Alle da? Die Bahn will sich mehr ihre Kunden kümmern. Foto: dpa

Das Staatsunternehmen entdeckt die Nähe zu den Menschen – in Stuttgart ist in der Hinsicht noch Luft nach oben, findet Lokachef Jan Sellner

Stuttgart - Näher ran an die Kunden, das wollen alle. Auch die Deutsche Bahn, die dieser Tage feierlich versprochen hat, Wünsche der Fahrgäste stärker zu berücksichtigen - beginnend in den Bordrestaurants. Im Dezember soll’s neue Speisekarten geben. Die Auswahl wird kleiner, dafür stehen mehr „Lieblingsessen“ drauf. Chili con carne oder Currywurst zum Beispiel. Mit Schmand und Tortilla-Streuseln verfeinert. Das Ganze angeblich für weniger Geld. Klingt nach einem guten Plan: Besseres bieten und weniger verlangen.

Überhaupt will die Bahn ihre Fahrgäste mehr umsorgen – wohl auch, um über ärgerliche Verspätungen hinwegzutrösten. Zu der neuen „Gastgeberphilosophie“ gehört es laut einer Sprecherin, dass sich Zugbegleiter mit Namen vorstellen. Sie sollen auf die Fahrgäste zugehen – und das nicht nur, um Tickets zu entwerten. Im Zuge der Sympathie-Offensive wird auch das jahrzehntelang eingeübte „Bahndeutsch“ abgeschafft, das aus manchem Schaffner einen blutleeren Sprechroboter gemacht hat. Gestelzte Formulierungen wie „Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung links“ oder „Wir erreichen den Ziel- und Endbahnhof“ passen nicht zur angestrebten Gastgeber-Rolle. Von nun an sollen die Zugbegleiter wie ganz normale Menschen reden: „Vorne rechts geht’s raus!“ oder: „Wir sind gleich da!“ Also locker, flockig – ungezwungen.

„Der Gepard unter den Bussen“ – was will uns das sagen?

Und gerne auch mit regionaler Färbung. „Grüß Gott“, ursprünglich ein Segenswunsch, ist bei der Bahn als Grußformel jetzt nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Ebenso das nordische „Moin“. Und wenn ein Schaffner aus München seine Gäste künftig mit „Griaß Eana!“ an Bord willkommen heißt, ist das ebenfalls ganz im Sinne der unter Bahn-Chef Richard Lutz entwickelten neuen Gastgeberphilosophie. Innerhalb dieses weit gesteckten Rahmens ist vieles denkbar. Nicht ausgeschlossen, dass die Bahn ihren Stuttgarter Kunden demnächst zur verfeinerten Currywurst – oder besser noch: zur klassischen Maultasche – auch eine lokale Gesangseinlage darreicht: „Auf da schwäb’sche Eisabahna . . .“

Das versteht man dann wenigstens – was man von der neuen, zwischen Cannstatt und Innenstadt pendelnden Schnellbuslinie namens „X One“ nicht behaupten kann. Angepriesen wird das Gefährt als „Gepard unter den Bussen“. Trotz Raubkatzen-Lackierung ist der zähflüssige Verkehr auf der König-Karls-Brücke aber nicht flüssiger geworden. Hauptsache, die ÖPNV-Verantwortlichen fühlen sich als gute Gastgeber. Wie sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn: „Du gehst auf die Haltestelle und weißt: ,Jetzt kommt der Gepard. Der Schnellste seiner Art.‘“ Hat er sich das selbst ausgedacht? Da klingt die neue Bahn doch viel natürlicher: „Wenn Sie Hunger haben – im Wagen zwölf gibt’s was zu essen.“ Oder so.

Ran an die Leut’ ist übrigens auch das Bestreben des baden-württembergischen Innenministeriums. Allerdings in einem gänzlich anderen Sinne. In einer Einladung zur Einweihung eines neuartigen Blitzers schreibt das Ministerium in astreinem Beamtendeutsch: „ Eine Erhöhung des Risikos, bei zu schnellem Fahren erwischt zu werden, kann zu einer verbesserten Verkehrsmoral beitragen.“ Mit Gastgeberphilosophie hat das wenig zu tun, dafür sehr viel mit Kontrolldruck. Da muss man sich dann natürlich auch nicht um Verständlichkeit gegenüber den Kunden, sprich: Sündern bemühen. Der Blitzer, den Innenminister Thomas Strobl vorstellte, heißt „Enforcement-Trailer“. Da ist dann Hopfen und Malz verloren.

jan.sellner@stn.zgs.de