Foto: Max Kovalenko/PPF

Suche nach Ursachen für Risse in den Röhren – Ab September wohl Fahrspuren gesperrt.

Leonberg/Gerlingen - Der Bohrturm ist gar nicht so einfach zu finden. Er steht in der Wolfschlucht, einem tiefen Einschnitt an der Stadtgrenze von Leonberg und Gerlingen. Von oben, vom Parkplatz an der Stuttgarter Straße unweit des Naherholungsgebiets Leonberger Heide, führt kein Weg nach unten. Erreicht wird die Bohrstelle über Feldwege von der Gerlinger Seite. Etwa 70 Meter darunter liegt der Engelbergtunnel.

Der viel befahrene A-81-Tunnel ist der Grund, warum das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) in der Wolfschlucht eine Baustelle eingerichtet hat. „Wir bohren vier Löcher“, sagt Robert Hamm vom RP. Der 39-Jährige ist Projektleiter der Tunnelsanierung. Dieser Job wird den Diplom-Ingenieur noch lange beschäftigen. Denn bevor der Engelbergtunnel saniert werden kann, muss klar sein, ob es außer dem bekannten Problem mit dem quellfähigen Gestein Anhydrit noch weitere Ursachen für die zuhauf auftretenden Risse im Tunnel gibt.

In zwei Jahren liegen ausreichend Daten vor

Die Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 30 Zentimeter, die nun in den Engelberg gebohrt werden, enden ober- und unterhalb der Tunnelröhren. Das tiefste führt gut 100 Meter hinein in die unter den Betonröhren befindliche Anhydritschicht. In die Löcher kommen sogenannte Messröhren, die einbetoniert werden. In zwei bis drei Monaten soll diese Arbeit beendet sein. „Wir lassen dann ein Messinstrument an einem Kabel runter“, sagt Hamm. Dieses Spezialgerät könne bis auf den 1000. Millimeter genau horizontale und vertikale Verschiebungen des Berges messen. Aus diesen „Verwerfungen um den Tunnel herum“ lasse sich erkennen, wie saniert werden muss.

Bis ausreichend Daten vorliegen, werden allerdings noch ein bis zwei Jahre vergehen. Und es wird nicht nur in der Wolfschlucht die Bewegung im Berg gemessen. Oben, beim Parkplatz an der Stuttgarter Straße, wurde bereits ab Mitte März ein etwa 80 Meter tiefes Loch gebohrt. Und voraussichtlich ab September zieht der Bohrtrupp in den Engelbergtunnel. Dann bekommen auch Auto- und Lastwagenfahrer mit, dass der mit etwa 120 000 Fahrzeugen am Tag belastete Autobahnabschnitt wieder mal eine Baustelle ist. Allerdings sollen sich die Behinderungen diesmal in Grenzen halten: „Wir brauchen vier bis fünf Wochenenden“, sagt Hamm.

Fahrspuren von freitagabends an gesperrt

Jeweils von Freitagabend an sind dann zwei Fahrspuren im Tunnel gesperrt. Gebohrt werden hier fünf Löcher: zwei von den Standstreifen 15 Meter weit nach außen in den Berg, zwei von den Mittelspuren 15 Meter nach unten, eins zwischen den Röhren.

Die Messdaten und daraus gewonnene Erkenntnisse sollen zu einem geeigneten Sanierungskonzept führen. So hat es Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf eine Kleine Anfrage des Leonberger Landtagsabgeordneten Bernd Murschel (Grüne) formuliert. Hermann geht davon aus, dass eine „dauerhafte Stabilisierung“ des Engelbergtunnels erreicht werden kann.

Anhydrit lässt Wände bersten

Saniert werden muss, weil im Tunnel auf 100 bis 150 Meter Länge „Risse unterschiedlicher Intensität“ (Hermann) aufgetreten sind. Als Ursache gilt das Mineral Anhydrit. Das Gestein quillt wie Gips auf, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Es dehnt sich um bis zu 50 Prozent seines ursprünglichen Volumens aus. Der Tunnel führt auf einer Länge von rund 440 Metern durch eine Anhydritschicht. Die Röhren wurden deshalb während des Tunnelbaus erheblich verstärkt – statt der ursprünglich vorgesehenen 70 Zentimeter sind sie drei Meter dick.

„Wir vermuten, dass die bis zu zwei Millimeter breiten Risse von Anhydrit kommen“, sagt Bauingenieur Hamm. Doch es könne auch sein, dass sich die Geologie im Berg durch den Tunnelbau verändert hat. Das soll nun geklärt werden. Es wird nämlich nicht nur gemessen. „Wir bewahren alles auf, was aus den Bohrlöchern herausgeholt wird“, so Hamm. Gestein und Erde werden erst einmal in Kisten gelagert. In Laboren soll das Material dann untersucht werden.

Engelbergtunnel macht von Anfang an Probleme

Im 1999 eröffneten Engelbergtunnel hat es von Anfang an Probleme gegeben. Schon 2002 wurde bekannt, dass durch Bewegungen im Berg drei der je zehn Meter langen Tunnelsegmente um bis zu zwei Zentimeter auseinandergetriftet waren. Es kam zu Verwerfungen der Fahrbahn und ersten Rissen im Beton. Seither wird am Tunnel herumgeflickt. Zuletzt bei einer dreiwöchigen Nachtbaustelle im Sommer 2010, als am Straßenrand Trennschnitte gemacht wurden, um die Spannung von der unter der Fahrbahn liegenden Betonplatte zu nehmen.

Zwischendurch wurde auch mal ein Stahlnetz eingehängt, um von der Decke bröckelnden Beton aufzufangen. Und nach Wassereinbrüchen im Winter mussten für Autofahrer gefährliche Eiszapfen von der Decke geschlagen werden.

Allein in den vergangenen vier Jahren wurden laut Verkehrsminister Winfried Hermann „rund drei Millionen Euro für die Erhaltung des Engelbergtunnels aufgewendet“. Die jährlichen Betriebskosten der beiden rund 2500 Meter langen Röhren liegen bei 750 000 Euro.

Wenn die Messungen im Inneren des Berges beendet und ausgewertet sind, dürfte es noch einmal richtig teuer werden. Denn danach, in zwei bis drei Jahren, soll der Engelbergtunnel repariert werden. „Eine belastbare Schätzung ist erst auf Grundlage des Sanierungskonzepts möglich“, sagt Hermann zwar, doch so weit lehnt er sich schon mal aus dem Fenster: Mit einem „zweistelligen Millionenbetrag ist zu rechnen“.