Muss um seine Wiederwahl hart kämpfen: Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier. Foto: dpa

Angesichts drohender Pleiten in Hessen nehmen die Debatten um ein Ende der großen Koalition Fahrt auf. Die Spitzen von CDU und SPD sind alarmiert.

Berlin - Mit Hochspannung warten die Parteien in Berlin auf den Ausgang der Landtagswahl in Hessen an diesem Sonntag. Vor allem Union und SPD schauen mit Sorge auf die Ergebnisse der Wahl, die auch für das Schicksal der großen Koalition auf Bundesebene entscheidend sein könnte.

Die letzten Prognosen vor der Wahl sagen große Verluste von CDU und SPD voraus. Die CDU käme nach Zahlen des ZDF-Politbarometers auf 28 Prozent. SPD und Grüne lägen mit 20 Prozent gleichauf. Linke und FDP können mit rund 8 Prozent rechnen. Die AfD zöge mit 12 Prozent erstmals in den Landtag in Wiesbaden ein. Käme es so, hätte lediglich ein sogenanntes Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP eine sichere Mehrheit. CDU und SPD verlören im Vergleich zur Landtagswahl 2013 etwa zehn Prozentpunkte.

Unruhe in beiden Volksparteien

Die Aussichten lösen in beiden Volksparteien Unruhe aus. In der SPD gewinnt die Debatte über ein mögliches Ende der großen Koalition so sehr an Fahrt, dass Parteichefin Andrea Nahles ihre Partei zur Besonnenheit aufgerufen hat. „Es ist für die SPD nicht ratsam, übereilt oder kopflos zu reagieren“, sagte sie. Sie sehe Hessen „nicht als Schicksalswahl für mich“, sagte die SPD-Vorsitzende mit Blick auf die in der Partei aufkommende Kritik an ihrer Führung. Auf die Frage, ob die große Koalition nach dem hessischen Wahlabend Bestand haben werde, sagte sie: „Ich kann überhaupt nichts garantieren, aber wenn ich darauf wetten würde, würde ich sagen: ja.“

Die Debatte über die Zukunft der SPD hat auch die Landespartei erreicht. Die SPD-Linke und Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis sagte unserer Zeitung, unabhängig vom Ausgang in Hessen habe die Partei „den Auftrag, die inhaltliche Erneuerung voranzutreiben.“ Zuvor hatte Mattheis für eine erneute Mitgliederbefragung über den Verbleib in der großen Koalition nach der Hessenwahl plädiert.

Strobl hofft, dass hessische Wähler nicht an Berlin denken

Lars Castellucci, der sich zur Zeit in einer Kampfkandidatur um den SPD-Landesvorsitz bewirbt, sprach sich dagegen für Kontinuität in Berlin aus. „Es hilft nicht weiter, die Koalition nun jede Woche infrage zu stellen“, sagte er unserer Zeitung, „denn es wollte ja auch niemand anderes regieren.“ Deshalb sei seine Devise: „Weiter daran arbeiten, ein besseres Bild als Regierung abzugeben.“

Auch in der Union gibt es Zukunftsdebatten. Thomas Strobl, der Chef der Südwest-CDU und Parteivize im Bund, sagte unserer Zeitung zwar: „Es macht wenig Sinn, jetzt schon darüber zu sinnieren, welches Wahlergebnis welche Auswirkung auf Berlin hätte.“ Er hoffe darauf, dass die Wähler „in der Wahlkabine ihren Unmut über die Berliner Koalition hinunterschlucken.“ Doch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bereits Neuwahlen ins Spiel gebracht, falls die große Koalition nach der Hessenwahl zerbrechen sollte. Sie appellierte an die Mitglieder, sich nicht immer weiter an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin abzuarbeiten. „Das lähmt uns“, sagte Kramp-Karrenbauer, „weil die meisten Leute heute andere Fragen beschäftigen“.

„Es wird zu viel gelabert“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) räumte ein, dass der Streit in der Union „uns nicht genutzt hat“. Sein SPD-Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die Schwäche der SPD sei es gewesen, bundespolitisch in Kompromissen gefangen gewesen zu sein. Über die große Koalition sagte er: „Es wird zu viel gelabert und zu wenig gemacht.“