Sanierungsfall: In dem Fachwerkhaus steckt ein krebserregendes Mittel. Foto: factum/Granville

Weil die Gebäude stärker mit Schadstoffen belastet sind als erwartet, muss das Sozialamt für mindestens drei Jahre ausgelagert werden. Der Umzug wird kompliziert.

Böblingen - Der Böblinger Stadtverwaltung steht ein Kraftakt bevor. So bezeichnet Stefan Belz die Auslagerung von 145 seiner Mitarbeiter in den Stadtteil Flugfeld. „Die Gesundheit der Belegschaft hat die höchste Prämisse“, sagt Böblingens Oberbürgermeister. Und genau die ist gefährdet durch die Schadstoffe Formaldehyd und das Holzschutzmittel Lindan, die im Neuen Rathaus und in dem benachbarten Fachwerkgebäude stecken. Die Stadt hat sich deshalb bei der Böblinger Baugesellschaft eingemietet: Der städtische Tochterbetrieb erstellt momentan an der Konrad-Zuse-Straße 90 ein Bürogebäude namens Tetragon. Der Umzug soll Mitte kommenden Jahres stattfinden. Die Kosten für die Sanierung der Gebäude steigen von acht auf fast 13 Millionen Euro.

Die Büros erhalten neue Zuschnitte

„Wenn wir schon sanieren, dann richtig“, erklärt Stefan Belz die Preiserhöhung. Das Neue Rathaus aus dem Jahr 1982 soll auch energetisch und technisch auf den neuesten Stand gebracht werden. Fenster und Heizung, die Haustechnik, Toiletten und die Bürozuschnitte werden unter anderem erneuert. Außerdem soll das Gebäude barrierefrei werden. Geplant ist, die Zahl der Arbeitsplätze um etwa 20 auf bis zu 205 zu erhöhen. Außerdem soll es für die Mitarbeiter behaglicher werden: An erster Stelle stehen dabei niedrigere Temperaturen im Sommer, des Weiteren sollen mehr Gemeinschaftsflächen und mehr Plätze für Kommunikationsräume entstehen. Trotz der umfassenden Pläne wäre ein Neubau mit Kosten von mindestens 22,45 Millionen Euro noch teurer gekommen, hat das Amt für Gebäudemanagement ausgerechnet.

„Es werden spannende drei Jahre“, sagt der Oberbürgermeister. Zumindest räumlich werde das Rathausteam auseinandergezerrt. Das Sozialamt zieht komplett in die Konrad-Zuse-Straße. Für das Bürgeramt mit der Abteilung Ausländerwesen und das Standesamt sucht die Verwaltung noch Ersatzräume an einem zentraleren Standort, die Bahnhofstraße ist dafür anvisiert. „Der Umzug wird eine logistische Herausforderung“, kündigt Nicole Ullrich von der Stabstelle Projektmanagement an. Damit möglichst wenig Arbeit ausfällt, wird der Umzug eventuell etappenweise vollzogen. Im Rathaus finden derzeit diverse Planspiele statt. Und die Möbel für die ins Tetragon verlegten Mitarbeiter werden voraussichtlich geleast. „Der Umzug ist ein Extraprojekt“, sagt Nicole Ullrich.

Bereits vor vier Jahren hat der Gemeinderat die Sanierung des Neuen Rathauses beschlossen. Bei Messungen war bereits 2002 die Lindan-Belastung, im Jahr 2005 dann das Formaldehyd entdeckt worden. Trotz verschiedener Sanierungsversuche werden die Grenzwerte nach wie vor überschritten. Das Holzschutzmittel Lindan wurde in dem historischen Gebäude in der Markstraße 9 und 13 verwendet und gilt als krebserregend. Ein spezielles Verfahren ist notwendig, um das Problem in den Griff zu bekommen. Die im Neuen Rathaus verwendeten Spanplatten für die Trennwände und hinter der Vertäfelung wurden mit einem formaldehydhaltigen Klebstoff verarbeitet. Mittlerweile ist das Furnier porös und der Schadstoff wird freigesetzt. Seit vier Jahren schaffen in den belasteten Büros Luftreinigungsgeräte mit Aktivkohlefilter bessere Luft.

Schwierige Suche nach einem Interimsgebäude

Durch die schwierige Suche nach einem Interimsgebäude habe das Projekt nicht zügig umgesetzt werden können, erklärt die Baubürgermeisterin Christine Kraayvanger den langen Zeitraum. „Für die Anzahl von Personen etwas zu finden war nicht leicht“, betont sie. Außerdem habe es etliche personelle Wechsel gegeben. Seit Anfang April ist nun Timo Nußbaum als neuer Leiter des Amtes für Gebäudemanagement im Einsatz für Böblingen. Mit dem 35-Jährigen sei die Stadt nun „in der hervorragenden Lage, diese großen Aufgaben anzugehen“, sagt Stefan Belz.