Im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß: Gutachter des Gesundheitsamtes haben schon 1998 empfohlen, den Betonbau auf dem Innenstadtcampus abzureißen. Foto: factum/Granville

Der alte Fachklassentrakt am Ludwigsburger Innenstadtcampus ist marode und die Raumluft darin voller Schadstoffe. Trotzdem wird dort noch immer unterrichtet. Nun kam heraus, dass schon 1998 ein Abriss empfohlen wurde – allerdings ist das Gutachten verschlampt worden.

Ludwigsburg - Zunächst redeten die Experten viel von unvorstellbar kleinen Maßeinheiten wie Nanogramm und Piktogramm, von Giften in der Atemluft und natürlich von Grenzwerten. Später meldeten sich die betroffenen Eltern und Lehrer zu Wort und machten deutlich, dass sie weniger an einer Aufklärung über die statistische Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen interessiert sind als an konkreten Maßnahmen. Nachdem im Herbst festgestellt worden war, dass der Alte Fachklassentrakt am Innenstadtcampus PCB-belastet ist, hatte die Ludwigsburger Verwaltung zu einem Informationsabend eingeladen. „Uns interessiert nur eins“, insistierte eine Elternvertreterin: „Wann wird der Betonbau endlich dicht gemacht?“

Eltern und Lehrer der drei Ludwigsburger Innenstadtgymnasien haben lange auf diese Veranstaltung hingewirkt und der für die Schulen zuständige Erste Bürgermeister Konrad Seigfried hatte den Ingenieur Andreas Hummel von der Firma Müller-BBM, die die Raumluft untersucht hat, und Gundram Hardegg, den Leiter des Bereichs Hygiene im Ludwigsburger Gesundheitsamt, mit aufs Podium gebeten. Das Interesse war groß, etwa 250 Personen waren der Einladung ins Kulturzentrum gefolgt.

Abriss, keine Sanierung

Die Chemiker haben über längere Zeiträume in acht Zimmern des alten Fachklassentraktes nach Schadstoffen gesucht. Die Werte von gesundheitsschädlichem PCB (Polychlorierte Biphenyle) lagen demnach bei 300 bis 700 Nanogramm pro Kubikmeter Luft. Der Stoff sei bis 1983 als Weichmacher für das Füllmaterial von Dehnungsfugen eingesetzt worden, erläuterte Hummel. Doch da die PCB-Moleküle ausdünsteten und sich im Lauf der Jahre auch in Wände, Decken und Bodenbeläge einfräßen, genüge es nicht, einfach nur alle Dehnfugen zu beseitigen. Um der Sache Herr zu werden, müsse das Gebäude komplett entkernt werden.

Obwohl die Messwerte weit unter denen liegen, die die Umweltbehörden als gesundheitsschädlich einstufen, empfahl auch Hardegg, das Haus zu sanieren. „Ich möchte mich nicht festlegen, aber das sollte in nächster Zeit geschehen“, sagte der Mediziner. Eine Sanierung komme nicht in Frage, sagte Seigfried: „Das Haus ist abbruchreif und wir reißen es ab, sobald wir die Raumreserven nicht mehr brauchen.“

Klaus Arnold, der Leiter des Schillergymnasiums, nahm den Ball gern auf. Er rechnete vor, dass das nach seiner Kalkulation schon nach Ablauf dieses Schuljahres passieren könnte. Dann nämlich werden die Schüler des Goethegymnasiums wieder in das bis dahin sanierte Hauptgebäude zurückziehen. Außerdem gebe es voraussichtlich weitere Kapazitäten in der Silcherschule, der Gemeinschaftsschule und in Containern. Daniel Wittmann, der im Rathaus für die Schulen zuständige Abteilungsleiter, erhob Einspruch. Ganz so gut sei die Situation noch nicht. Man könne wohl zehn Klassen umverteilen, aber der Fachklassentrakt werde nicht überflüssig.

Akteure sind nicht mehr im Amt

Die Eltern und Lehrer bestanden auf einem konkreten Datum für den Abriss. Ihr Ärger über den Zustand des Betonbaus, worin es im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß fürs Unterrichten ist, hatte dadurch weitere Nahrung erhalten, dass ein Gutachten von 1998 aufgetaucht ist, in dem der Abriss des alten Fachklassentrakts „innerhalb der nächsten zehn Jahre“ empfohlen wird. Schon damals war ein erhöhter PCB-Gehalt in der Luft nachgewiesen worden. Seigfried entschuldigte sich: „Ich bedaure das sehr. Wir wissen nicht, wie das passieren konnte. Niemand im Haus wusste etwas von diesem Gutachten.“ Die Akteure von damals seien nicht mehr im Amt – weder in den Schulen noch im Rathaus.

Schließlich gab Seigfried dem Drängen der Fragesteller nach und sagte zu, dass der Betonbau zum Schuljahresende 2018/19 abgerissen werden könne. Bis dahin sei auch die Sanierung des zweiten Gebäudes des Goethe-Gymnasiums an der Alleenstraße abgeschlossen.