Die Buchstaben des Firmennamens stehen nach Unternehmensangaben für „Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung“. Foto: dpa/Uwe Anspach

Das Walldorfer Softwareunternehmen gibt seine Standorte in Herrenberg und Freiberg am Neckar auf und lässt sich in demselben Gebäude wie Bosch nieder. Die Nachricht hat mancherorts überrascht.

Gerlingen - Die Softwareschmiede SAP gibt ihre Standorte Freiberg am Neckar und Herrenberg auf, im ihre Präsenz in der Region Stuttgart zu bündeln. Sie wird sich mit rund 300 Mitarbeitern in Gerlingen im Kreis Ludwigsburg niederlassen. Das Unternehmen begründet die Entscheidung mit der „Konsolidierung von kleinen Standorten“. Laut einem Sprecher werden die Bereiche Vertrieb und Beratung in ein Bürogebäude ziehen, „das in der Region günstig liegt“. Der Unternehmenssprecher betont die Bedeutung der Kundennähe. „Wir bedienen die Kunden aus Hannover nicht aus Stuttgart.“

In Gerlingen ist laut SAP zudem Wachstum möglich. Gleichwohl nennt das Unternehmen keine Zahlen. Stellen würden aber keine abgebaut.

Die Freiberger Rathausspitze hat die Nachricht am Montagmorgen offenbar aus der Presse erfahren. Sie hätten gewusst, dass sich das Unternehmen seit geraumer Zeit mit dem Standort in der Stadt beschäftige, sagt der Freiberger Beigeordnete Stefan Kegreiß. Dennoch fügt er an: „Die Nachricht hat uns überrascht.“ Denn dass die Entscheidung gefallen sei, sei nicht bekannt gewesen.

Freiberger nicht informiert

In Freiberg am Neckar beschäftigt SAP laut Kegreiß mehr als 200 Mitarbeiter. Damit verliert die Stadt nach 40 Jahren einer ihrer größeren Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler. Kegreiß gibt sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis zurückhaltend, sagt nur: „Man wird es sehen und merken.“ Abgesehen davon, tue es einem Wirtschaftsstandort insgesamt gut, ein Weltmarktunternehmen am Ort zu haben.

Deutlich kleiner ist der Standort in Herrenberg im Kreis Böblingen. Kommunalpolitikern zufolge bewege sich die Zahl der SAP-Beschäftigten dort unter hundert. Die Stadt bedauere den Wegzug, teilt eine Rathaussprecherin mit. Gleichwohl sei die Zusammenlegung kleinerer Standorte „ein ganz normaler Geschäftsvorgang“.

SAP hat sich laut dem Investor, der Münchner Gieag Immobilien AG langfristig in Gerlingen eingemietet. Der Umzug ist laut SAP für Anfang 2021 geplant. In der Stadt am Rande Stuttgarts ist die Freude entsprechend groß. SAP sei „ein weiterer Leuchtturm in Gerlingen“, sagt der Gerlinger Rathauschef und „ein schönes Aushängeschild“ für die Stadt.

Brenner erinnert aber auch an die Historie des Geländes, auf dem sich nach Bosch nun auch der Walldorfer Konzern ansiedelt. Das Areal war Standort des Pharmaunternehmens Salutas. 300 Menschen verloren ihren Job, als Sandoz das zum Konzern gehörende Tochterunternehmen Ende 2016 schloss. Der vom Projektentwickler Gieag errichtete Komplex ist laut Brenner für rund 800 Arbeitsplätze ausgerichtet. Bosch siedelt dort im Februar 450 Arbeitsplätze seiner Finanzverwaltung an. Bosch hat seinen Stammsitz im Ort.

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Brenner geht davon aus, dass verschiedene Faktoren die Attraktivität des Geländes ausmachen, das laut Gieag mit SAP zu zwei Dritteln vermietet ist. Ihm zufolge dürften die Erreichbarkeit aus dem Großraum Stuttgart, die unmittelbare Nähe zur Stadtbahn sowie der Gewerbesteuerhebesatz eine Rolle gespielt haben. Gerlingen hat mit 290 Prozentpunkten den kreisweit niedrigesten Steuerhebesatz.

Wie geht es weiter?

„Die Steuerkraft geht dem Landkreis nicht verloren“, sagt der Freiberger Vize-Rathauschef Kregreiß. In Freiberg am Neckar und in Herrenberg wird nun ohne SAP geplant. Kregreiß ist optimistisch, dass eine Nachnutzung der Fläche nicht zu lange auf sich warten lassen wird: „Es gibt einen sehr großen Bedarf an Büroflächen“, sagt er.

Ähnliche Überlegungen werden in Herrenberg angestellt. „Jetzt geht es darum, neue Unternehmen anzusiedeln“, sagt Thomas Deines von den Freien Wählern. Angesichts der wenigen freien Gewerbeflächen im Raum Stuttgart insgesamt, sieht die Stadt kein Problem darin, die Nutzflächen zu besetzen. Geht es nach Deines, könnte sie sich gerade dabei täuschen. „Viele Firmen spüren die Unsicherheit und halten Investitionen zurück.“ Zudem handele es sich bei SAP nicht um ein irgendein Unternehmen, sondern um einen der Vorreiter im IT-Bereich. „Das ist für den Standort ein Einschnitt.“