Die Haare der Eichenprozessionsspinner enthalten ein Nesselgift, das bei Kontakt die Haut reizen kann. Foto: dpa-Zentralbild

Die Haare dieses Schädlings verursachen böse Allergien: Die Stadt will daher wieder gegen den Eichenprozessionsspinner vorgehen. Ob die Aktion bald beginnt, hängt aber von etwas ab.

Filder - Für viele ist es ein bizarrer oder sogar gruseliger Anblick: Äste und Zweige sind über Nacht bedeckt von Gespinsten. In ihnen hängen viele graue Raupen. Bisweilen bedecken die Eichenprozessionsspinner ganze Baumkronen mit ihren Nestern.

Die Stadt will den Tieren nun auf den Leib rücken. Von dieser Woche an bis Mitte Mai soll das biologische Schädlingsbekämpfungsmittel Neemöl auf die 2300 Stuttgarter Eichen gesprüht werden. Mehr als 500 Bäume werden allein in den Bezirken Degerloch, Sillenbuch, Plieningen und Birkach behandelt.

Der Grund für das Vorgehen gegen die Tiere mit ihrem Heißhunger auf Blattwerk ist nicht nur die Gänsehaut mancher Spaziergänger angesichts vermeintlich mit Spinnweben übersäten Baumkronen. Die Tiere stoßen Brennhaare ab, die bei Menschen allergische Reaktionen der Haut auslösen können. Sie enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Bisweilen bilden sich Quaddeln wie nach einem Insektenstich. Die Haare können zudem mit der Luftströmung über weite Strecken getragen werden. Auch abseits von Wäldern können sie so Hautentzündungen hervorrufen. Und die Bäume selbst leiden unter den Tieren. Diese fressen Zweige und Äste kahl und können Schäden am Baum verursachen.

Luftströmung verbreitet die Härchen

Lange Zeit blieb den Mitarbeitern des Garten-, Friedhofs- und Forstamts nichts anderes übrig, als die Gespinste samt den sich darin befindenden Tieren abzusaugen. Seit 2009 kommt aber stattdessen das Öl des Niembaums zur Anwendung. Es enthält den Wirkstoff Azadirachtin. Er stört die Bildung von Chitin und damit den Aufbau des Außenskeletts der Tiere. So verhindert es, dass sie sich häuten und verpuppen können. Ihre weitere Entwicklung wird gehemmt. Als vorteilhaft gilt, dass die Substanz schnell abgebaut wird. Sie gilt im Vergleich zu anderen Insektiziden als weniger schädlich für Nützlinge. Neemöl soll auch für den Menschen nicht gesundheitsgefährdend sein.

Der Wirkstoff stört die Chininbildung

Die Mitarbeiter der Stadt werden im ganzen Stadtgebiet mit einer Spritzkanone Eichen einsprühen, die in stark besuchten Außenanlagen wachsen. Dazu zählen Schulen, Schwimmbäder, Kindergärten sowie Sport- und Grünanlagen.

Als Beispiele für die Bezirke rund um den Fernsehturm nennt der Leiter des Garten-, Friedhofs- und Forstamts, Volker Schirner, den Birkacher Friedhof oder das Paracelsus-Gymnasium in Hohenheim. Nach der Sprühaktion sollten die Eichen vor dem Schädling geschützt sein, sagt Schirner. Dass allein in den vier Bezirken circa 500 Eichen mit Neemöl behandelt werden, sei kein Zufall, sagt er. „Das sind die grüneren Bezirke, in denen es eben mehr schöne Bäume gibt“, meint er.

Viele Eichen stehen auf den Fildern

In Wäldern oder in Natur- und Landschaftsschutzgebieten wird kein Neemöl versprüht. Die Stadt rät dazu, solche Flächen mit möglichst kompletter Hautbedeckung zu betreten oder sie von Juni bis August völlig zu meiden. In dieser Woche könnte allerdings ein erneuter Kälteeinbruch der Aktion einen Strich durch die Rechnung machen. „Wenn das Wetter so kalt und niederschlagsreich wird wie unmittelbar nach Ostern, wird es schwierig. Damit rechnet eigentlich niemand mehr Ende April“, sagt Schirner. Er ist erleichtert, dass die Wetterprognosen bisher eine mildere Witterung versprechen.

Das Aussprühen des Neemöls wird übrigens nur den Eichenprozessionsspinner bekämpfen. Andere Raupen- oder Mottenarten, die im Frühjahr andere Bäume oder Sträucher befallen, können ungestört Gespinste anlegen. Da diese keine Allergien auslösen, werden sie von der Verwaltung nicht entfernt. Ihr Anblick mag zwar für manchen schaurig sein, aber im buchstäblichen Sinne juckt das niemanden.