Wie sauber geht es in Restaurantküchen zu? Die Organisation „Foodwatch“ will Informationen zugänglicher machen. Foto: pridannikov

Auf einer Website laden Nutzer Kontrollberichte hoch, die sie beim Amt erfragt haben – auch für Lokale in Stuttgart. Nun wurde bekannt: Der Gaststättenverband Dehoga wollte das Projekt stoppen.

Stuttgart - Im Februar besuchten Lebensmittelkontrolleure einen Sandwichladen in Karlsruhe. Ihr Befund war nicht gerade appetitlich: „Massiver Schädlingsbefall (Schaben)“. Im Mai 2018 waren die Kontrolleure bei ein Fastfood-Restaurant in Sinsheim. Das Ergebnis: Eine Spülmaschine mit „rotem, schmierigen Altschmutz“ und Frittierfett, das längst hätte gewechselt werden müssen.

 

Zu einem Sandwichladen in der Stuttgarter Bolzstraße kamen die Kontrolleure im Sommer 2018. Sie bemängelten „altverschmutzte Reinigungsgerätschaften“ und „Reinigungsmängel in den Kühleinrichtungen“. Zudem waren Lebensmittel direkt auf dem Boden gelagert. Bei der Nachkontrolle waren die Mängel behoben. Anders sieht es zum Beispiel in einer Pizzeria in einem der Stuttgarter Außenbezirke aus. Das Lokal wurde im April 2017 besucht. Bei der Nachkontrolle fünf Monate später gab es nach wie vor Mängel. Unter anderem waren Lebensmittel im Hof und der Garage „unsachgemäß gelagert“.

User laden Berichte bei „Topf Secret“ hoch

So ist es in Berichten der Lebensmittelüberwachungsbehörden auf der Internetplattform „Topf Secret“ nachzulesen. Die Plattform wurde Anfang des Jahres von der Organisation „Foodwatch“ und der Initiative „Frag den Staat“ ins Leben gerufen. Die Idee hinter dem Online-Angebot: Bürger können basierend auf dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) amtliche Kontrollergebnisse für Restaurants erfragen. Die Plattform erleichtert den Vorgang. Anschließend sollen User die Antwort der Behörden auf der Seite hochladen, damit die Ergebnisse frei zugänglich werden.

In Baden-Württemberg wurden bislang rund 4300 Anfragen über die Plattform gestellt. In Stuttgart sind es 360. Ergebnisse liegen in der Landeshauptstadt erst für eine Handvoll Betriebe vor. Den Stand der Dinge können Nutzer auf einer Karte einsehen.

Gaststättenverband bat Julia Klöckner um Hilfe

Die Plattform gibt es zwar schon seit Anfang des Jahres. Doch in den letzten Tagen ist „Topf Secret“ erneut in den Fokus gerückt. Denn nun wurde bekannt, dass der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) bei der Ernährungsministerin Julia Klöckner darum bat, die Plattform zu stoppen.

„Wir währen Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ‚Topf Secret’ und das Vorgehen kurzfristig prüfen und gegebenenfalls entsprechende Schritte unternehmen, um die rechtswidrigen Veröffentlichungen (...) zu unterbinden.“ Das steht in einem Brief, den Dehoga im Januar ans Ministerium schickte und den „Foodwatch“ nun im Netz veröffentlicht hat. Der Verband sehe in den Veröffentlichungen „keinen Mehrwert für den Verbraucherschutz, sondern reinsten Populismus“, heißt es in dem Brief.

Der Gaststättenverband bezweifelt, ob „Topf Secret“ rechtlich zulässig ist. Denn eine Pflicht der Behörden, Ergebnisse der Hygienekontrollen zu veröffentlichen, besteht schon längst. Im Gesetzt gibt es dafür aber Bedingungen. Ergebnisse werden nur dann veröffentlicht, wenn der Verstoß gegen Hygienevorschriften „in nicht unerheblichem Ausmaß“ war und ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist. Außerdem gibt es seit einigen Monaten eine Löschfrist von sechs Monaten.

