Gerd Silberbauer (oben) mit Hans Machowiak auf der Bühne. Foto: Kulturamt (Bernd Böhler)

Man kennt ihn als Chef der „Soko München“. Am Donnerstag gastiert der Schauspieler Gerd Silberbauer mit „Des Teufels General“ im Hölderlinsaal der Fellbacher Schwabenlandhalle. Er spielt den Flieger Harras, einen Opportunisten und Draufgänger.

Fellbach - Er gehört zu den profiliertesten Akteuren in Deutschland. Kurz vor Beginn seiner aktuellen Theatertournee erwischen wir den 64-jährigen Gerhard Silberbauer per Handy – bei 16 Grad an seinem Zweitwohnsitz Mallorca.

Herr Oberinspektor, was ist mit Ihrem Alibi: Wo waren Sie gestern von 20 bis 22 Uhr?
Also, da ist ja schon mal die Anrede falsch – Herr Erster Kriminalhauptkommissar, bitte! Das antworte ich scherzhaft immer, wenn ich in München auf der Straße als Herr Kommissar angesprochen werde.
Gut, nächste Prüfungsfrage: Sonntagabend, „Tatort“ oder Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, was schalten Sie ein?
Das muss kein Endspiel sein, da reicht mir auch ein Bundesligaspiel, VfB gegen Bayern oder Schalke gegen Gladbach. Ich bin ein echter Fußballfan und lasse kaum etwas aus, wenn es zeitlich möglich ist.
Ihr Lieblingsverein?
Lachen Sie jetzt nicht: 1860 München!
Welche Leidenschaft und Leidensfähigkeit: Da müssen Sie ja eine Katastrophe nach der anderen ertragen?
Ja, die Löwen aus Giesing – man kann es sich halt nicht aussuchen. Aber ich sage Ihnen, jetzt in der Regionalliga Bayern macht das noch viel mehr Spaß als in so einer riesigen Arena. Vor vier Monaten bin ich mit der S-Bahn zu den Auswärtsspielen nach Garching oder Unterföhring mitgefahren, da sind Sie nahe am Spielgeschehen, kriegen noch richtig gutes Bier, und die Rote Wurst kostet eins achtzig. Da spielen keine abgezockten Millionäre. Das macht Spaß. Ich versuche jetzt schon, bei der WM im Sommer vier Wochen frei zu haben.
Dass Sie den Fußball vorziehen, verwundert nicht: „TV-Kommissar prangert Krimiwahn im Fernsehen an“, heißt es in Schlagzeilen.
Ich geb’ zu, so eine Haltung ist natürlich nicht ganz nachvollziehbar, ich bin ja selbst Fernsehkommissar. Ich stelle einfach bei mir selbst immer öfter fest, dass der Bedarf an immer mehr Krimis aus Deutschland allmählich gedeckt ist – es gibt schließlich diverse andere spannende TV-Formate, die ohne Mörder und Tote auskommen.
Ins Kommissar-Fach sind Sie reingerutscht.
Das stimmt. Anfangs habe ich zumeist die Verbrecher gespielt. Das ist durchaus spannend. Das Böse ist schauspielerisch herausfordernd. Und wer kann auch im richtigen Leben schon sagen, dass er nie zum Mörder wird? Vom normalen Menschen zum Verbrecher fehlt ja oft nicht viel.
Dennoch sind Sie jetzt auf der Gegenseite – als Münchner Soko-Chef Arthur Bauer.
Tatsächlich bin ich ja eigentlich ein Juso, ein Alt-68er, der von der Obrigkeit wenig gehalten hat und mit der Staatsgewalt so seine Probleme hatte. Aber ich muss sagen, dass ich mich verändert habe. In der Soko-Vorbereitung war ich eine Woche beim Kriminaldauerdienst in München dabei, ich hatte Schießunterricht, habe real Einbrechern nachgespürt, war bei Leichenfunden vor Ort. Was die Polizeibeamten alles leisten müssen, das ist schon beachtlich.
Und dauernd müssen sie im Polizeipräsidium einen in die Mangel nehmen – mehr als nur schauspielerische Routine?
Als Ermittler ist man sicher mehr am Reagieren, da ist man immer am Nachforschen. „Du bist ja immer nur am Fragen“, hat mir mal ein Freund gesagt. Stimmt schon. Aber ich mache Verhöre wahnsinnig gern, den Menschen auf den Zahn fühlen, an ihren wahren Kern heranzukommen. Auf der guten Seite zu sein macht auch Spaß – das ist doch der kindliche Spieltrieb, den man da ausleben kann.
Mit Ihrer Größe von 1,89 Metern haben Sie auch die richtige Statur für einen Kripochef – und auch für jenen Flieger Harras, den Sie jetzt in Fellbach in „Des Teufels General“ spielen. Da fällt einem spontan Curd Jürgens ein, der die Rolle in Helmut Käutners Film von 1955 verkörpert.
Ja, originellerweise hat Curd Jürgens auch in der „Schachnovelle“ gespielt, bei der ich ja auch schon in der Bühnenfassung dabei war. Natürlich kann ich mich nicht mit ihm vergleichen. Aber eine gewisse Körperlichkeit ist gerade für diese Rolle sicher sinnvoll. Harras ist ein Haudegen, ein Draufgänger, ein Frauenheld, der meint, alles in der Hand zu haben. Im ersten Akt lässt er die Sau raus, säuft ohne Ende. Wir haben das mal nachgerechnet, er kippt 13 Schnäpse weg – wenn das echt wäre, wäre man als Schauspieler nach 20 Minuten fix und fertig und brächte keinen geraden Satz mehr heraus. Aber er versucht damit eben, die Realität wegzusaufen.
Der Pakt mit dem Teufel?
Er sagt: „Ich bin ein Flieger, kein Nazi!“ Aber in Wahrheit ist er ein Opportunist. Er denkt, er könnte mit den Nazis spielen, aber er verliert natürlich. Im zweiten Akt wird die Figur enthäutet – wie bei einer Zwiebel. Und er merkt, die Schlinge zieht sich zu, und er erkennt: Er ist ein Mörder, kein Held. Er kann sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Wobei es mir stets auch darum geht, die Widersprüchlichkeit der Figur darzustellen.
Dennoch: Ein Drama von 1946, ein wichtiges Werk deutscher Nachkriegsliteratur – doch wen soll das heute noch interessieren?
Aber das Thema ist brandaktuell. Es geht nicht nur um Krieg, um Nazis. Sondern es geht darum, Haltung zu zeigen. Dass man Stellung bezieht. Schauen Sie sich doch um, was alles los ist auf der Welt. Da heißt es aufstehen und sagen: So geht’s nicht.
Anstrengende Tourneen stecken Sie gut weg?
Ich bin gerne unterwegs, auch über mehrere Wochen. Wobei es normalerweise so ist, dass die Anfahrt zur nächsten Aufführung höchstens 350 Kilometer umfassen darf. Aber manchmal sind es halt doch 550 Kilometer. Das bedeutet morgens in der Früh’ losfahren, nachmittags ankommen, abends die 120 oder 130 Minuten auf der Bühne schultern. Und manchmal stehst du anschließend nachts vor der Stadthalle im Regen, wartest, dass der Bus zum Hotel endlich kommt und denkst: „Warum tust du dir das an?“ Aber letztlich sehe ich es auch als Herausforderung, als Test, ob ich es noch kann. Und wenn die Leute am Ende der Aufführung aufstehen und klatschen, das ist einfach eine schöne Belohnung.