Ursprünglich säumten vier Kandelaber das Schillerdenkmal. 1945 sind sie verschwunden, nun sind zwei der Säulen wieder aufgetaucht. Foto: Hof-Apotheke Stuttgart

Seit dem Zweiten Weltkrieg gelten vier Kandelaber als verschollen, die bis 1942 Teil des Schillerdenkmals in Stuttgart waren. Nun sind zwei Teile in einem Stuttgarter Vorgarten aufgetaucht.

Stuttgart - Wie wichtig den Stuttgartern ihr Schiller ist, zeigte sich im Sommer 1942. Damals brachte man die bronzene Figur des Dichterfürsten, 1839 auf dem Schillerplatz aufgestellt, in den noch nicht fertig gebauten Wagenburgtunnel. Nicht nur Menschen sollten darin Schutz finden, sondern auch das vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen geschaffene erste große Dichterdenkmal in Deutschland überhaupt.

 

Im Fotobestand des Stadtarchivs, den wir für unser Projekt „Stuttgart 1942“ ausgewertet haben, finden sich mehrere Bilder vom Schillerplatz ohne Denkmal. Ein ungewohnter Anblick, schließlich wurde die Statue schon im November 1945 wieder aufgestellt – „auf Weisung der US-Militärregierung“ und als „Symbol dafür, dass ein ‚neuer Geist‘ in die Stadt einziehen sollte“, heißt es auf der Website „Goethezeitportal“.

Was man auf dem Foto von 1942 auch sieht, sind drei gusseiserne Kandelaber, die dem Denkmal nach seiner Einweihung hinzugefügt worden waren: Feuerschalen, auf verzierten Eisenstangen montiert. Ursprünglich standen sie an allen vier Ecken des Denkmals; ein Kandelaber war schon 1942 kaputt gegangen und entfernt worden.

1945 waren die plötzlich weg

Nach dem Krieg kamen auch die drei anderen Kandelaber weg. Warum? Das Landesamt für Denkmalpflege gibt an, dass sie als verschollen gelten. Auf dem „Goethezeitportal“ wird gemutmaßt, die Teile seien „vermutlich eingeschmolzen worden“. Die beste Quelle dürfte wiederum das Stadtarchiv darstellen: Dort befindet sich eine Aktennotiz, derzufolge die Kandelaber anders als die Statue selbst nach 1942 auf dem Schillerplatz verblieben und, so eine weitere Notiz vom Mai 1957, „durch Kriegseinwirkung stark beschädigt worden sind“. Anders als vom damaligen Landesdenkmalamt vorgeschlagen, entschied sich die Stadt, sie abzubauen. Was damit passierte, wusste seither niemand.

Nun könnte die Suche nach den seit Kriegsende verschwundenen Bestandteilen des Schillerdenkmals zumindest teilweise von Erfolg gekrönt sein. Zwei der vier Säulen, auf denen einst die Feuerschalen befestigt waren, sind Teil eines Stuttgarter Gartenzauns. Die Eigentümerin des Hauses bestätigte auf unabhängige Nachfrage zweier Redakteure unserer Zeitung mehrfach, dass es sich um die Säulen vom Schillerplatz handelt. Ihr Vater habe die Säulen 1945 vom Schillerplatz mitgebracht – also just zu der Zeit, als die beschädigten Kandelaber abgebaut wurden.

Denkmalschützer hoffen auf weitere Infos

Den Säulen fehlen sowohl die Blätter, die aus dem Sockel wachsen, als auch die Feuerschalen. Auf den ersten Blick würde man kaum vermuten, dass es sich um wertvolle Arbeiten des königlichen Hüttenwerks Wasseralfingen handelt. Sie wurden möglicherweise neu lackiert und fügen sich zumindest farblich in die übrige Gestaltung des Gartenzauns ein. Sie ruhen auf einem neu gegossenen Fundament.

Die jetzige Besitzerin der Säulen will sich zu dem Thema nicht weiter äußern; am liebsten wäre ihr laut telefonischer Aussage, gar nicht über ihren Gartenzaun zu berichten. Im Landesamt für Denkmalschutz hofft man freilich, dass sie sich dennoch gesprächsbereit zeigt.

Sollen die Säulen wieder aufgestellt werden?

Die Kandelaber seien bis zu ihrem Verschwinden ein Teil des Gesamtkunstwerks Schillerdenkmal gewesen, sagt Angelika Reiff vom Landesamt für Denkmalpflege. Sie besäßen einen zumindest „dokumentarischen Wert“.

Eine Wiederaufstellung sei „angesichts der durch die Wiederaufbauzeit mitgeprägten Platzgestaltung sehr fraglich“ – zumal sie an einem so leicht zugänglichen Ort sehr gefährdet wären. „Es ist jedoch anzunehmen, dass das Bekanntwerden über den Verbleib der Kandelaber eine öffentliche Diskussion in der Landeshauptstadt entfachen würde, der sich die Denkmalpflege stellen müsste und würde“, sagt Angelika Reiff.

Wem gehören die Säulen?

Das alles müsste natürlich noch fachmännisch geprüft werden. Ein rein optischer Vergleich der Säulen mit Aufnahmen aus der Zeit vor 1945 lässt laut Landesamt für Denkmalpflege große Ähnlichkeiten beim Blumen- und Vogelmuster erkennen. Rechtliche Konsequenzen hätte die Besitzerin der Säulen vonseiten des Landesamts für Denkmalpflege jedenfalls nicht zu befürchten.

Allerdings befanden sich die Kandelaber einst im Eigentum der Stadt Stuttgart. Von der Stadtverwaltung heißt es auf Anfrage, sie werde sich der Sache „ämterübergreifend mit der gebotenen Sorgfalt annehmen und dann eine Haltung zu den Säulen entwickeln“. Wie auch immer es weitergeht: Die bewegte Geschichte des Schillerdenkmals wird um eine weitere Episode ergänzt. Schon die Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten vor mehr als zehn Jahren zeigten, dass der Stadtbevölkerung an dem Denkmal gelegen ist – schließlich handelt es sich laut Denkmalschützerin Reiff um ein „frühes Zeugnis bürgerlicher Denkmalkultur“.

Das Schillerdenkmal wurde einst auf Betreiben eines aus dem Liederkranz hervorgegangenen Vereins errichtet. Es sei „sehr erfreulich“, dass die Besitzerin sich gemeldet habe, sagt Angelika Reiff. Und natürlich „wäre es interessant, die spannende Geschichte der Kandelaber nach den Kriegswirren zu kennen“.