Natürlich dauert auch in Stuttgart die Silvesternacht eine Sekunde länger. Foto: dpa

Wenn die Natur weniger präzise ist als die Atomuhren der Menschen: Zum Jahreswechsel wird in die Zeitrechnung eine Sekunde eingefügt.

Köln - Die Silvesternacht dauert in diesem Jahr eine Sekunde länger als alle folgenden Nächte des neuen Jahres: In der ersten Stunde des Jahres 2017 wird eine Schaltsekunde in die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) eingebaut - weltweit geschieht dies zum 27. Mal seit dem 1. Januar 1972. Eingefügt wird die „Sekunde extra“, weil die unregelmäßige Drehung der Erde den hochpräzisen Atomuhren hinterher hinkt.

Ursache für die allmählich sinkende Umdrehungsgeschwindigkeit unseres Planeten sind die Anziehungskräfte zwischen Erde, Mond und Sonne, die Ebbe und Flut hervorrufen. Die ständige Reibung zwischen Wasser und Land raubt der Erde über die Jahrmillionen hinweg Energie, mit der sie sich um ihre eigene Achse dreht. Außerdem eiert die Erde, ihre Rotationsperiode ist veränderlich. Wird aber die Erde langsamer, dehnen sich die Tage - mit der Folge, dass irgendwann die Erdzeit nicht mehr mit dem Sonnenstand in Einklang steht. Wird dem nicht durch wiederkehrende Zeitjustierung entgegen gesteuert, würde die Sonne eines Tages ihren höchsten Stand nicht mehr am Mittag, sondern schon am Vormittag erreichen.

Atomuhren dagegen „ticken“ gleichmäßiger als sich die Erde dreht. Auf längere Sicht gesehen führt dies also zu Differenzen zwischen der aus der Erddrehung abgeleiteten Weltzeit und der Atomzeit. Denn eine Sekunde ist definiert als die Dauer von 9.192.631.770 Schwingungen eines Mikrowellensignals, das Cäsiumatome in einer Atomuhr anregt. Diese Schwingungszahl als Dauer einer Sekunde wurde 1967 festgelegt - was freilich nichts an der unregelmäßigen Erddrehung änderte. Als 1972 erstmals eine Schaltsekunde eingefügt wurde, hinkte die Weltzeit der Atomzeit aus den Cäsiumuhren bereits um zehn Sekunden hinterher.

In einer Einrichtung in Paris, die den wenig poetischen Namen Internationaler Erdrotationsservice (IERS) trägt, wird nun die Atomzeit ständig mit der Erdzeit verglichen und bei Bedarf weltweit korrigiert - indem das Einfügen einer Schaltsekunde angeordnet wird. Zuletzt war dies vor eineinhalb Jahren der Fall - damals war die Nacht zum 1. Juli 2015 eine Sekunde länger. Auch 2012, 2009 und 2006 wurden bereits Schaltsekunden in unsere Zeit eingefügt. Zwar dürfte das Einfügen einer Extrasekunde allen Trägern von Armbanduhren völlig egal sein. Dennoch wird darüber gestritten, ob man die Schaltsekunde nicht wieder abschaffen soll. Denn der Wimpernschlag zusätzlicher Zeit kann bei der Synchronisation vom Computern problematisch sein.

Bei Handys und Funkuhren kommt die Sekunde automatisch an

Laut Physikalisch-Technischer Bundesanstalt ist dokumentiert, dass das Einfügen der „Zusatzzeit“ in Computerbetriebssystemen und speziell bei der Erzeugung von eindeutigen Zeitstempeln bereits Schwierigkeiten verursachte. Kritiker wollen daher seit Jahren die Schaltsekunde wieder streichen. In der Nacht zu Neujahr ist es dennoch wieder soweit: Auf IERS-Anordnung wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig die zusätzliche Sekunde in die von ihr verbreiteten Zeitsignale einbauen, und zwar am 1. Januar um 00.59.59 Uhr MEZ.

Nimmt man es ganz genau, zählt die Schaltsekunde sogar noch zum Jahr 2016 - denn in die sogenannte koordinierte Weltzeit (UTC) wird sie am 31. Dezember um 23.59.59 Uhr eingefügt. Bei uns in Mitteleuropa ist es zu diesem Zeitpunkt genau eine Stunde später. Bei Funkuhren und bei Handys wird die „neue Zeit“ zum Jahresbeginn automatisch ankommen - ihre Besitzer brauchen sich um nichts zu kümmern. Und für alle gilt: In diesem Jahr darf die Silvesterparty eine Sekunde länger dauern.