Christopher von Deylen hat sein Elektropop-Projekt Schiller in Stuttgart präsentiert. Foto: Philip Glaser

Technisch up to date, traditionell in der Haltung: Das deutsche Elektropop-Projekt Schiller bespielt mit eindrucksvollem Equipment die Porsche-Arena in Stuttgart, beschwört dabei aber ästhetisch und perspektivisch alte prädigitale Zeiten.

Stuttgart - Wenn Christopher von Deylen sein Elektropop-Projekt Schiller aus dem Tonstudio auf die Bühne holt, ist eines garantiert: eine atemberaubende Reise aus Licht und Klang. So steht’s auf dem Ticket zur aktuellen Tournee, und nichts weniger bekamen die rund 4200 Besucher am Samstag in der sehr ordentlich gefüllten Porsche-Arena auch geboten. Da bevölkert ein ganzes Rudel an Leuchtgiraffen den vorderen Bühnenteil, eine Armada an Spotlights feuert aus dem Bühnenboden wahre Lichtkaskaden durch die Halle, im Hintergrund turnt eine mehrreihige Multicolor-Scheinwerferwand auf und ab und blinkt fast so bunt wie draußen vor der Arena die Volksfestbuden auf dem Cannstatter Wasen. Ergebnis: eine luxstarke Lightshow nach dem Viel-hilft-viel-Prinzip, die die Halle auf verschiedenen Etagen förmlich durchflutete – hinsichtlich des Herausarbeitens einzelner Motive und des Dialoges zwischen Licht und Ton aber noch etwas Luft nach oben hatte.

An Mike Oldfield und Tangerine Dream geschulte Ambientklänge

Und die Töne, die von Deylen aus seinen Synthesizern herausholt? Drehen bisweilen eine aparte 360°-Kurve durch die Porsche-Arena – mehrere, unterm Hallendach verteilte Lautsprecher sorgen für ein Surroundklangerlebnis, das man aus gut bestückten Kinosälen kennt. Dramaturgisch gut strukturiert, arbeitet sich diese hör- und sichtbar aufwendige Show dann über zwei Stunden hinweg durch die Evolutionsgeschichte der elektronischen Klangkultur voran. Anfangs verweisen eher klassische, an Mike Oldfield oder Tangerine Dream geschulte Ambientklänge auf die Wurzeln des Schiller-Sounds, aber schon bald nimmt die Musik Kurs auf das global culture village.

Die Porsche-Arena wird zur Großraumdisko

Eine vierköpfige Band bringt mit angloamerikanischem Gitarrenrock, mit Drumbeats wie Donnerschlägen oder einer fein gezupften spanischen Gitarre Wucht und menschliche Wärme ins Spiel; eine famose, eine etwas weniger famose Sängerin und drei Backgroundstimmen setzen (manchmal etwas geschmäcklerische) Farbtupfer mit ethnomusikalischem Flair. Mit „Ein schöner Tag“ kommt dieser schillernde Sound schließlich in der Dance Music der Gegenwart an und zeigt, von woher sich Enkelgeneration der deutschen Digitalmusiker um Robin Schulz oder Felix Jaehn die ein oder andere Inspiration besorgt haben – da wird die Porsche-Arena glatt zur Großraumdisko.

Das Klangraumschiff kommt aus der Vergangenheit

In all seiner bits- und bytes-orientierten Gangart überdreht das Schiller-Konzept das Rad der Technik aber nie. Alles bleibt, sehr ins Rubinrot als Leitfarbe verliebt, warm und freundlich – das Klangraumschiff, das da in der Porsche-Arena gelandet ist, scheint eher wie aus Spielbergs „E.T.“ aus der Vergangenheit als aus der Zukunft eingeschwebt. Und was einst bei Genrepionieren wie Jean Michel Jarre noch futuristisch anmutete, wirkt bei Schiller eher retromodern und wie ein Blick in den Rückspiegel – auf jene vergangene Ära, als der Mensch die Maschine noch haarscharf beherrschte und den Geist des Digitalismus gerade nochmal in die Flasche zurückbekam.