In die alte Kelter von Aichwald-Aichelberg zieht neues Leben ein. Der Imkermeister Sebastian Faiß baut das denkmalgeschützte Gebäude zu einer Erlebnis- und Mitmachimkerei aus.
Aichwald - In die historische Kelter des Schurwaldflecken Aichwald-Aichelberg zieht neues Leben. Viel Leben, angesichts der Tatsache, dass ein einziges Bienenvolk auf dem Höhepunkt seines Schaffens mehr als 50 000 Bienen zählt. Der Herr der Bienen ist Sebastian Faiß. Der Imkermeister will gemeinsam mit seiner Frau Katrin Graf-Faiß in dem denkmalgeschützten Gebäude, das idyllisch hoch über dem Remstal liegt, eine Erlebnis- und Mitmachimkerei für Jung und Alt einrichten.
Der Pachtvertrag mit der Gemeinde Aichwald, der das Gemäuer gehört, ist mittlerweile unter Dach und Fach. Seit Anfang April haben die beiden den Schlüssel für das schmucke Fachwerkhaus, das als Kulturdenkmal von allgemeiner Bedeutung unter besonderem Schutz steht. An die Vergangenheit als Kelter erinnert nur noch ein altes, laut Aufschrift 504 Liter fassendes Weinfass, das einsam und verlassen im ansonsten ausgeräumten Innern des Gebäudes steht. Es braucht viel Fantasie, um sich anhand des letzten Relikts aus längst vergangener Zeit vorzustellen, wie in der Keltern noch Wein hergestellt worden ist.
„Treffpunkt Honigbiene“
Genauso viel Vorstellungskraft ist allerdings auch nötig, um sich in dem noch leeren Kelterraum nicht nur eine Erwerbsimkerei, sondern eine, wie es Sebastian Faiß vorschwebt, „einzigartige Kombination aus Erleben und Mitmachen, einen Treffpunkt Honigbiene“ vorzustellen. Führungen, Diskussionen über Insektensterben, Lernort Bauernhof – das sind Stichworte, die den Ausbau begleiten. Wenn die Faiß’ mit ihren Bienen in die Alte Kelter eingezogen sein werden, dann werden dort auch Imkerkurse, Kindergeburtstage und ein Schauschleudern angeboten. „Die Besucher können hier dann ihren eigenen Honig ernten“, sagt Katrin Graf-Faiß, die für den pädagogischen Rahmen zuständig ist.
Seit die beiden mit zwei geschenkten Völkern vor mehr als zwölf Jahren in die Imkerei eingestiegen sind, haben sie reichlich Erfahrung auf diesem Feld gesammelt. Sebastian Faiß hat nach dem Energiemanagement-Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Geislingen eine Weiterbildung zum Landwirt draufgesattelt, bevor er vor fünf Jahren die Prüfung zum Tierwirtschaftsmeister, Fachrichtung Imkerei, erfolgreich abgeschlossen hat. Seine Frau Katrin ist gelernte Juristin, kümmert sich um die beiden kleinen Kinder, organisiert die Vermarktung des Honigs, betreut den Online-Verkauf und organisiert Kinderführungen in der Imkerei.
Zu Beginn Lehrgeld gezahlt
Mit den Jahren ist der Bienenbestand der von den beiden betriebenen „Bio-Imkerei Goldblüte“ auf rund 120 Völker angestiegen. „Wir haben viel Lehrgeld gezahlt, aber seit fünf Jahren arbeiten wir praktisch verlustfrei. In diesem Winter haben wir weniger als ein Prozent unserer Völker verloren“, sagt Faiß nach der letzten Durchsicht seiner Schützlinge.
Unter anderem produziert der Meisterbetrieb den Fernsehturm-Honig, der in Stuttgart vorzugsweise an Touristen verkauft wird, den Weinstädter Stadthonig und den Honig für die Remstal-Gartenschau. Faiß-Bienen schwärmen unter anderem vom Hotel Steigenberger in Stuttgart und vom Reichenbacher Rathaus aus aus. In der Filstalgemeinde bekommen neugeborene Kinder ein Glas Rathaushonig mit auf ihren Lebensweg. Mittelfristig sollen unter dem Dach der „Goldblüte“ einmal bis zu 300 Völker stehen. „Mehr geht nicht, wenn man als Einzelkämpfer unterwegs ist“, sagt der Imkermeister.
Spione im Einsatz
In den Wintermonaten stehen die Goldblüte-Beuten auf dem Schurwald verteilt. Im Frühling und im Sommer fährt sie Faiß dorthin, wo es blüht. Um die idealen Bedingungen auszukundschaften, hat der Imker im Frühjahr seine „Spione“ aufgestellt. Das sind Völker, deren Gewichtszunahme Sebastian Faiß über eine Wiegevorrichtung online überwachen kann. „Wenn ich sehe, dass das Volk überproportional an Gewicht zulegt, dann fahre ich mit den anderen Bienen hinterher“, erklärt er.
38 Bienenvölker passen auf einen Anhänger und Faiß hat es sich zur Regel gemacht, mit seiner wertvollen Fracht nicht länger als eine Stunden des Wegs zurückzulegen – beispielsweise im Frühsommer zur Rapsblüte auf die Schwäbische Alb. Eine Ausnahme gesteht der Imker (Faiß: „In der Saison stehe ich in der Regel um zwei Uhr auf und fahre in den Tag hinein“) sich und seinen Bienen zu. Im Herbst nimmt der Imker die Edelkastanienblüte in der Pfalz mit. „Das tut den Bienen gut. Sie gehen dann gestärkt in den Winter“, sagt er.
Die Kelter von Aichwald-Aichelberg stammt in ihrer jetzigen Form nach Einschätzung von Wilfried Frank von der Denkmalschutzbehörde im Esslinger Landratsamt, aus dem 18. Jahrhundert. Damals wurden auf rund 35 Hektar des klimatisch günstig über dem Remstal gelegenen Dorfes Reben angebaut. Der Weinbau in Aichelberg, der heute unter dem Dach der Weingärtnergenossenschaft Aichelberg betrieben wird, hat eine lange Tradition. Ein Vorgängerbau der Kelter ist erstmals im Jahr 1558 erwähnt. Das Gebäude ist vor zehn Jahren generalsaniert worden.
Die von Sebastian Faiß und Katrin Graf-Faiß betriebene Bio-Imkerei „Goldblüte“ bietet schon jetzt Mitmachangebote, Kindergeburtstage und Imkerkurse an.