Die Herde der Familie Kurmann besteht aus 113 Mutterschafen, dazu kommen derzeit mehr als 100 Lämmer. Viele davon werden als Osterbraten enden.Foto:Stoppel Foto:  

Die Familie Kurmann hat sich der Schafzucht verschrieben. Wichtig ist den Aspachern, das so viel wie möglich verwertet wird. Im Hofladen gibt es deswegen nicht nur Fleisch und Wurst, sondern auch Fellschuhe und Pflegeprodukte. Und als Rasenmäher dienen die Tiere auch noch.

Aspach - Vorwitzig kommt eines der Lämmer ans Gatter gelaufen, kaum dass Denise Kurmann den Stall betreten hat. „Ja, Pico“, begrüßt sie es und krault ihm sein wolliges Köpfchen, das es durch die Streben streckt. Pico ist eines von mehr als 100 Lämmern auf Kurmanns Hof im Aspacher Teilort Altersberg. Und Pico hat Glück – nicht nur, weil es von Denise Kurmann mit der Flasche großgezogen wurde, sondern auch weil es ein Weibchen ist. Daher wird es nicht wie viele seiner Altersgenossen als Osterbraten enden. „Man braucht ein paar so zutrauliche Schafe in der Herde, auf denen der Fokus liegt“, sagt Denise Kurmann. Auch Flöckchen ist ein solches und derzeit das Leitschaf in der Herde, die 113 Mutterschafe zählt.

Die Herde ohne große Erfahrung übernommen

Zu den Schafen ist die gelernte Bankfachwirtin wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Ursprünglich waren sie das Steckenpferd der Schwiegermutter, welche die Zucht in den 1980er Jahren aufbaute. „Mit viel Leidenschaft und Herzblut hat sie diese betrieben.“ Nach ihrem plötzlichen Tod 2009 hätten ihr Mann und sie sich bereit erklärt, den Schwiegervater beim Betrieb zu unterstützen. Doch auch er starb früh, nur zwei Jahre später. „Dadurch sind wir ins kalte Wasser geschmissen worden“, erinnert sich Rainer Kurmann, der Elektrotechniker von Beruf ist. Denn sie hätten dem Vater wohl geholfen, zum Beispiel die hofeigenen Produkte auf Märkten verkauft. Aber in vielem, wie der Geburtshilfe, hätten sie noch keine Erfahrung gehabt.

Von den Startschwierigkeiten ist heute nichts mehr zu merken. Mit Geschick vermarkten die Nebenerwerbsschafzüchter und Eltern zweier kleiner Kinder ihre Waren im eigenen Hofladen: von Fleisch und Wurst über Kleider aus Wolle und Fellen bis hin zu Pflegeprodukten. „Dabei ist uns wichtig, dass alles so nah wie möglich ist“, sagt Denise Kurmann.

Die Tiere werden selbst zum Metzger gebracht

So bringen Kurmanns ihre Tiere selbst im Hänger zum Metzger und holen Fleisch und Felle wieder ab. Abnehmer für das Fleisch sind Privatkunden und Gastronomen aus der Region. Die Felle lassen Kurmanns im Schwarzwald gerben, in Tuttlingen werden daraus unter anderem Babyschuhe und Handschuhen genäht. Für die Verarbeitung der Wolle haben sie sich der Wollaktion, einer Initiative aus Oberstenfeld-Gronau (Kreis Ludwigsburg), angeschlossen. Die stellt daraus Decken, Jacken und Schuhe her. „Ansonsten wäre die Schur ein Draufzahl-Geschäft“, erklärt Denise Kurmann.

Auch zu Lebzeiten sind ihre Tiere von großem Nutzen für die Allgemeinheit – als natürlicher Rasenmäher auf Streuobstwiesen. So tragen sie zur Pflege örtlicher Landschaftsschutzgebiete und Biotope bei. Auch in die Futtertröge im Stall kommt nur, was in der Umgebung wächst und was Kurmanns auf ihren Ackerflächen für ihre Schafe angebaut haben. Die Futtermischung aus Erbsen, Gerste, Hafer und Weizen haben sie selbst ausgeklügelt – nach den Rückmeldungen zur Fleischqualität, die sie von Spitzenköchen erhalten.

Einen sechsstelligen Betrag in einen neuen Stall investiert

Ausgeklügelt ist auch der neue Stall, den Kurmanns für einen sechsstelligen Betrag jüngst errichtet haben. Dieser ist nicht nur heller und größer als der alte – „mehr als vom Veterinäramt gefordert“ – sondern verfügt auch über mit Erdwärme beheizte Tränken und ein Heuförderband, das die Fütterung der Tiere erleichtert. Im vergangenen Dezember sind die Schafe in ihr neues Winterquartier gezogen. Im April geht es dann wieder raus auf die Koppeln, um die, so hofft Denise Kurmann, Wölfe auch weiterhin einen weiten Bogen machen.

Denn Wolfrisse verursachten nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern könnten auch die über Jahre aufgebaute Zucht zerstören. „Das ersetzen keine Entschädigungszahlungen.“ Einen Plan, wie sie ihre Tiere schützen könnten, haben Kurmanns nicht. „Herdenschutzhunde können wir wegen der vielen Radfahrer und Wanderer entlang unserer Koppeln nicht einsetzen.“ Daher hofft das Ehepaar auf eine politische Lösung – wie immer diese auch aussieht.

Schafzucht in der Region

Situation: Schafzüchter wie die Familie Kurmann haben nicht nur die Rückkehr des Wolfes zu fürchten. Laut des Landesschafzuchtverbands Baden-Württemberg kämpfen sie bereits jetzt mit verschiedenen Problemen, unter anderem mit der Bürokratie für die Beantragung von Geldern für die Landschaftspflege, die sie auf 80 000 Hektar Fläche leisten. Diese Mittel machen jedoch bis zu 60 Prozent des Einkommens aus. Die Preise für Schafwolle verfallen und die Produktionskosten für Lammfleisch übersteigen oftmals den Erlös aus diesem.

Folge: Aufgrund dessen habe sich die Situation der Betriebe im Land in den vergangenen zehn Jahren deutlich verschärft, so die Verbandssprecherin Anette Wohlfarth: „Wir haben einen Rückgang der Schafzahlen und Betriebe von 30 Prozent.“ Stand 2016 gibt es im Rems-Murr-Kreis 64 Schafhalter mit rund 7400 Tieren, die Mehrzahl davon hat jedoch nur kleine Herden. Nur 13 besitzen mehr als 100 Schafe. Den größten Schafsbestand in der Region Stuttgart gibt es noch im Kreis Esslingen mit mehr als 13 300 Tieren, gefolgt vom Kreis Göppingen mit rund 10 700 Schafen und dem Rems-Murr-Kreis an dritter Stelle.