Die Deutsche Umwelthilfe drängt vor Gericht auf die schnelle und stadtweite Umsetzung des Euro-5-Dieselfahrverbots. Vor Gericht hat sie jetzt einen Teilerfolg errungen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Luftreinhalteplan für Stuttgart muss nachgebessert werden, sagt der Verwaltungsgerichtshof. Das Land will sich mit einer Vollstreckungsabwehrklage dagegen wenden. Es spielt damit bei der Luftreinhaltung auf Zeit.

Stuttgart - Das Land Baden-Württemberg muss innerhalb von zwei Monaten ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 Euro an die Deutsche Kinderkrebsstiftung zahlen, weil es der Verpflichtung für ein Euro-5-Dieselfahrverbot in Stuttgart noch immer nicht vollständig nachgekommen ist. Das Fahrverbot muss die gesamte Stadt umfassen. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) am Freitag beschlossen. Die Entscheidung ist endgültig.

CDU warnt vor voreiligem Schluss

Uwe Lahl, Amtschef des Verkehrsministeriums, sagte darauf, das Land werde wie im Koalitionsschuss bereits beschlossen eine Vollstreckungsabwehrklage einreichen. Sie hat laut Staatsministerium keine aufschiebende Wirkung. Lahl: Wir müssen jetzt Verkehrsverbote ab 1. Juli vorbereiten.“ Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Dörflinger, sprach von einem erwartbaren Urteil. Vereinbart sei nun die Vollstreckungsabwehrklage und nicht, zonale Fahrverbote vorzubereiten.

Die Beschwerde des Landes gegen den Beschluss der Vorinstanz sei unbegründet, so der 10. Senat des VGH. Das Zwangsgeld hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beantragt. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte am Freitag: „Wir erwarten ein Ende des rechtsstaatswidrigen Verhaltens der Landesregierung und eine termingerechte Umsetzung des Richterspruchs.“ Das Land sprach in Mannheimn von einem „unzulässigen gesetzeskorrigierendem Richterrecht“. Die im Luftreinhalteplan vorgesehene kleine Euro-5-Dieselfahrverbotszone (Innenstadt, Bad Cannstatt, Zuffenhausen, Feuerbach) habe die gleiche Wirkung auf die Stickstoffdioxidbelastung wie ein stadtweites Verbot.

Richter zeigen sich genervt

Die Mannheimer Richter zeigen sich in ihrem 24 Seiten starken Beschluss vom Vorgehen des Landes leicht genervt. Man habe bereits im November 2018 ausgeführt, welche Einwendungen „nur im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage möglich sind“ – und verweise „um Wiederholungen zu vermeiden“ auf diese Ausführungen. Eine Erfüllung der Auflagen und Einhaltung des Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwertes könne man „jedenfalls derzeit“ nicht erkennen. Das Land könne den Nachweis aber durch eine „gesicherte Prognose“ erbringen. Die im Plan vorgelegte zeige, dass selbst mit Euro-5-Dieselfahrverbot der Grenzwert 2020 nicht nur geringfügig verfehlt werde. Überschritten werden dürfe er nur „in einer Größenordnung von unter zehn Prozent“. Das Minderungspotenzial durch Software-Updates schätzen die Richter geringer als das Land, es läge „allenfalls bei 25 Prozent“.

Erhebliche Probleme sieht der Senat darin, dass das Land das Euro-5-Dieselfahrverbot nicht aussprechen will, wenn sich aus der Luftbelastung von Januar bis März die Einhaltung des Grenzwertes für 2020 prognostizieren lasse. Hier folgen die Richter der Argumentation der DUH: Mit dem 3-Monatswert könne die Einhaltung für 2020 und 2021 „bei einer dann nicht von der Corona-Pandemie beeinflussten Verkehrslage“ kaum beurteilt werden. Das Jahr der Berechnung müsse repräsentativ und kein Ausnahmejahr sein.

DUH kann Forderung nach Haft nicht durchsetzen

Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auf einen wichtigen „Umstand“: Am 11. Februar habe der Koalitionsausschuss die kleine Fahrverbotszone beschlossen, der Regierungspräsident (Wolfgang Reimer, Grüne) sei entsprechend angewiesen worden, habe aber beim Innenministerium (Minister Thomas Strobl, CDU) nach Paragraf 36 des Beamtenstatusgesetzes remonstriert, sich also zunächst geweigert. Reimer äußerte als Leiter der Fachbehörde Bedenken. Begründung: Der Luftreinhalteplan müsse aus rechtlicher Sicht um die große Fahrverbotszone ergänzt werden. Damit befreite er sich von der persönlichen Verantwortung.

Zurückgewiesen hat der Senat auch die Forderung der DUH nach wesentlich schärferen Zwangsmitteln wie Haft für den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Vize Strobl, RP-Chef Reimer (oder ein tägliches Zwangsgeld von 25 000 Euro). Das sei rechtlich nicht zulässig und würde „tief in die von der Verfassung des Landes Baden-Württemberg geschützte Regierungstätigkeit eingreifen. Der Ministerpräsident genieße als Abgeordneter Immunität“.