Die Deutsche Bahn muss erneut 97 Züge der S-Bahn-Baureihe 430 überprüfen. Deren Räder nutzen sich auf der Gäubahn zu schnell ab. Foto: DB AG

Ein Ausfall wie im Vorjahr sollte nicht wieder vorkommen, nun hat er sich doch wiederholt. Die DB Systemtechnik lag mit ihrem Lösungsweg offenbar falsch. Ausbaden müssen das die Fahrgäste.

Die Deutsche Bahn AG hat in der Nacht zum Donnerstag den Betrieb der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Stuttgart-Vaihingen wegen Radschäden wie schon 2021 in den Sommerferien kurzfristig eingestellt. Betroffen sind die S 1, 2, 15 und 23. Sie fuhren auf den Gleisen der Gäubahn (Panoramabahn), weil die Stammstrecke der S-Bahn bis 11. September saniert wird und gesperrt ist. Von der Misere betroffen ist auch die S 12, die zwischen Esslingen, Cannstatt und Schorndorf pendelte.

Rückfallebene: Busse und Stadtbahn

Die Bahn rät innerstädtisch zum Umstieg auf Busse, die die S-Bahn-Halte abfahren und an der Uni Stuttgart in Vaihingen (Schleife) wenden. Dort kann zum Bahnhof Vaihingen umgestiegen werden. Auch die Stadtbahn der SSB gilt als Rückfallebene. Dort gab es mehr Fahrgäste, aber laut SSB-Pressestelle „keinen sehr starken Andrang in den Zügen der U 1“, was auch auf die Schulferien zurückgeführt wird.

Vor Fahrtantritt solle man sich über die elektronische Reiseauskunft informieren. Im Notfahrplan der Bahn enden die S 1 aus Kirchheim, die S 2 aus Schorndorf, die S 4 aus Backnang, S 5 aus Bietigheim und S 6 aus Weil der Stadt im Hauptbahnhof. Aus Süden fahren die S 1 aus Herrenberg und die S 30 aus Filderstadt Vaihingen an.

Zorn der Fahrgäste auf Twitter

Der erneute Gau, den die S-Bahn Stuttgart am frühen Morgen twitterte, wurde dort ätzend kommentiert: „Ihr seid echt zum ko……! Unfähigkeit hat einen Namen. das mutet man den Kunden jetzt noch mehrere Sommer über zu!“, hieß es. Ein anderer Kunde rät: „VVS Mobilitätsgarantie nutzen. Wer über 30 Minuten zu spät kommt und keine andere Möglichkeit hat ans Ziel zu kommen, bekommt die Taxikosten bei Zeittickets erstattet. Lasst die Verkehrsunternehmen dafür bluten, wenn sie es nicht gebacken bekommen.“

Zu stark und zu schnell abgenutzte Stahlräder an den Fahrzeugen der Baureihe 430 des Herstellers Bombardier, das ist bei der S-Bahn Stuttgart bei der Nutzung der Panoramastrecke kein neues Schadensbild. Bereits 2021 musste der Ersatzverkehr auf der Strecke nach knapp drei Wochen wegen zu großen Verschleißes eingestellt werden. Nun müssen erneut alle 97 Fahrzeuge im Betriebswerk in Plochingen untersucht werden.

Systemtechnik fortsche nach Ursachen

Dabei waren sowohl diese Fahrzeuge als auch die Strecke von der DB Systemtechnik 2021 unter die Lupe genommen worden. „Wir sind einzigartig. Wir beherrschen das ganze System Bahn“, heißt es im Leistungsbericht diese DB-Konzernzweigs. Das Ergebnis der Untersuchungen war am 2. Februar 2022 den Mitgliedern des Verkehrsausschusses im Regionalverband (VRS) vorgestellt worden. Er ist Aufgabenträger für die S-Bahn.

Ursache sei, so DB Systemtechnik, „dass für die erhöhte Reibung der Kurvenradius, Radstand, Raddurchmesser und Anordnung der Drehgestelle bei den Fahrzeugen Baureihe 423/430 zwischen Stuttgart West und Dachswald auf der Panoramabahn maßgeblich sind“. Und weiter: „Bei Fahrzeugen mit anderen geometrischen Eigenschaften wurde der erhöhte Radverschleiß nicht festgestellt.“ Die Strecke wird im Regelfall nicht von der S-Bahn, sondern von IC- und RE-Zügen befahren.

Schmieren der Schienen sollte helfen

DB Systemtechnik präsentierte im Verkehrsausschuss auch eine Lösung. Alte, abgeschaltete Schienenschmieranlagen (wie es sie in der unterirdischen Wendeschleife der S-Bahn gibt) sollten wieder zum Einsatz kommen, zudem sollte von Hand geschmiert werden. Dadurch „kann der Abrieb an Rädern und Schienen auf normalem Niveau gehalten werden“, hieß es. Die DB gehe davon aus, „dass sie während der Stammstreckensperrung das Konzept mit den S-Bahn-Umleitungen über die Gäubahn fahren kann“, teilte Rüdiger Weiß, der Leiter Betrieb und Fahrplan Südwest der DB Netz AG, mit. Er ließ die Regionalräte auch wissen, dass der S-Bahntunnel in den Sommerferien voraussichtlich auch noch 2025 „für Restarbeiten“ gesperrt werden müsse. In der Röhre werden nicht nur die Haltestellen aufgehübscht, es wird auch Digitaltechnik verbaut, welche mehr Fahrzeuge pro Stunde zulassen soll.

Grüne und Linke: S-Bahn verspielt Vertrauen

Die Grünen in der Regionalversammlung zeigen sich „fassungslos" im Hinblick auf die erneuten Fahrzeugschäden. „Uns wurde von der Bahn versichert, dass es dieses Jahr zu keinen Problemen mit den Radkränzen kommen wird. Geholfen hat es nichts“, so Fraktionsvize Philipp Buchholz aus Stuttgart. Fraktionschef André Reichel sagt: „Abermals verspielen wir das Vertrauen in unsere S-Bahn“, jetzt sei Seitens des Regionalverbands Krisenmanagement gefordert.

Christoph Ozasek, Fraktionsvorsitzender von Linke/Pirat, fordert von der Bahn AG, den „Gesamtzustand der Panoramabahntrasse umgehend zu erfassen“. Der VRS müsse ein Entstörkonzept auflegen und die DB in Regress nehmen, so Wolfgang Hoepfner, der Verkehrsexperte der Fraktion.

„Das ist ein Schlag für uns, ganz zu schweigen vom Ärger für die Fahrgäste“, kommentiert Jürgen Wurmthaler, Infrastrukturdirektor beim VRS. „Renommierte Fachleute“ hätten den Schaden 2021 untersucht, daher wolle er weder über die Ursachen spekulieren noch darüber, wie man von 2023 bis 2025 verfahre. Klar sei, dass die Region ein „Rieseninteresse daran habe, die Panoramabahn zu nutzten“.

Die Bahn AG wollte die Strecke nach 2025 nicht mehr betreiben, hat ihre Meinung aber in Zusammenhang mit dem Großprojekt Stuttgart 21 geändert. Dann soll überwiegend das Land für die Strecke zuständig sein.