Wartet auf seinen Auftritt als jugendlicher Titelheld: Felix Strobel im Schauspielhaus Stuttgart. Friedrich Schillers „Don Carlos“ hat hier am 14. Januar Premiere. Foto: Lichtgut/LICHTGUT/Leif Piechowski

Der Stuttgarter Schauspieler Felix Strobel startet mit Schiller durch und spielt im Schauspielhaus den Königssohn Don Carlos. Ein Gespräch über den Soapcharakter des Stückes und warum Carlos manchmal eine Memme ist.

In einer Probenpause zu Schillers „Don Carlos“ vor der Abendvorstellung von Kästners „Fabian“ im Schauspielhaus Stuttgart findet der Schauspieler Felix Strobel (29) bei einer Tasse Cappuccino Zeit für ein Gespräch über seine erste Titelrolle. Über das in die Sahnehaube gezeichnete Herz in der Tasse sagt der Schauspieler – das passt. Ein Gespräch über Liebe, Generationenkonflikte und schreiende Regisseure.

 

Herr Strobel, sind Sie ein geduldiger Mensch?

Warum fragen Sie?

Sie sind seit 2018 am Schauspiel Stuttgart engagiert und haben jetzt vier Spielzeiten auf Ihre erste Titelrolle warten müssen.

Für mich fühlt sich das wie eine natürliche Entwicklung an. Ich hatte schon einige wichtige Rollen, die fast interessanter als die Titelrollen waren, Porfirij Petrowitsch in Dostojewskis „Schuld und Sühne“ und Stephan Labude in Kästners „Fabian“. Jetzt bin ich so weit, dass ich es mir zutraue und es mir Freude macht, einen Abend zu tragen. Wobei die eigentliche Heldenfigur ja in dem Stück Marquis Posa mit seinem Freiheitskampf ist.

Zumindest ist er der politisch zupackendere Held. Als er und Don Carlos sich treffen, sagt Carlos: unser Freiheitskampf ist schon wichtig, aber aktuell für mich kein Thema mehr, weil ich unglücklich verliebt bin. Was interessiert ihn – und Sie – mehr: Politik oder Liebe?

Es geht für mich eher in Richtung Liebe, was Carlos betrifft. Doch so ganz klar kann ich das gar nicht beantworten. Es stecken doch so viele Persönlichkeiten in einem, wir alle haben 1000 Gesichter, die Frage ist, wohin das Pendel in welcher Situation ausschlägt.

Das Stück mit seinen vielen Intrigen, Irrungen, Wirrungen hat ja auch etwas Räuberpistolenhaftes. Betonen Sie das oder die aktuell wirkenden Themen wie – unterdrückte Regionen, Länder und eine autokratischer Staat.

Uns interessiert der Soap-Charakter! (lacht). Nein, ernsthaft. Der Befreiungskampf steht weniger im Vordergrund, eher was dahinter steckt und der tiefe Blick in die Seelen der Figuren. Und die Frage, was treibt die Figuren um, wie können Wertvorstellungen wie Ehre, Treue, Freundschaft sich auf politische Ränke und Ereignisse auswirken oder den Intrigen zugrunde liegen. Mir gefällt es auch, dass ich in der Arbeit mit Regisseur David Bösch psychologisch genau arbeiten kann und wir uns anschauen, wie viele Facetten die Figur hat. Mal verliebter Teenie und Hitzkopf, mal sehr erwachsen und vernünftig.

Auf dem Ankündigungsplakat tragen Sie als Carlos einen Hemdkragen aus schwarzen Federn und Kajal um die Augen. Wird der Königssohn zur Transgenderfigur? Immerhin ist er ja ziemlich anhänglich, auch was den von ihm bewunderten Posa betrifft.

Interessant! Aber: Nein. Carlos ist ganz bodenständig in Elisabeth verliebt, seine Ex-Verlobte, die nun seine Stiefmutter geworden ist. Die Federn haben eher eine Paradiesvogelassoziation, etwas Luftikushaftes, Fantastisches. Carlos steckt oft mit dem Kopf in den Wolken.

Wie meinen Sie das?

