Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer: „Das Problem mit saufenden Jugendlichen ist nicht mehr so extrem“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Land will es den Städten erlauben, den Konsum von Alkohol auf bestimmten Plätzen zu verbieten. Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) warnt vor falschen Erwartungen.

Stuttgart - Junge Menschen, die sich unter freiem Himmel an bestimmten Plätzen versammeln und die Nacht zum Tag machen, sind auch in Stuttgart ein Problem – vor allem im Sommer. Meist ist Alkohol im Spiel, es wird laut, die Anwohner sind genervt. Hinzu kommen nicht selten Vandalismus und Straftaten.

Baden-Württembergs neue Landesregierung will es den Kommunen nun ermöglichen, das Trinken von Alkohol zu verbieten – auf bestimmten Plätzen und zu bestimmten Zeiten. „Wir schaffen eine Ermächtigungsgrundlage für räumlich und zeitlich begrenzte Alkoholkonsumverbote in kommunaler Entscheidungskompetenz“, heißt es auf Seite 62 des im Mai unterzeichneten Koalitionsvertrags von Grünen und CDU.

Das geforderte Gesetz kommt – die Begeisterung dafür ist aber weg

Die Kommunen und die CDU hatten seit Jahren eine solche Ermächtigungsgrundlage gefordert. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hatte nämlich 2009 geurteilt, dass es ohne eine solche Grundlage des Landes nicht gehe. Er erklärte damit die Konsumverbote im Freiburger Kneipenviertel für rechtswidrig, die die Stadt im Breisgau 2008 erlassen hatte.

Nun also soll die Ermächtigung kommen – doch die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen. Aus Freiburg ist zu hören, dass Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) zwar solche Konsumverbote weiterhin gut finde und sich an der Situation im Freiburger Kneipenviertel seit 2008 nicht viel geändert habe. Allerdings hat man sich in der Stadt offenbar an den Trubel gewöhnt. Im Gemeinderat der südbadischen Stadt besteht dem Vernehmen nach wenig Neigung, erneut Konsumverbote zu erlassen.

Verbot muss aufwändig begründet werden

Auch Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) begrüßt den Plan des Landes, weist aber darauf hin, dass für solche Verbote ein „Riesenaufwand“ nötig sei. „Nach der Rechtsprechung des VGH dürfen solche Verbote nur bei einer konkreten Gefahrenlage erlassen werden“, sagt er. Das heißt: Die Polizei muss über einen längeren Zeitraum die Zahl der Straftaten auf einem Platz erfassen und einen Zusammenhang mit Alkohol nachweisen.

Außerdem sorgt sich Schairer um das Ansehen der Landeshauptstadt, die ja bereits wegen ihres Feinstaubproblems bundesweit Negativschlagzeilen macht. „Es ist für das Image einer Stadt nicht förderlich, wenn sie solche Verbotszonen macht“, sagt er. „ Für mich ist ein solches Verbot daher nur Ultima Ratio – und ich denke, dass das die Polizei auch so sieht.“

Lärm und Müll reichen nicht für ein Eingreifen

Schairer befürchtet zudem, dass durch die Ermächtigungsgrundlage falsche Hoffnungen bei den Bürgern geweckt werden. Die Landesregelung würde seiner Meinung nach Konsumverbote nur dann möglich machen, wenn sich auf einem Platz alkoholbedingte Straftaten häufen. „Lärm und Vermüllung nerven die Bürger aber mindestens genauso, wenn nicht gar mehr“, sagt er. Das seien aber nur Ordnungswidrigkeiten, wegen denen kein Verbot erlassen werden dürfe. „Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass das rechtlich geht“, so Schairer.

Im Vergleich zu früheren Jahren hat sich laut Schairer die Situation auch etwas gebessert. „Inzwischen ist das Problem mit saufenden Jugendlichen nicht mehr so extrem“, sagt er. Dies könnte sich allerdings wieder ändern, denn der Rückgang von Alkoholexzessen junger Menschen wird zumindest zum Teil auch auf das nächtliche Verkaufsverbot von Alkohol zurück geführt, das im März 2010 in Baden-Württemberg eingeführt wurde. Laut Koalitionsvertrag soll dieses zwischen 22 und 5 Uhr geltende Verkaufsverbot allerdings wieder aufgehoben werden.

Nachts soll wieder Alkohol verkauft werden dürfen

Das Verbot war vor allem den Grünen ein Dorn im Auge, die darin eine Entmündigung der Bürger sehen. Im Gegenzug gaben sie bei den Koalitionsverhandlungen ihren Widerstand gegen die Ermächtigungsgrundlage für Konsumverbote auf.

Schairer sieht der Aufhebung des nächtlichen Verkaufsverbots mit gemischen Gefühlen entgegen: Zum Schutz der Gesundheit und der Jugend sei das Verbot natürlich gut, sagt er. „Eine Aufhebung wäre deshalb kein gutes Signal.“ Er könne sich auch vorstellen, „dass wir dann an bestimmten Ecken wieder größere Probleme kriegen, wenn man sich den Stoff wieder gleich um die Ecke besorgen kann.“

Jugendschutz wird häufig unterlaufen

Andererseits sei so ein Verbot schon eine Keule, weil sehr pauschal. Außerdem könne man den Rückgang des Alkoholkonsums bei Jugendlichen nicht eindeutig auf das Verbot zurück führen. Der Konsum sei in den letzten Jahren ja bundesweit zurück gegangen.

Laut Jugendschutzgesetz dürfen Jugendliche ab 16 Jahren Wein, Sekt und Bier trinken. Härtere Sachen dürfen eigentlich erst an Erwachsene verkauft werden, aber laut Sozialministerium sieht die Praxis oft anders aus: „Die vorliegenden Ergebnisse von Testkäufen belegen bedauerlicherweise, dass jugendliche Testkäufer in vielen Fällen trotz des Abgabeverbots Alkoholika käuflich erwerben können“, so die Sprecherin von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne), der für Suchtpolitik zuständig ist. Die geplante Aufhebung des nächtlichen Verkaufsverbots wollte die Ministeriumssprecherin nicht kommentieren. Für diese Maßnahme sei ein anderes Ressort zuständig.