Der Schabernacktball von 1994. Foto: Kraufmann

In Stuttgart steigt die erste Nacktparty überhaupt. Ganz neu ist die Idee aber nicht. Wir blicken zurück auf den Schabernacktball von 1994 und haben dazu im Archiv gekramt.

Stuttgart - Wenn in Stuttgart an diesem Freitag in der Schräglage die erste Nacktparty überhaupt steigt, blickt das Partyvolk auf den Club zwischen Marktplatz und Rotebühlplatz. Die entscheidende Frage: Wieviele Partygäste kommen wirklich nackt? Während wir hier auf alles Wissenswerte zur Nackparty hinweisen, haben wir mal in unserem Archiv gekramt und nach ähnlichen Partys gewühlt.

Dabei sind wir auf den Schabernacktball von 1994 gestoßen, haben ein Foto rausgeholt und gleich noch den Text von unseren Kollegen von damals dazugepackt. Viel Spaß beim Lesen:

Je nackter, desto billiger

Sie kommen aus der Kälte. Die Mäntel nicht zugeknöpft, aber fest verschlossen. Die Hände an die Aufschlägen geklammert. Vor der Treppe empfängt sie ein fragender Blick. Ein Ruck geht durch die Körper. Sie breiten die Arme aus, öffnen das schützende Gewand. Jetzt gilt's: Können sie den ersten Schabernackt-Ball in Stuttgart für nichts erleben? Oder müssen sie 50 Mark hinblättern? Premiere der Stuttgarter Version des Münchner Skandalballes gestern abend im Palais am Schloßplatz. Weit mehr als 200 Menschen aller Altersgruppen von 18 aufwärts trauen sich. Oder hoffen auf Einblicke. Palais-Geschäftsführer Peter Seitz hat sich erst vor zwei Wochen entschlossen, den Ball zu machen.

Mit dem Vorspiel zwischen dem werbetüchtigen 32-jährigen und dem skeptischen Amt für öffentliche Ordnung waren sämtliche Medien in der Region beschäftigt. Noch gestern abend bat der Geschäftsführer seine Anwälte, die Räume für den "freizügigsten aller Bälle" zu inspizieren. Sie fanden: bunte Luftschlangen; Toilettentüren, mit unförmigen Männerunterhosen und reizlosen Damenmiedern gekennzeichnet. Derweil wird am Eingang um jeden Faden gefeilscht. Heiße Höschen, halterlose Netzstrümpfe, Strapse, Bustiers, Korsetts senken bei Frauen die Tarife schlagartig. Manche Männer greifen auf die gleichen Mittel zurück. Wem gar nichts einfällt, der kann Boxershorts kaufen. Oder für 50 Mark in voller Montur in die sehr gut geheizten Räume hinabsteigen.

Um neun füllen sich die Tanzflächen ganz langsam. Die gewagtesten "Kostüme" trägt das Personal. Eine (männliche) Domina mit Peitsche stiefelt durch die Gänge. Dessous sind in, aber noch rar. Die Mehrzahl ist sittsam gekommen. Im Nachthemd. In Kniebundhosen. Einer im Priestergewand. Ein anderer spielt Kapitän. Um diese Zeit kein Vergleich mit München, kein Ereignis für Sittenwächter.

Die wirklich Nackten sind scheu

Wer wenig trägt, scheut das Blitzlicht. Mikrofone sind anonymer. Warum sind Sie gekommen? Was erwarten Sie? Die einen sind Stammgäste, die anderen aufmerksame Zeitungleser. Eine Clique ist extra aus Aalen angefahren. Die haben das Motto "Schabernack(t)" aber nicht ernst genug genommen. Zuviel Stoff.

Um zehn ist den Türstehern, die eine Stunde vorher noch gefroren haben, nicht mehr kalt. Der Zustrom reißt nicht ab. Die Diskussionen werden länger. Jetzt kommen die, die nur sehen, aber nichts zeigen wollen. Überwiegend Männer. Drei ältere Herren diskutieren nicht. Alle in feinem Anzug, Krawatte. Sie wissen genau, welcher Ball gespielt wird. Einer zahlt für alle. 150 Mark auf den Tisch.

Um zehn steigt die anfangs müde Stimmung im Palais. Live-Musik im einen, Disko im anderen Raum. Erste Kontaktversuche. Nach Mitternacht soll's noch eine Überraschung geben. Die Party ist bis fünf Uhr morgens genehmigt. Besondere Vorkommnisse zur Erregung der Öffentlichkeit (geschweige denn deren Ärgers)? Bis Mitternacht keine.