Anders als Posa, der ein reifer Charakter ist, gefestigte Werte hat, kühl einen Plan entwirft und befolgt, ist er viel impulsiver, emotionaler. Und manchmal auch einfach nur eine Memme! Er ist ja oft extrem naiv und zuweilen unfreiwillig komisch. Diesen Witz zu betonen, ohne die Tragik zu verlieren, daran arbeiten wir. Schillers Sprache mit seiner starken Expressivität bietet sich dazu an. Wegen des Versmaßes fällt es mir auch leichter, mir den Text zu merken. Schiller muss man hören.

Und hören wollen. Können Sie verstehen, wenn junge Leute sagen, Klassiker sagen mir nichts?

Ich habe „Die Räuber“ erst richtig gut gefunden, als ich das Stück in der Schauburg in München gesehen habe. Ich hasse es auch, Theaterstücke zu lesen. Ich kann jeden Schüler verstehen, der sagt, das ist eine Qual.

Schwierig für einen Schauspieler, oder?

Es wird besser. Aber ich muss oft eine Seite mehrere Male lesen, bis mir klar ist, was gerade vor sich geht. Nur beim Lautsprechen entstehen die Situationen, entstehen Szenen, erschließt sich der Sinn. Vielleicht sollten sich die Schüler Texte im Unterricht laut vorlesen.

Apropos junge Generation: Sind Carlos und Posa Vertreter der Jugend heute, die auch mit der Elterngeneration und deren Umgang mit der Welt hadern?

Absolut. Der Generationenkonflikt und der Vaterkomplex interessieren uns sehr. Man muss sich doch nur die vielen Artikel im Internet und den sozialen Medien anschauen, in denen die junge Generation sich fragt: Sind die Eltern schuld an meiner Entwicklung? Und dann hat die Jugend, die für Klimagerechtigkeit kämpft, ja auch einen stark aufklärerischen Impetus.

Machtgefüge, Generationenkämpfe – vielleicht nicht wie am Hof- gibt es auch am Theater, Stichwort: dominante, schreiende Regisseure und Regisseurinnen, selbstherrliche Intendanten.

Ich kenne das von meinem ersten Engagement am Berliner Ensemble. Ich habe aber schon lange keine schreienden Regisseure mehr erlebt. Vor Auseinandersetzungen habe ich keine Angst, sie sind wichtig, aber wir sind alle im Umgangston in der Kommunikation erwachsener geworden.

Die Theater ringen nicht nur um Generationenfragen, sondern wollen auch Frauenfiguren stärken, positiver darstellen. In was für eine Elisabeth ist Ihr Carlos denn verliebt?

Auf jeden Fall in eine starke Frau. Carlos und sie wären ein gutes Team, das nur leider nicht zusammenkommt. Ich finde grundsätzlich die Glaubwürdigkeit von Figuren wichtig und denke nicht in Kategorien von Mann und Frau, alt und jung. Jeder sollte alles spielen dürfen, wenn die Logik des Stückes es erfordert.

Info

Felix Strobel
Der in München geborene Schauspieler absolvierte seine Ausbildung an der Hochschule Ernst Busch in Berlin, schon während des Studiums spielte er am Berliner Ensemble, die renommierte Bühne bot ihm auch sein erstes Festengagement an. Seit Burkhard C. Kosminskis Intendanz am Schauspiel Stuttgart 2018 ist Felix Strobel Ensemblemitglied. Aktuell zu sehen ist er in Kästners „Fabian“, Dostojewskis „Schuld und Sühne“ und Mouawads „Verbrennungen“.

Friedrich Schiller
Das Drama des in Marbach am Neckar geborenen Dichters Friedrich Schiller, 1787 in Hamburg uraufgeführt, feiert am 14. Januar um 19.30 Uhr Premiere im Schauspielhaus Stuttgart. Letztmals war der Fünfakter in Stuttgart im Jahr 2012 in der Regie von Hasko Weber zu sehen.

David Bösch
Regie führt jetzt der 1978 in Lübbecke (Nordrhein-Westfalen) geborene David Bösch, der auch schon am Thalia Theater Hamburg, am Deutschen Theater Berlin und dem Berliner Ensemble gearbeitet hat und von 2013 bis 2016 Hausregisseur am Wiener Burgtheater war. Seit 2009 inszeniert Bösch auch Opern, zudem unterrichtet er seit 2018 Regie und Schauspiel am Institut für Schauspiel und Schauspielregie des Max Reinhardt Seminars in Wien.