Erst eine Hüftoperation, dann Corona – so hat Melissa Joos eine mehrmonatige Zwangspause hinter sich. Foto: Archiv Baumann

Wie Corona den Job der Echterdinger Bundesliga-Schiedsrichterin Melissa Joos verändert hat.

Echterdingen - Der erste offizielle Einsatz nach der Corona-Pause hat Melissa Joos vor eineinhalb Wochen nach München geführt. FC Bayern gegen TSG 1899 Hoffenheim, das Spitzenspiel der Bundesliga. Die Echterdingerin verrichtete ihre Arbeit an der Seitenlinie als Schiedsrichter-Assistentin. Allerdings musste sie sich dabei nicht mit Thomas Müller, Robert Lewandowski oder Andrej Kramaric auseinandersetzen, sondern mit deren Vereinskolleginnen Mandy Islacker, Melanie Leupolz und Fabienne Dongus. Unter normalen Umständen wären wohl mindestens 2000 Zuschauer zu der Frauenpartie im Münchener Nachwuchsleistungszentrum an der Ingolstädter Straße gekommen. Doch was ist dieser Tage, in Zeiten von Corona, schon normal? Tatsächlich weilten gerade einmal etwa 100 Personen im Stadion – mehr lassen die aktuellen Vorschriften nicht zu. Auch für Melissa Joos und die pfeifende Zunft stellt sich momentan einiges anders dar als sonst.

Pause seit November

„Es war schön. Ich habe mich darauf gefreut, endlich wieder Teil eines Fußballspiels sein zu dürfen“, sagt Joos gleichwohl. Am 2. November, kurz vor dem Beginn der Winterpause, hatte die 28-jährige Unparteiische von den Fildern mit der Leitung der Frauen-Regionalligapartie SC Freiburg II gegen den 1. FC Nürnberg (1:0) ihren bis dato letzten Einsatz auf dem grünen Rasen gehabt. Es folgten eine Hüft-Operation und dann die unerwartete Verlängerung der Zwangspause. Corona legte die Sportwelt lahm und tut es in weiten Teilen immer noch, bis auf Teilbereiche des Leistungssports.

Melissa Joos blieb nichts anderes übrig als abzuwarten. Im April und Mai hat sie die Zeit hauptsächlich mit privaten Fitnesseinheiten überbrückt – und mit dem Studium von Videosequenzen, die sie als Mitglied des internationalen Schiedsrichterpools vom Weltverband Fifa und dessen europäischem Ableger Uefa zur Analyse und zur Fortbildung zugesandt bekommen hat. „Wir müssen da regelmäßig Tests absolvieren, um in Regelfragen immer auf dem aktuellen Stand zu sein“, sagt Melissa Joos, die im Oktober noch bei der U-19-Europameisterschaftsqualifikation im österreichischen Linz gewesen war.

Überzeugt durchs Hygienekonzept

Die Vorbereitung auf den Neustart in der Frauen-Bundesliga, in der es für die Echterdingerin dann am vergangenen Sonntag mit der Begegnung SC Freiburg gegen USV Jena (6:0) das fünfte Saisonspiel als Hauptverantwortliche an der Pfeife gab, endete mit einer Videokonferenz. Die Ressort-Verantwortlichen im Deutschen Fußball-Bund luden alle Schiedsrichter zu einem virtuellen Kick-Off-Meeting. „Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, ob es Sinn macht, die Saison überhaupt und vor allem so schnell zu Ende zu bringen. Letztendlich hat mich aber das Hygienekonzept voll überzeugt“, sagt Melissa Joos, die im Hauptberuf bei einem Leinfeldener Unternehmen für Sicherheitstechnik beschäftigt ist.

Seit dem Wiederbeginn gilt es nun eine ganze Reihe von gesundheitsrelevanten Maßnahmen zu beachten: Einen Tag vor jeder Partie muss Melissa Joos sich auf Covid-19 testen lassen – wenige Stunden vor dem jeweiligen Anpfiff gibt es dann das Ergebnis. „Sollte eine aus unserem Gespann positiv getestet werden, muss nur sie in Quarantäne, aber das gesamte Schiedsrichter-Trio würde kurzfristig durch ein anderes ersetzt“, erläutert Melissa Joos. An andere Dinge wie das Verbot der gemeinsamen Anreise mit den Kolleginnen oder den Verzicht aufs Abklatschen nach dem Abpfiff mit den Spielerinnen und Trainern hat sie sich schnell gewöhnt. Und auch daran, dass der Duschraum nicht gemeinsam, sondern nur einzeln und nacheinander benutzt werden darf.

Größere Vorsicht unter den Trainern

Allemal komisch ist die fehlende Zuschauerkulisse, auch wenn im weiblichen Bereich in Deutschland selbst im Normalfall untere vierstellige Zuschauerzahlen nur selten überschritten werden. Die Trainer sind vielleicht ein bisschen vorsichtiger geworden, hat Melissa Joos festgestellt. Klar, nun hört man jedes Wort genau, das sie auf den Platz rufen. „Aber allgemein haben wir im Frauenbereich ohnehin ein sehr gutes Verhältnis untereinander und auch keine Probleme mit Fans oder mit Gewalt, sodass sich da für uns nicht sehr viel verändert hat“, sagt Melissa Joos, die auch schon Männerspiele geleitet hat. In diesem Fall war sie bis zur Verbandsliga hinauf im Einsatz.

Wann der nächste Jobauftrag bei den Männern ansteht, ist allerdings noch völlig offen. Im lokalen und regionalen Amateurfußball ruht das Geschehen wegen Corona ja weiterhin.