Am Landgericht müssen alle, die den Verhandlungssaal betreten wollen durch die Sicherheitskontrolle. Taschen und Handys müssen abgegeben werden. Einige müssen auch ihre Schuhe ausziehen und werden abgetastet. Das Gericht geht kein Risiko ein. Im Saal schauen dann viele Freunde der Angeklagten und einige ihrer Familienmitglieder zu. Foto: dpa

Ein Aussteiger, der vor Gericht als Zeuge aussagen sollte, ist offenbar abgetaucht. Dafür kommt die Staatsanwältin zum Plädoyer. Sie empfiehlt mehrjährige Haftstrafen und einen Freispruch.

Ludwigsburg - Der Zeuge, der im Prozess um die Schlägerei vor dem Ludwigsburger Krankenhaus zwischen einer türkischen und einer kurdischen Gruppe aussagen sollte, ist wie vom Erdboden verschluckt. Die Polizei konnte ihn nicht finden. Dafür kam die Beweisaufnahme vor dem Stuttgarter Landgericht nach gut 20 Verhandlungstagen zu einem Ende.

Der Zeuge galt als Aussteiger der Bande Osmanen Germania BC aus Wuppertal. Er wollte beweisen, dass die Freundin eines der beiden Opfer – ein Mitglied der Osmanen-Bande – gar nicht am Ludwigsburger Tatort gewesen sei und wollte damit die Angeklagten entlasten. Im Prozess gilt sie als wichtige Zeugin. Zuvor hatte er mit einem Wuppertaler Journalisten geredet, der ihn an die dortige Polizei vermittelt hat. Doch er machte in letzter Sekunde einen Rückzieher. Bei der Polizei wollte er seinen aktuellen Wohnort nicht angeben. Die Beamten sollten ihn zur Verhandlung von Düsseldorf ins Stuttgarter Landgericht fahren. Am Treffpunkt ist er aber nicht erschienen. Mobil sei er nicht zu erreichen gewesen, berichteten Polizisten per Fax.

Schlägerei am Krankenhaus sei Zufall gewesen

Zum Abschluss der Beweisaufnahme trug außerdem bei, dass sich zwei der fünf auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung Angeklagte, aus den Reihen der heute verbotenen Bande Red Legions stammen, nun doch per schriftlicher Einlassung äußerten. Bisher hatten alle fünf geschwiegen. Zum einen äußerte sich die Frau, die eines der Fahrzeuge gefahren hat, mit dem nach gegnerischen Osmanen gesucht worden sein sollte. Sie streitet in einer schriftlichen Einlassung diese Suche und eine Beteiligung an der Schlägerei ab. Man sei mitten in der Nacht lediglich auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen, worin ein lebensbedrohlich Verletzter aus den eigenen Reihen lag. Osmanen sollen ihn verprügelt haben.

Gleichwohl hat sich die Frau bei den Opfern inzwischen entschuldigt und ihnen jeweils 3000 Euro Entschädigung geboten. Das lehnten diese jedoch ab. Zudem äußerte sich einer der Beteiligten an der Schlägerei. Er gab an, erst spät an den Tatort gekommen zu sein und einem der Opfer lediglich einen Tritt verpasst zu haben.

In ihrem Plädoyer berücksichtigte die Staatsanwältin die beiden Einlassungen strafmildernd. Dennoch haben für sie die Aussagen der Zeugen mehr Gewicht, wonach es sich beim Angriff vor dem Krankenhaus um einen brutalen, geplanten Racheakt gehandelt habe. Ein Tötungsvorsatz, so die Anwältin, sei jedoch nicht nachweisbar. Etwa 15 Männer – es wurden nicht alle erwischt – hätten plötzlich von ihren Opfern abgelassen, auf die etwa die Hälfte von ihnen zuvor mit Baseballschlägern eingeprügelt und mit Messern eingestochen hätten. Es sei nicht nachzuweisen, warum.

„Die wollten uns umbringen“

„Haben die Angreifer die Sirenen der Polizei gehört oder haben sie von allein aufgehört?“ Diese Frage müsse offenbleiben, sagte die Staatsanwältin und wertete diesen Zweifel zu Gunsten der Angeklagten. Die Opfer hatten dagegen ausgesagt: „Die wollten uns umbringen.“

Die Anklagevertreterin plädierte darauf, vier Beschuldigte wegen gefährlicher, gemeinschaftlicher Körperverletzung zu verurteilen. Die Frau zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Sie sei zwar nicht direkt beteiligt gewesen, habe aber nichts unternommen, die Attacke zu verhindern. Der junge Mann, der ausgesagt hat, solle für dreieinhalb Jahre hinter Gitter, die beiden Täter, die beim Prozess geschwiegen hatten, sollten jeweils fünf Jahre in Haft. Ein weiterer Angeklagter sei freizusprechen, weil er erst nach der Tat am Krankenhaus eingetroffen sei.