Dass die Berichte bundesweit einheitlich nach einer bestimmten Zeit wieder gelöscht werden müssen, hatte das Bundesverfassungsgericht im März 2018 entschieden. So soll zwischen dem Recht auf Berufsfreiheit der Gaststättenbetreiber und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit vermittelt werden. Davor waren die Befunde in jedem Bundesland unterschiedlich lange zugänglich. Entsprechend dieser Vorschriften werden auch die Ergebnisse der Kontrollen in Baden-Württemberg auf einer Website veröffentlicht.

Rechtsstreit um die Plattform

Der Unterschied bei „Topf Secret“: Über das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) können Bürger diese Bedingungen umgehen. Eine VIG-Anfrage kann Berichte liefern, die die Behörden sonst nicht aktiv veröffentlicht hätten – eben weil die Bedingung „nicht unerhebliches Ausmaß“ nicht zutrifft und kein Bußgeld verhängt wurde. Zudem sind auf der Plattform auch Berichte verfügbar, die viel älter als sechs Monate sind.

Generell ist das VIG für individuelle Anfragen gedacht. Dass Nutzer die Antworten auf einer Internetplattform hochladen und somit trotzdem öffentlich machen, hatte der Gesetzgeber offenbar nicht kommen sehen. Nun haben die ersten Gaststätten an Verwaltungsgerichten Widerspruch eingelegt.

Bundesernährungsministerium: „Dürfte rechtlich zulässig sein“

Das Bundesernährungsministerium kam indes schon im Januar in einem internen Papier zu dem Schluss: Kritisch könnte zwar sein, dass das Portal sich faktisch zu einem „Hygienepranger“ mit negativen Folgen für einzelne Unternehmen entwickeln könne. „Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass dies rechtlich zulässig sein dürfte und daher keine Möglichkeiten gesehen werden“, dies zu unterbinden, heißt es in dem Schriftsatz. Auch dieses Papier veröffentlichte „Foodwatch“.

Die Organisation sieht sich im Recht und hofft auf einen positiven Effekt von „Topf Secret“. Die gesetzliche Regelung führe laut der Initiative nach wie vor zu Uneinheitlichkeit. „Denn ob ein Verstoß ‚nicht unerheblich’ ist und ein Bußgeld verhängt wird ist Ermessensfrage“, sagt Dario Sarmadi von „Foodwatch“. Das aber sind die Bedingungen für eine Veröffentlichung.

Sarmadi glaubt, dass der Großteil der Gaststätten ohnehin von mehr Transparenz profitieren würde. Die allermeisten Lokale sind nämlich sauber. 2017 gab es bundesweit nur bei etwa jeder siebten Kontrolle der Lebensmittelüberwachungsämter etwas zu beanstanden. Doch weil nicht alle Ergebnisse veröffentlicht werden, hätten Betriebe, die an der Hygiene sparen, derzeit einen Wettbewerbsvorteil, sagt Sarmadi.

Für zahlreiche Restaurants in Stuttgart laufen Anfragen

Auch das Verbraucherschutzministerium Baden-Württemberg bewertet Anfragen über das Portal „Topf Secret“ als Anträge nach dem Verbraucherinformationsgesetz. Die Anträge würden geprüft, betroffene Betriebe entsprechend der gesetzlichen Vorschriften miteinbezogen und alle Vorgaben des Gesetzes eingehalten, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die diese Verwaltungspraxis infrage stelle, sei nicht bekannt. „Was Bürger danach mit der Sache machen, haben wir nicht zu beurteilen“, sagte der Sprecher des Ministeriums unserer Zeitung.

Für Stuttgarter jedenfalls könnte die Plattform in der nächsten Zeit noch interessant sein. Zahlreiche Restaurants in der Innenstadt sind auf der „Topf Secret“-Karte mit einem gelben Punkt versehen. Das bedeutet: Eine Anfrage zu den Ergebnissen ihrer Hygienekontrollen läuft.