Im Bemühen, den Spielhallen-Boom zu beenden, schießt das Land nach Ansicht der Betreiber über das Ziel hinaus. Die Grünen hingegen könnten sich sogar noch eine Verschärfung vorstellen. Foto: dpa

Schärfere Regeln fürs Glücksspiel – Städtetag zufrieden – Weichen Zocker nun auf Kneipen aus?

Stuttgart - Kaum hatte das grün-rote Landeskabinett das neue Glücksspielgesetz auf den Weg gebracht, meldete sich der Automatenverband zu Wort, der die Betreiber gewerblicher Spielhallen vertritt. „Wir haben den Tod vor Augen“, sagte Landeschef Michael Mühlbeck der Nachrichtenagentur dpa und bestätigte damit indirekt, was Innenminister Reinhold Gall (SPD) wenig später auf der Pressekonferenz über die Glücksspiellobby sagte: „Die Vehemenz derer, die sich zu Wort melden, ist deutlich höher als in anderen Bereichen.“

Der Gesetzentwurf der Landesregierung, der nun in die Anhörung geht und im Herbst in den Landtag eingebracht werden soll, sieht unter anderem einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen zwei Spielhallen sowie zwischen Spielhallen und Jugendeinrichtungen vor. Außerdem werden jedem Betrieb Einlasskontrollen sowie die Erstellung eines Konzepts gegen die Spielsucht auferlegt. Der Automatenverband rechnet mit einer Klagewelle der Betroffenen. Die vorgesehenen Regelungen griffen in die Eigentumsrechte der Spielhallenbetreiber ein und seien weitaus drakonischer als in anderen Bundesländern, so Mühlbeck. Vor allem das Ende der Mehrfachkonzessionen sei inakzeptabel. Dabei handelt es sich um Genehmigungen für mehrere nur durch Trennwände separierte Spielhallen. Diese machten das Geschäft erst lukrativ, so Mühlbeck.

Ich persönlich bin bereit, in Kneipen auch gar keine Geldspielgeräte mehr zuzulassen“

Während die einen für Lockerungen kämpfen, können sich andere sogar noch weitere Verschärfungen vorstellen. Der Lörracher Landtagsabgeordnete Josha Frey, Verhandlungsführer der Grünen bei dem Thema, will bei der Anhörung ganz genau hinhören, was die Suchtverbände sagen. Er befürchtet, dass die Zocker künftig auf Kneipen ausweichen, die zwar die Zahl ihrer Geldspielgeräte von maximal drei auf zwei reduzieren müssen, wo aber weiterhin keine Einlasskontrollen vorgesehen sind. „Ich persönlich bin bereit, in Kneipen auch gar keine Geldspielgeräte mehr zuzulassen“, sagte er unserer Zeitung. Er hat auch klare Vorstellungen davon, wie der Geldspielautomat der Zukunft aussehen soll, über den gerade in Berlin im Rahmen der Beratungen über eine neue Automatenverordnung nachgedacht werde: Jedem Spieler soll künftig angezeigt werden, wie lange er an dem Automaten schon spielt und wie viel Geld er bereits gewonnen oder verloren hat.

Die Städte im Südwesten zeigten sich zufrieden mit dem Gesetzentwurf: „Wir hoffen, dass wir mit diesem Gesetz die Ausbreitung der Spielhallen eindämmen können“, sagte Städtetags-Geschäftsführer Stefan Gläser der dpa. Spielhallen brächten für ein Stadtquartier häufig eine Abwärtsspirale mit: Handel und Gaststätten verschwänden, häufig entstehe ein Rotlichtmilieu. „Wir wollen aber ein ausgewogenes Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen“, betonte Gläser. Außerdem dürfe der Spielsucht nicht weiter Vorschub geleistet werden.

„Unser Argument ist es, mit den Spielbanken den Spieltrieb in vernünftige Bahnen zu lenken und nicht Geld zu verdienen“

In Baden-Württemberg ist laut Gläser die Zahl der Spielhallen in den vergangenen sechs Jahren von 810 in 614 Städten auf 1500 in 930 Städten hochgeschnellt. Allein in Stuttgart habe sich die Zahl der Spielhallenkonzessionen in diesem Zeitraum auf 132 verdoppelt, in Freiburg von zehn auf 36 sogar mehr als verdreifacht. Der Zuwachs sei

in Baden-Württemberg vergleichsweise stark gewesen. „Ich vermute, das Land hatte einen gewissen Nachholbedarf.“

Gall verteidigte die Entscheidung des Landes, nicht wie angedacht eine vierte Spielbank zuzulassen, die dann in Mannheim entstanden wäre: „Unser Argument ist es, mit den Spielbanken den Spieltrieb in vernünftige Bahnen zu lenken und nicht Geld zu verdienen. Mit einer zusätzlichen Spielbank würden wir uns unglaubwürdig machen.“ Die Konzession gehe künftig nur noch an einen Betreiber, um aggressive Werbung zu unterbinden, sagte er.

Derzeit gibt es im Land staatliche Spielbanken in Stuttgart, Konstanz und Baden-Baden. Im vergangenen Jahr konnten diese Kasinos ihre Umsätze laut dem Sprecher der Spielbanken GmbH wieder steigern. Zuvor habe es Jahre lang zurück gehende Umsätze gegeben, woran aber nicht allein die wachsende Konkurrenz der Spielhallen schuld gewesen sei, so der Sprecher.

Innenminister Gall kündigte an, dass ab dem kommenden Jahr wieder Lottospielen via Internet möglich sein soll. Im Januar dürfte das entsprechende Gesetz verabschiedet werden, sagte er. Möglich wurde dies durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag, der seit Juli diesen Jahres gilt.