Shia LaBeouf als John McEnroe (links) und Sverrir Gudnason als Björn Borg in dem Film „Borg/McEnroe“ Foto: Universum film

Der schwedische Schauspieler Sverrir Gudnason erzählt im Interview über seinen Film „Borg/McEnroe“, die erste Rolle und seine Kindheit in Island. Bisher kannte man ihn eher als Polizisten in Mankells Wallender-Krimis.

Berlin - Es geschieht selten, dass ein Schauspieler mit nur einer Rolle weltweit bekannt wird. Das passiert derzeit dem Schweden Sverrir Gudnason, der seinen Landsmann Björn Borg spielt. Im Zentrum des Films, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt, steht die Rivalität Borgs mit dem Spieler John McEnroe (Shia LaBeouf) und ihr Aufeinandertreffen in Wimbledon 1980.

Herr Gudnason, wie haben Sie Ihren inneren Björn Borg gefunden?
Sie werden es nicht glauben, aber ich habe vorher noch nie in meinem Leben Tennis gespielt. Ich musste also bei Null anfangen. Aber vielleicht war das sogar von Vorteil.
Warum?
Ein guter Tennisspieler hätte seinen eigenen Stil vergessen müssen, um seinen Stil zu spielen. Ich war einfach ein weißes Blatt Papier, das man beschreiben konnte. Meine Vorbereitung bestand aus sechs Monaten Training. Glücklicherweise musste ich ja nicht so gut wie Borg spielen. Es sollte nur vor der Kamera so aussehen.
Was waren Ihre Stärken und Schwächen?
Meine Vorhand war von Anfang an ziemlich gut. Das Problem war, Borgs Rückhand zu imitieren. Das hat mich einige Zeit gekostet. Seien wir ehrlich. Ich bin mit Ende Dreißig auch nicht mehr der Jüngste, um eine sportliche Leistung auf diesem Niveau in Angriff zu nehmen. In den ersten Wochen des Trainings tat mir jede einzelne Faser meines Körpers weh. Aber irgendwann überschreitest du diese Grenze. Und dann kannst du ewig weiter trainieren, ohne Schmerz zu spüren. Am Ende habe ich ungefähr 16 Stunden pro Woche Tennis gespielt.
Welche Erfahrungen hatten Sie vorher als Sportler?
Ich habe als Kind Fußball gespielt und war beim isländischen Ringen aktiv. Aber das war alles.
Was ist „isländisches Ringen“?
In Island heißt es Glima. Das ist eine isländische Variante des Freistilringens. Die Tradition führt in die Zeit der Wikinger zurück. Man trägt einen Gürtel und hält sich dann an dem seines Gegners fest. Es ist so eine Art Mischung aus Judo und Sumo-Ringen. Die Ringer sind allerdings schlank und nicht so massiv wie die Sumo-Ringer.
Was hat Ihnen Borg vor diesem Film geraten?
Ich habe ihn inzwischen tatsächlich getroffen, aber erst nach Ende der Dreharbeiten. Vorher wollte ich nicht mit ihm sprechen. Das war eine bewusste Entscheidung, denn das hätte mich sonst blockiert. Ich hatte mir vorher alles angesehen und gelesen, was ich über Björn finden konnte: Fotos, Filmmaterial, Bücher und Interviews. Am wichtigsten waren allerdings seine Spiele. Das war für mich der Schlüssel. Denn da kann man den Mann im wahrsten Sinne des Wortes erkennen. Aus all diesen Puzzlestücken habe ich ihn dann zusammengesetzt. Trotzdem wollte ich vorher nicht mit ihm über sein Leben und seine Motivation sprechen. Ich musste die Rolle selbst entwickeln. Anders hat es für mich nicht funktioniert.
Was hält Borg von Ihrer schauspielerischen Leistung?
Natürlich war ich deswegen etwas nervös. Aber er hat mir gratuliert und er gesagt, dass er sich wirklich in mir wiedererkennt. Ich denke, das ist ein schönes Kompliment.
Sie sind bis zu Ihrem zwölften Lebensjahr in Island aufgewachsen. Was war das für eine Kindheit?
Es war eine sehr freie Kindheit. Ich war für mein Alter sehr klein. Trotzdem musste ich nie Angst haben, mir könnte draußen etwas passieren. Ich war ständig auf der Straße unterwegs. Das war überhaupt kein Problem. Heute muss man sich ständig Sorgen machen, wie man seine Kinder beschützt. In Island wird es im Sommer in den Nächten nicht dunkel. Man musste uns also nicht einmal nach Einbruch der Dunkelheit ins Haus rufen. Wir haben so lange gespielt, bis wir vor Müdigkeit umfielen. Dann trug man uns ins Bett.
Mit zwölf Jahren sind Sie dann mit Ihrer Familie nach Schweden gezogen. Wie haben Sie diesen Einschnitt erlebt?
Zuerst fand ich es aufregend. Die Realität war aber ganz schön hart. Island und Schweden sind ja nun bestimmt nicht die größten kulturellen Gegensätze, die man sich vorstellen könnte. Aus Afghanistan zu kommen, das stelle ich mir wirklich schwierig vor. Aber selbst ich habe mich in dieser neuen Umgebung nur schwer zurecht gefunden. Mir fehlten einfach all die sozialen Codes des öffentlichen Lebens. Mit der Sprache hatte ich auch ein spezielles Erlebnis. Ich konnte die Sprache sehr schnell imitieren. Nach einem Monat klang ich wie ein Schwede. Im ersten Jahr fehlten mir aber alle wichtigen Vokabeln. Ich bin ständig aus dem Unterricht geflogen, weil meine Lehrerin dachte, ich mache mich über sie lustig. Ich habe zum Beispiel gefragt, was ein Stuhl ist.
War das ihre erste Rolle als Schauspieler, einen Schweden zu spielen?
Das war auf jeden Fall eine Rolle. Aber meine erste Rolle hatte ich bereits in Island gespielt, im Stadttheater von Reykjavík. Da war ich zehn oder elf Jahre alt und hatte eine Hauptrolle in einem Stück von Haldor Laxness, der ja immerhin den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat. Das war mein erster Job. Acht Monate haben wir das Stück aufgeführt. Deswegen wollte ich auch unbedingt gut Schwedisch lernen, damit ich weiter spielen kann. Ich fand das Theater faszinierend. Da war ich Teil einer verschworenen Gemeinschaft und habe so viele spannende Menschen kennen gelernt. Und dann war da dieses aufregende Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Das hat mich süchtig gemacht. Ich habe schon damals begriffen, dass es nicht um Ruhm und Glamour geht. Das ist nur ein Prozent unserer Arbeit.
Borg war zeitweilig durch seine enorme Popularität völlig von seiner Umwelt isoliert. Kennen Sie dieses Gefühl als Schauspieler?
In Schweden kennt man mich als Schauspieler. Aber das waren bis heute kleine Schritte, mit denen ich dann immer populärer wurde. Ich bin froh, dass ich es auf diese Weise erlebt habe. Wenn ich gleich mit meinen ersten Filmen auf große internationalen Festivals wie Toronto oder Zürich geflogen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich einen Schock erlebt, weil diese Welt so verrückt und seltsam ist. Man hat mich gewissermaßen rechtzeitig geimpft, damit ich in den vergangenen Jahren Antikörper und ein Immunsystem entwickeln konnte.