Michael Schweikardt (li.): Der Spielmacher des TVB 1898 Stuttgart hofft mit dem Aufsteiger acht Spiele in der Porsche-Arena austragen zu können Foto: Baumann

Zwei Stuttgarter Topvereine kämpfen nicht nur um Punkte, sondern auch um freie Zeiten in ihren Spielstätten. Weshalb sich die Frage stellt: Tut die Stadt genug für ihre Heimmannschaften TVB 1898 Stuttgart (Handball) und MTV Allianz Stuttgart (Volleyball)?

Porsche-Arena

TVB 1898 Stuttgart: Jürgen Schweikardt kommt derzeit vom Handy nicht mehr weg. An diesem Mittwoch wird der Terminplan für die am 21. August beginnende Saison in der Handball-Bundesliga festgezurrt. Und der Geschäftsführer des TVB 1898 Stuttgart hat ein Problem: Es war bisher nicht für alle attraktiven Heimspiele des Aufsteigers ein Termin in der Porsche-Arena zu finden. Für das Derby gegen Frisch Auf sieht der Spielplan den 18. bis 22. November vor – genau da ist die Arena durchs Reitturnier German Masters geblockt. Der Termin für das Duell mit den Rhein-Neckar Löwen im März 2016 kollidiert mit dem Gymnastik-Weltcup. „Ich hoffe, dass es mit Einwilligung der Gegner noch eine Lösung gibt“, sagt Schweikardt.

Klappt dies, plant der TVB im Optimalfall acht (von 17) Heimspielen in der 6211 Zuschauer fassenden Porsche-Arena auszutragen. Die Termine für die Partien gegen THW Kiel, Füchse Berlin, SC Magdeburg und HBW Balingen-Weilstetten stehen mittlerweile, zwei weitere sind noch offen. Der spät feststehende TVB-Aufstieg erschwerte die Planungen. Doch selbst bei gesicherter Ligazugehörigkeit präsentiert die Handball-Bundesliga (HBL) erst im Januar vor Beginn einer Saison den Rahmenspielplan. „Und erst dann können wir Termine in der Porsche-Arena blocken“, erklärt Schweikardt.

Das ist spät, für einige Spiele zu spät – da in der Porsche-Arena neben Turnieren im Reiten, Tennis und Turnen auch Showveranstaltungen wie Holiday on Ice, Wrestling sowie zahlreiche Konzerte über die Bühne gehen. „120 Veranstaltungen finden pro Jahr statt“, sagt Jörg Klopfer, Sprecher der in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbh & Co. KG. Auf- und Abbautage kommen hinzu. Klopfer freut sich über das „klare Bekenntnis“ der Bittenfelder Handballer zur Landeshauptstadt, was diese zuletzt durch die Namensänderung in TVB 1898 Stuttgart deutlich gemacht haben. „Diesem Signal werden wir Rechnung tragen“, betont er.

Doch Versprechungen, einen dauerhaften Regelspielbetrieb in der Porsche-Arena stärker zu unterstützen als bisher, sind Klopfer nicht zu entlocken. Rolf Schneider, Abteilungsleiter Eigenveranstaltungen, erklärt warum: „Konzerte sind unser wirtschaftliches Glück, vom Sport können wir nur eingeschränkt leben.“ Als 100-prozentige Tochter der Stadt ist die rechtlich selbstständige Veranstaltungsgesellschaft an die Vorgaben des Aufsichtsrats gebunden. Und Konzerte oder Auftritte von Comedians in die benachbarte Schleyerhalle zu verlagern, ergebe wenig Sinn. „2000 Quadratmeter Innenraumfläche bietet die Porsche-Arena, 4000 die Schleyerhalle, da lässt es sich nicht so einfach tauschen“, erklärt Klopfer.

Für Schweikardt und seine Handballer bleibt ein großes Problem: Um sich langfristig in der Bundesliga etablieren zu können, müssen aus wirtschaftlichen Gründen mindestens zwölf Spiele in der Porsche-Arena ausgetragen werden. „Wir arbeiten auf der operativen Ebene gut mit in.Stuttgart und der Stadt zusammen, doch langfristig muss man sich Gedanken machen, das Konzept zu ändern“, sagt der TVB-Geschäftsführer. Im Klartext: Die Partner müssen ihre Wertschätzung für die Stuttgarter Heimteams auch durch Taten zeigen. Schweikardt denkt neben der Terminvergabe vor allem an die Vermarktungsrechte. Konkretes Beispiel: Im Gegensatz zur Scharrena, für die das Sportamt verantwortlich ist, darf in der Porsche-Arena nicht der vereinseigene Bierlieferant ausschenken. Das tut dem Verein weh. Denn ein Heimspiel in der Porsche-Arena kostet ihn 40 000 Euro. Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann versteht die Sorgen und Nöte der Handballer, doch sie sieht keinen Spielraum: „Alles hat seine Grenzen. Die Verträge im Zusammenhang mit der Porsche-Arena sind langfristig angelegt.“ Schweikardt weiß das, lässt aber nicht locker: „Es ist meine Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen, wo Probleme liegen.“

