Derzeit die Überflieger in der Fußball-Bundesliga: Janik Haberer (l.) und der SC Freiburg. Foto: AFP/Ina Faßbender

„Bayern-Jäger“? Dieser Begriff entlockt Christian Streich nur ein müdes Lächeln. Der Trainer des Bundesliga-Überraschungsteams SC Freiburg ist vielmehr froh über den Vorsprung auf Platz 16.

Freiburg - Es wirkt ein wenig gedankenverloren, wie sich Christian Streich, den Blick starr nach vorne gerichtet, mit einer Hand über die Haare wischt. Vier, fünf Mal wiederholt der 54-Jährige diese Bewegung – um schließlich, in leicht zerzaustem Zustand, ein klares Statement zur komfortablen Lage seiner Mannschaft abzugeben. „Wir klauen die Punkte nicht, wir haben sie uns sehr hart erarbeitet“, betont der Trainer des SC Freiburg – und sieht dabei alles andere als gedankenverloren aus.

Bester Saisonstart des SC in der Bundesliga

Mit seiner unkonventionellen, doch stets auf den Kern der Dinge gerichteten Art hat der eigenwillige Südbadener gerade den besten Saisonstart der Breisgauer in der Bundesliga gedeichselt. Natürlich ahnt auch Streich, dass das vergleichsweise angenehme Auftaktprogramm die glänzende Zwischenbilanz (13 Punkte, Platz drei) begünstigt hat. Der Begriff „Bayern-Jäger“, mit dem er zuletzt nach dem 2:1 bei Fortuna Düsseldorf konfrontiert wurde, hätte ihm allerdings auch bei jeder anderen Gemengelage nur dasselbe sehr müde Lächeln wie jüngst in der Fortuna-Arena entlockt.

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„Ich schlaf‘ heute gut, weil wir einige Punkte Abstand zum Drittletzten haben, Das ist relevant in Freiburg“, erklärte Streich da seelenruhig, versicherte aber zugleich: „Ich kann den Moment total genießen.“ Zumal das Momentum nun Besuch vom selbsternannten Titelaspiranten Borussia Dortmund vorsieht, aktuell eher unzufriedener Achter. Die Ausgangslage für das Duell an diesem Samstag (15.30 Uhr) ist speziell – auch, weil es höchstwahrscheinlich der letzte Auftritt des BVB im Schwarzwald-Stadion sein wird.

Neues Stadion als Weichenstellung

Zur nächsten Saison plant des SC den Umzug aus seiner kleinen, engen, 65 Jahre alten Arena im Osten der Stadt in den Westen von Freiburg. In ein Stadion, das derzeit in der Nähe des örtlichen Flugplatzes gebaut wird, statt der bisher 24 000 dann 35 000 Zuschauern Platz bieten soll – und als Sinnbild für den aktuellen Optimismus im Club steht. „Für uns kann das eine ganz tolle Weichenstellung werden“, äußerte Sportvorstand Jochen Saier im „SWR“. „Wenn wir es in den nächsten vier, fünf Jahren gut machen, können wir als Verein noch mal einen großen Schritt machen.“

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Passabel vorwärts gekommen sind die Freiburger auch zuletzt schon. Von den Leistungsträgern ging im Sommer nur Florian Niederlechner – Richtung Augsburg – von Bord, zudem kehrten in Jonathan Schmid (Augsburg) und Vincenzo Grifo (aus Hoffenheim) zwei bewährte Kräfte zum SC zurück. „Wir sind in der Kaderdichte besser geworden, haben außerdem wenig Verletzte und können gut trainieren“, erwähnt Streich. „Und diejenigen, die vermeintlich hinten dran sind, grübeln nicht so viel, sondern arbeiten daran, dass es wieder anders wird.“

Mentalität stimmt zu 100 Prozent

Das Ergebnis dieser Haltung sieht man auf dem Platz. „Die Mentalität stimmt bei uns zu 100 Prozent. Wir lassen uns inzwischen auch von einem Gegentor null komma null beeinflussen – und finden gerade gut das Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive“, benennt Kapitän Christian Günter die Qualitäten des Teams, in dem Innenverteidiger Dominique Heintz noch einfällt: „Gerade auswärts stehen wir viel besser als früher, sind aktiv, können Spiele verändern.“ Und: „Wir sind eine junge Mannschaft, wachsen immer mehr zusammen.“

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Prominentester Reservist in diesem kontinuierlich reifenden Ensemble ist derzeit Luca Waldschmidt, Torschützenkönig der U-21-EM und Ende August erstmals in der Kader der A-Nationalmannschaft berufen. In den vergangenen drei Begegnungen wurde der 23-Jährige immer nur eingewechselt, in Düsseldorf erzielte er dabei mit einer feinen Einzelleistung im Stil von Arjen Robben das Siegtor. „Keiner sitzt gerne auf der Bank“, kommentierte er später schmallippig.

Teure Bankdrücker

Christian Günter zeigt Verständnis für Waldschmidt und Sieben-Millionen-Euro-Einkauf Vincenzo Grifo, in den letzten beiden Partien ebenfalls nur Einwechselkraft. „Das ist nicht so einfach für die Jungs. Aber es kommt nicht auf den Einzelnen an, sondern auf die Mannschaft“, bekräftigt der gebürtige Schwarzwälder das berühmte Miteinander beim Sport-Club – das fürs Erste in ein Spitzenspiel gegen Vizemeister Borussia Dortmund mündet. „Das ist in Freiburg ja nicht so oft der Fall, entsprechend schön ist das Gefühl“, kommentiert Günter und denkt dann an die vielen Herausforderungen im Herbst: „Jetzt kommen die dicken Brocken – danach weiß man, wohin unsere Reise geht.“