahmen bei der Grunderwerbssteuer. Wobei Musolf klarstellte, dass der kleine Lichtblick an der düsteren kommunalen Finanzlage absolut gar nichts ändert. Insgesamt sind Mehrerträge von 23,9 Millionen Euro gegenzurechnen mit Mehraufwendungen von 39 Millionen Euro. Besonders zu Buche schlagen höhere Ausgaben im Sozialbereich mit 30.7 Millionen Euro, denen ein Plus bei den Erträgen in diesem Bereich von 9,5 Millionen Euro gegenübersteht.
Das Soziale macht den größten Posten bei den Aufwendungen der baden-württembergischen Landkreise aus (63 Prozent). Innerhalb dieses Bereichs liegt im Landesdurchschnitt die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung vorn (41 Prozent der Sozialausgaben). Im Kreis Esslingen belegt sie allerdings mit 33 Prozent den zweiten Platz hinter der Jugendhilfe mit 35 Prozent. Letztere wird laut Prognose bis Jahresende 13,2 Millionen Euro mehr kosten als geplant, die Eingliederungshilfe 8,6 Millionen Euro. 2,2 Millionen Euro weniger als geplant werden in der Förderung von Kindern in der Tagespflege ausgegeben – laut Vorlage großteils dank optimierter Verwaltungsabläufe. Auch die Hilfe für Flüchtlinge und Aussiedler dürfte 0,7 Millionen Euro günstiger kommen.
Hohe Sozialkosten im Kreis Esslingen
Doch die insgesamt davongaloppierenden Sozialkosten führten im Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistags bei der Vorstellung des Finanzzwischenberichts zu einer Grundsatzdiskussion über die Grenzen des Sozialstaats. Otto Ruppaner (Freie Wähler) forderte eine gesellschaftliche und politische Debatte zur Frage: „Was kann und soll der Staat leisten?“ Werde diese Debatte nicht mit dem Ergebnis grundlegender Reformen geführt, komme „das System an sein natürliches Ende“. Seien Freiwilligkeitsleistungen wie Vereinsförderung, Freibäder, Musikschulen oder Bibliotheken nicht mehr finanzierbar, unterminiere das die „Fundamente der Demokratie“.
Auch Sieghart Friz (CDU) sieht wenig Hoffnung: „Wenn wir den laufenden Betrieb über Kassenkredite finanzieren müssen, ist die Lampe bald aus.“ Er erwarte von der Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode eine eingehende „Überprüfung der Sozialleistungen“ – wobei die „Unterstützung wirklich Bedürftiger“ gesichert bleiben müsse. Ein wirtschaftlicher Aufschwung stehe in den nächsten Jahren nichts zu erwarten, wohl aber das Gegenteil.
Auch Ulrich Fehrlen (FDP) verwies auf „Lösungsansätze, die auf anderer Ebene liegen. Der Bundesgesetzgeber müsste sich dazu durchringen, gewisse Ansprüche zurückzuschrauben.“ AfD-Kreisrat Ulrich Deuschle sprach von einer „Begrenzung der Anspruchsberechtigten“ und einer „höheren Effizienz der realen sozialen Leistungen“. Stephanie Reinhold (Grüne) mahnte, Klimaschutz und Digitalisierung dürften nicht „durch die angespannte Finanzlage gefährdet“ werden.
Sorge um Selbstverwaltung im Kreis Esslingen
Die von der strukturellen Finanzkrise verursachte „Erdrosselungswirkung für die kommunale Selbstverwaltung“ (Ruppaner) wird durch die noch schlechtere Lage in den meisten anderen Landkreisen erst recht belegt. Musolf führte Zahlen und Daten aus dem aktuellen Kreisfinanzbericht des Landkreistags Baden-Württemberg an: 89 Prozent der Landkreise können ihre Aufwendungen nicht mehr aus laufenden Erträgen erwirtschaften. Auch der Kreis Esslingen werde die für 2025 avisierte rote Null wohl verfehlen. Der Schuldenstand werde 2025 um voraussichtlich zehn Prozent steigen – in den übrigen Landkreisen um 25 Prozent.
Mit der Kreisumlage von derzeit 33,4 Prozent liegt Esslingen ziemlich genau im Landesdurchschnitt von 33,1 Prozent. Dass an dieser Schraube nicht groß zu drehen ist, wurde im Gremium mehrfach betont. Wohl aber an anderen: Ruppaner etwa forderte einen höheren kommunalen Umsatzsteueranteil.