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Die Schiller-Apotheke muss schließen, weil sich kein Nachfolger für Camilla Völkel findet.

Zuffenhausen - Wenn Camilla Völkel am Freitagabend die Tür zur Schiller-Apotheke abschließt, dann wird weder sie noch jemand anderes sie wieder aufschließen. Die 63-Jährige geht in den Ruhestand, einen Nachfolger hat sie nicht gefunden. Damit geht ein Stück Zuffenhäuser Apothekengeschichte zu Ende.

„Ich hätte auch alles verschenkt, dann wären mir wenigstens die Entrümpelungskosten erspart geblieben“, sagt Camilla Völkel und schüttelt den Kopf. Zwar sind mehr als ein Dutzend Interessenten bei ihr vorstellig geworden, beim Blick in die Bücher haben aber alle abgewinkt. Abgeschreckt wurden sie vor allem durch den niedrigen Verdienst. Erst ab einem Umsatz von einer Million Euro im Jahr, das hat Völkel ausgerechnet, lohnt sich für den Inhaber der Betrieb einer Apotheke. „Der Staat verdient mehr an den Medikamenten als der Apotheker“, erzählt sie. In fast keinem europäischen Land ist die Mehrwertsteuer auf Medikamente so hoch wie in Deutschland, wo sie 19 Prozent beträgt. In Großbritannien und Schweden fällt beispielsweise gar keine Mehrwertsteuer an, in Frankreich sind es gerade mal 2,1 Prozent. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Gesundheit aus dem Jahr 2010 bekommt der Arzneimittelhersteller 64,5 Prozent des Verkaufserlöses eines Medikaments, der Apotheker nur 15,5 Prozent. Damit müssen dann Miete, Personalkosten, Energiekosten und Lohnnebenkosten bezahlt werden. Als Unternehmerlohn bleibt nur wenig übrig. „Fest angestellte Mitarbeiter verdienen mehr Geld als Apotheker“, sagt Völkel. Statistisch gesehen haben im Jahr 2011 jede Woche vier Apotheken in Deutschland dicht gemacht.

Die älteste Apotheke Zuffenhausens

Dass es nun auch die Schiller-Apotheke trifft, bedeutet, dass ein Stück Ortsgeschichte zu Ende geht. Als älteste Apotheke Zuffenhausens war sie 1898 von Wilhelm Haertl gegründet worden. Damals stand sie am so genannten Apothekenbückele, einem Teilstück der damaligen Bergstraße zwischen Bahnhof- und Brunnenstraße (heute Besigheimer Straße zwischen Unterländer und Colmarer Straße). 1944 wurde das Gebäude bei einem Luftangriff völlig zerstört. Dabei fand eine Mitarbeiterin, die Nachtdienst hatte, den Tod. Noch während des Krieges bezog die Apotheke die Räume an der heutigen Unterländer Straße 6, wo sie sich immer noch befindet. In den 1950er Jahren erfolgte in Deutschland mit der Einführung der Niederlassungsfreiheit ein großer Umbruch. Bislang hatte sich nur eine Apotheke in einem zuvor festgelegten Gebiet ansiedeln dürfen. In den kommenden Jahren zogen dann immer mehr Apotheken nach Zuffenhausen.

Im Juli 1990 pachtete Camilla Völkel die Schiller-Apotheke. Im April 1989, also kurz vor dem Fall der Mauer, war sie von der DDR ausgesiedelt, wo sie in Halle Pharmazie studiert hatte. Um in der Bundesrepublik eine Approbation zu bekommen, musste sie sich zunächst rechtliche Grundlagen aneignen und eine Prüfung machen. In den vergangenen Jahrzehnten, so erzählt sie heute, habe sich einiges geändert. Waren in den 1950er Jahren noch rund 5000 verschiedene Medikamente auf dem Markt, so sind es heute 60 000. Gut 10 000 davon sind vorrätig. Doch nicht nur das. „Die Bürokratie hat immer mehr zugenommen“, sagt Völkel. Die Gesundheitsreformen, die diverse Regierungen seit 1993 beschlossen, hätten stets neue Nachteile für die Apotheken mit sich gebracht. „Für mich als Apothekerin gab es seit 2003 keinerlei Lohnsteigerungen mehr“, sagt Völkel. Ohne das Einkommen ihres Ehemannes hätte es kaum zum Lebensunterhalt gereicht: „Mein Mann sagte immer, ich hätte ein ziemlich teures Hobby.“ Trotzdem ist für Völkel klar: „Ich bin wahnsinnig gerne Apothekerin gewesen.“ Besonders wichtig ist ihr, dass es sich um einen Heilberuf und nicht um eine kaufmännische Tätigkeit handelt: „Die Gesundheit des Patienten muss stets im Vordergrund stehen.“

Medikamente gegen Schmerzen und eine schlechte Verdauung

Was sich in den vergangenen gut zwei Jahrzehnten nicht geändert hat, das sind die am meisten verlangten Medikamente, die es ohne Rezept gibt. Arzneimittel gegen Schmerzen, Erkältungen und für eine gute Verdauung gehen heute genauso oft über den Ladentisch wie in den 1990er Jahren.

Die beiden Mitarbeiterinnen von Völkel haben bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Was aus den Räumen an der Unterländer Straße 6 wird, ist noch nicht klar. Wohl aber, was Camilla Völkel tun wird, wenn sie die Apothekentüre zum letzten Mal hinter sich zu macht. Dann warten sechs Enkelkinder voller Ungeduld darauf, die Oma auf Trab zu halten.