Der ehemalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble unterhält sich am 3. Dezember 2001 auf einem Parteitag in Dresden mit seiner Nachfolgerin Angela Merkel. Foto: dpa

Erst diskret, jetzt ganz offen: Wolfgang Schäuble will Merkels Nachfolge in seinem Sinne regeln und plädiert für Friedrich Merz als CDU-Vorsitzenden. Wirkt die Strategie auf die Delegierten – oder haben sich die beiden Finanzexperten verrechnet?

Berlin - Er lässt es jetzt gemütlich ausklingen, mischt sich nicht mehr groß ein: Dieses Bild hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von sich selbst gezeichnet, wenn er in den vergangenen Monaten Besucher in seinem Büro empfing. Es wirkte nachvollziehbar, wenn der inzwischen 76-Jährige den Eindruck erweckte, im Reinen zu sein mit sich und seinem Job als Deutschlands oberster Parlamentarier. Kürzer treten, mehr Zeit für die Familie haben, Ratschläge nur erteilen, wenn man gefragt wird – das schien die Devise.

Dass dies nur ein Teil der Wahrheit sein könnte, deutete sich bereits im Sommer an. Auf dem Höhepunkt des Asylstreits zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer war es Schäuble, der die beiden zu sich lud und die Passagen zu formulieren half, die den Bruch der Union in letzter Minute verhinderten. Ende Oktober schließlich, nachdem Merkel angekündigt hatte, sich von der Parteispitze zurückzuziehen, wurde endgültig offenbar, dass die graue Eminenz im Hintergrund sehr wohl noch Politik macht. Offenbar war er es, der seinen Freund Friedrich Merz in zahlreichen Gesprächen davon überzeugt hatte, aus der politischen Versenkung zurückzukehren.

Schäuble will der Königsmacher sein

Die allerletzten Zweifel daran, dass Schäuble der Königsmacher seiner Partei sein will, beseitigte er diese Woche. Er sprach sich öffentlich und so wortgewaltig für Merz aus, der „das Beste für das Land“ sei und in der Lage „unser System zu stabilisieren“ , dass es in seiner Wucht so klang, als müsse ein neuer Parteichef Merz auch möglichst schnell Merkel vom Chefsessel des Kanzleramts verdrängen. Isch no net over: In Anlehnung an sein eigenes Griechenland-Ultimatum vom Anfang 2015 lässt sich Schäubles besondere Rolle auf dem CDU-Parteitag beschreiben, der an diesem Freitag eine Grundsatzentscheidung über den personellen und inhaltlichen Kurs der CDU für die kommenden Jahre fällt. Schäuble, der wie Merz wegen Merkel unerfüllte Karrierewünsche mit sich herumträgt, möchte nun die Richtung mitbestimmen und dafür sorgen, dass wenigstens sein Kompagnon Kurs auf das wichtigste Amt nimmt.

Schäubles Parteinahme ist nicht ohne Risiko und provozierte prompt Kritik. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, ein Saarländer, sah sich genötigt, seine Unterstützung für die Landsfrau „AKK“ kundzutun, da Schäuble „nun den Damm gebrochen“ habe. Die Annegret-Kramp-Karrenbauer-Unterstützer hoffen insgeheim, dass Schäubles Intervention manchem Delegierten zu plump gewesen sein könnte. Auch der ein oder andere Baden-Württemberger aus dem Merz-Lager fragt sich, ob Schäuble nicht „des Guten zu viel“ gemacht habe. Merkel nahm die Äußerung am Donnerstag mit gewohnter Gelassenheit als „lebendige Meinungslandschaft“ in ihrer Partei zur Kenntnis.

Eine Art Hassliebe zu Merkel

Zu Merkel, die im 2000 als Parteichefin nachfolgte, hat Schäuble offenbar eine Art Hassliebe entwickelt. So steht bis heute seiner allseits attestierten Kanzlerfähigkeit im Weg. Und sie tat auch wenig, um ihn für die langjährige Loyalität etwa mit einem Umzug nach Bellevue zu belohnen, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Tatsächlich war Schäuble trotz diverser Meinungsverschiedenheiten mit Merkel nie illoyal, akzeptierte in der Eurokrise, dass die Kanzlerin Griechenland nicht aus der Eurozone entlassen wollte. Es gab sogar einmal einen gemeinsamen Kinobesuch, was Intimfeinde wohl selbst zu PR-Zwecken so nicht inszenieren würden.