Ein Taucher Foto: Getty Images

Noch sind nicht alle Toten aus der Donau geborgen, da entbrennt ein Streit um die Schuldfrage. Auch die Behörden stehen in der Kritik.

Budapest - Hochwasser behindert nach dem Schiffsunglück in Budapest noch immer die Bergungsarbeiten. Es sei bei einer Strömung von 15 Kilometer pro Stunde und ohne jegliche Sicht für die Taucher völlig unmöglich in die Nähe des sechs Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Wracks des Ausflugsschiffs Nixe zu gelangen, klagte am Freitag Ungarns Außenminister Peter Szijjarto.

Während die Bergung noch Tage dauern könnte, haben die Rettungskräfte die Suche nach den Leichen der 21 Vermissten an den Ufern der Donau bis an die Grenze zu Serbien ausgeweitet. „Strenge und gründliche Ermittlungen“ nach der Ursache der Schiffskollision, die am Mittwochabend vermutlich 28 überwiegend südkoreanischen Passagieren das Leben kostete, hat Premier Viktor Orbán angekündigt. Nach einem der schwersten Schiffsunglücke Ungarns steht nicht nur die Regierung in Budapest, sondern auch die in Seoul unter Druck. Viele Südkoreaner fühlen sich an den Untergang der Fähre Sewol erinnerte, der 2014 mehr als 300 Menschen das Leben kostete – und die damalige Regierung zum Rücktritt zwang. Seoul hat Außenministerin Kang Kyung-wha und ein Rettungsteam nach Budapest entsandt. Ihre Regierung wolle sicherstellen, dass keine Leichen im Wrack oder im Flussbett zurückblieben, so die Ministerin.

Wer unter Deck war, hatte keine Chance

Einige der sieben Überlebenden haben sich in südkoreanischen Medien zu Wort gemeldet. „Ich sah, dass sich uns ein größeres Kreuzfahrtschiff näherte, aber hätte mir niemals vorstellen können, dass es uns rammen würde“, berichtet die 31-jährige Jeong Chung. Nach dem Aufprall sei die Nixe umgekippt und in Sekundenschnelle gesunken, so die 32-Jährige Yoon. Alle Passagiere, die sich auf dem Panorama-Deck befanden hätten, seien durch den Aufprall ins Wasser geschleudert worden: „Diejenigen, die in der Kabine unter Deck waren, konnten das Schiff nicht mehr verlassen.“ Sich an das treibende Rettungsboot klammernd sahen die beiden Frauen, wie in die Donau geschleuderte Mitreisende auf- und abtauchten und verzweifelt um ihr Leben kämpften. „Sie riefen um Hilfe, versuchten sich an der Wasseroberfläche zu halten, aber die Strömung trieb sie fort. Und ich konnte nichts für sie tun.“

Nur die Passagiere, denen es gelungen sei, sich an das Rettungsboot zu klammern, oder die von Crew-Mitgliedern anderer Schiffe aus dem Wasser gezogen worden seien, hätten eine Chance gehabt, so der 60-jährige Ahn, den ein auf dem Wasser treibender Plastikkanister vor dem Ertrinken bewahrte. Die Viking Sigyn, die das Ausflugsboot gerammt hatte, sei weitergefahren.

Der Kapitän der Viking Sigyn sitzt in Untersuchungshaft

Neue Aufnahmen von Sicherheitskameras zeigen, wie die 27 Meter kurze Nixe mit dem 139 Meter langen Hotelschiff Viking Sigyn kollidierte. Unter der Margaretenbrücke war die Nixe vor einem Pfeiler leicht nach links gezogen und dabei von dem erheblich schnelleren Hotelschiff von hinten an der linken Seite ihres Hecks gerammt worden. Das sich in die Fahrbahn drehende Ausflugsboot von 40 Tonnen wurde danach von der über 1000 Tonnen schweren Viking Sigyn unter Wasser gedrückt: Die Passagiere, die sich unter Deck befanden, hatten keine Überlebenschance.

Der ukrainische Kapitän der in der Rostocker Neptun-Werft gefertigten und in Basel registrierten Viking Sigyn eines norwegischen Reeders sitzt seit Donnerstagabend in Untersuchungshaft. In Ungarns Medien wird die Schuldfrage kontrovers diskutiert. Fachleute verweisen darauf, dass alle Kreuzfahrtschiffe auf der Donau über Radaranlagen verfügen: Der Kapitän der Viking Sigyn hätte die vor ihm fahrende Nixe rechtzeitig wahrnehmen müssen. Andere Experten fragen sich, ob das Ausflugsboot seinen Richtungskurs rechtzeitig signalisiert habe: Wegen der Brückenpfeiler habe der Kapitän des Hotelschiffs kaum Spielraum für Ausweichmanöver gehabt.

Schiffsführer fordert Nachtfahrverbot

Während sich in südkoreanischen Medien einige frühere Passagiere darüber beschwerten, dass die 1949 gefertigte Nixe bereits vor einigen Wochen „nicht stabil“ im Wasser gelegen sei, geraten in Ungarn die Aufsichtsbehörden ins Visier der Kritiker. Trotz schlechter Wetterbedingungen und starker Strömung waren am Mittwoch mehr als 70 Schiffe zu nächtlichen Ausfahrten unterwegs. Die Donau sei für kleinere Ausflugsboote wegen der immer größeren Zahl von Kreuzfahrtschiffen zu einer tödlichen Falle geworden, klagt der Schiffer Andras Kurbely im Webportal Index.hu. Mehrmals seien die Behörden vor den Risiken gewarnt worden, aber es sei nichts unternommen worden. Kurbely plädiert für ein Verbot nächtlicher Ausflugsfahrten auf der Donau: „Eine solche Tragödie war nur eine Frage der Zeit.“