Allianz MTV Stuttgart: Im Gegensatz zu den TVB-Handballern haben die Volleyballerinnen noch nie in der Porsche-Arena gespielt – und dabei wird es vorerst auch bleiben. An allen drei Heimspielterminen in der nächsten Saison der Champions League, für die sich der Verein erstmals qualifiziert hat, ist die Halle bereits belegt. „Schade. Unsere Neugierde ist groß, ob wir mehr als 2000 Zuschauer für Volleyball in Stuttgart begeistern könnten“, sagt Manager Bernhard Lobmüller. Ein Problem sind die fehlenden Termine für ihn allerdings (noch) nicht. „Die Porsche-Arena ist als Sporthalle gebaut worden. Dann hat der Sport versagt, weil er es nicht geschafft hat, Teams zu entwickeln, die dort spielen könnten. Deshalb wurde natürlich reagiert, und nun bringen Konzerte Geld in die Kasse“, erklärt Lobmüller, „weil es jetzt aber zwei Vereine gibt, die das Potenzial für regelmäßige Spiele in der Porsche-Arena haben, muss überlegt werden, wie die Halle dem Sport wieder zugänglich gemacht werden könnte.“

Scharrena

Allianz MTV Stuttgart: Die Saison der Bundesliga-Volleyballerinnen geht von Mitte Oktober bis Ende Februar, danach folgen noch die Play-offs. „Das ist ein enges Fenster“, sagt Manager Lobmüller, der nicht verstehen kann, dass es in der Scharrena dennoch Terminprobleme gibt: „In dieser Zeit muss die Halle für unseren Regelspielbetrieb frei gehalten und für andere Veranstaltungen gesperrt werden. Dafür muss die Stadt in Zukunft sorgen.“

ScharrenaDamit ein Fall wie dieser nicht mehr vorkommt: Der MTV hätte am 24. Oktober das zweite Saisonheimspiel gegen VT Aurubis Hamburg gehabt. An diesem Wochenende aber ist die Scharrena komplett belegt – für eine deutsche Meisterschaft im Tanzen. Lobmüller musste das Heimrecht tauschen, sein Team fliegt nun direkt aus Hamburg zum ersten Spiel in der Champions League nach Baku. Das kostet Geld (für zusätzliche Übernachtungen) und verschlechtert die sportlichen Chancen in der Königsklasse. Auch dass in der Scharrena während der Volleyball-Saison Termine an Rollergirlz, Gardetänzer, Jugendfechter oder Freizeitfußballer vergeben werden, kritisiert Lobmüller: „Solche Veranstaltungen müssen in anderen Hallen ausgetragen werden, da gibt es in Stuttgart genügend gute Möglichkeiten.“

Das mag sein, wäre aus Sicht von Susanne Eisenmann aber dennoch eine fragwürdige Praxis. Die Sportbürgermeisterin plädiert dafür, der Vielfalt des Sports ihren Raum zu geben: „Es gilt das Motto ‚Leben und leben lassen’. Der Mix in der Stuttgarter Sportlandschaft ist uns wichtig. Wir müssen auch sogenannten Randsportarten eine Bühne bieten.“ Zum Beispiel in einem Schmuckkästchen wie der Scharrena (Einweihung 2011, Kosten rund 13 Millionen Euro).

Lobmüller sieht das anders. Er fordert von der Stadt mehr Unterstützung – und das nicht nur bei der Termingestaltung. Sondern zum Beispiel auch bei den Finanzen. Rund 7500 Euro (Miete, Gas, Wasser, Strom, Boden, Sicherheitsdienst, Genehmigungen) kostet den MTV jedes Heimspiel in der Scharrena, zumindest bei der Miete wünscht sich der Manager ein Entgegenkommen: „Sonst können wir irgendwann das Niveau, das wir erreicht haben, nicht mehr halten.“

TVB 1898 Stuttgart: Ohne einem Verein wie dem TuS N-Lübbecke nahetreten zu wollen: Aber ein Heimspiel gegen eine solch graue Maus der Bundesliga trägt der TVB gerne in der Scharrena aus. Um den Anforderungen der HBL zu genügen, muss die Halle im Bauch der Mercedes-Benz-Arena nach dem Aufstieg des TVB erweitert werden – von einem Fassungsvermögen von 2049 auf mehr als 2200. Die Kosten von etwa 60 000 bis 80 000 Euro zahlt die Stadt aus ihrem Bauetat. „Für die Scharrena sind wir zuständig“, betont Sportbürgermeisterin Eisenmann, „und wir tun alles, um die Rahmenbedingungen dort weiter zu verbessern.“

Fazit: Die Frage, ob die Stadt Stuttgart zu wenig für ihre Heimmannschaften tut, lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Den Handballern und Volleyballerinnen bleibt deshalb nichts anderes übrig, als weiterhin mehr Unterstützung einzufordern. Durch Worte, aber besser noch durch Taten: Es gibt keine besseren Argumente als weitere Erfolge auf Spielfeld.