Die US-Regierung hat Sanktionen gegen Putin-nahe Oligarchen angedroht. Einer davon ist Oleg Deripaska, zu dessen Imperium der Aluminiumriese Rusal (Foto) gehört. Foto: dpa

Es ist nicht nur in Iran. Wegen der US-Sanktionen gegen Putin-nahe Oligarchen haben deutsche Mittelständler seit April auf Umsätze in dreistelligem Millionenbereich verzichtet, sagt Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ost-Ausschusses und Osteuropavereins, im Gespräch.

Stuttgart - Für den Maschinenbauer war es zweifellos ein Schock. Der Auftrag aus Russland war in trockenen Tüchern, die Finanzierung über die Bank stand. Und dann das: Das Kreditinstitut hat das laufende Geschäft platzen lassen – wegen gestiegener Risiken, so die offizielle Begründung, erzählt Monika Hollacher. Sie ist beim Maschinenbauverband VDMA für die Region Russland, Osteuropa und Zentralasien zuständig. Die Risiken für die Bank sind aber weder in Europa noch in Russland gestiegen – kalte Füße hat das Institut vielmehr wegen der US-Politik bekommen. Seit die US-Regierung im April Sanktionen gegen etliche russische Oligarchen verhängt hat, droht europäischen Unternehmen, die mit ihnen Geschäfte machen, der Bannstrahl. Der Maschinenbauer, der sich bedeckt hält, muss sich nun einen neuen Kreditgeber suchen – was nicht einfach sein dürfte.

Auch wenn Wolfgang Büchele bisher keinen Fall kennt, in dem die USA mit der Begründung ein deutsches Unternehmen sanktioniert haben, so sind die Firmen doch aufgeschreckt und überdenken ihre Aktivitäten in Russland. „Wir gehen davon aus, dass deutsche Unternehmen seit April auf einen Umsatz in Höhe eines deutlich zweistelligen bis dreistelligen Millionen-Euro-Betrags verzichtet haben“, schätzt der Vorsitzende des Ost-Ausschusses und Osteuropavereins. Auch Hollacher rechnet mit „gravierenden Auswirklungen“ durch die US-Regierung.

Schwammig formulierte Androhungen

Das hat mit den USA zu tun, die ihre Sanktionsandrohungen im Zusammenhang mit Russland schwammig formuliert haben. Das hat aber auch mit den komplexen Geflechten russischer Unternehmen zu tun. Es sei schwierig zu erkennen, hinter welchen russischen Konzernen sanktionierte Personen stecken. „Mittelständler machen im Zweifelsfall kein Geschäft mehr in Russland“, so Büchele, der Chef des Stuttgarter Anlagenbauers M+W ist. Und er wird deutlich: „Ich verurteile, dass die Vereinigten Staaten in dieser Weise in Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und russischen Unternehmen eingreifen. Die Firmen können nicht mehr selbst entscheiden, mit wem sie Geschäfte machen“, kritisiert Büchele, der 1959 in Geislingen an der Steige als Sohn eines Bauunternehmers geboren wurde. Gestoppt wurden bisher vor allem Russland-Geschäfte rund um Öl und Gas, dazu gehören die Lieferungen von Pumpen oder Kompressoren, erklärt er.

Volkswagen könnte einer der betroffenen sein. Die Wolfsburger lassen unter anderem bei der russischen GAZ-Gruppe, die zum Firmenimperium von Oleg Deripaska gehört, einige Skoda-Modelle produzieren. Deripaska ist einer der Oligarchen, der auf der US-Sanktionsliste steht. Bei VW gibt man sich jedoch zugeknöpft: „Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung sehr genau. Es ist entscheidend, ob man im Dialog bleibt und nicht nachlässt im Bemühen um eine gemeinsam politische Lösung.“ Und weiter: „Die Volkswagen AG hält grundsätzliche alle bestehenden Sanktionen ein und ist dazu mit den zuständigen Stellen im ständigen Austausch“.

Russland-Geschäft ist gerade angesprungen

Dabei haben sich insgesamt die Geschäfte mit Russland gerade wieder positiv entwickelt. Um 20 Prozent hat der Handel zwischen den beiden Ländern im vergangenen Jahr zugelegt. Einen ähnlichen Zuwachs konnte der deutsche Maschinenbau verbuchen.

Mittlerweile steht Russland wieder auf Platz neun der wichtigsten deutschen Auslandsmärkten. Und in den ersten Monaten 2018 ist es weiter nach oben gegangen. Die EU-Sanktionen gegen Russland, die seit Sommer 2014 gelten und bis Januar 2019 verlängert wurden, sowie der Verfall von Rubelkurs und Energiepreisen haben die wirtschaftlichen Beziehungen zuvor einbrechen lassen. Um 40 Prozent sackte der Handel zwischen 2014 und 2016. Doch inzwischen hätten sich „die Unternehmen mit den Sanktionen arrangiert“, so Büchele, der Chemie studiert hat und zuvor Karriere bei BASF und bei Linde gemacht hat. Die anfängliche Unsicherheit ist verflogen, die Unternehmen wissen, was erlaubt und was verboten ist. Und nun kommen die US-Sanktionen.

US-Bannstrahl bedroht auch Banken

Der US-Bannstrahl bedroht nicht nur die Industrie, sondern eben auch die Banken. Im Iran-Geschäft haben Kreditinstitute bereits leidvolle Erfahrungen machen müssen, teilweise wurden US-Strafzahlungen in Milliardenhöhe fällig. Deshalb die Vorsicht jetzt im Russland-Geschäft. „Die Lieferung von Produkten mit einem definierten Zahlungsziel von 30 bis 50 Tage klappt noch“, urteilt Büchele. Schwierig würde es aber bei der Projektfinanzierung.

Aber nicht nur die Sanktionen sieht Büchele kritisch, sondern auch das amerikanische Flüssiggas LNG. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump haben jüngst vereinbart, dass Europa den Amerikanern nicht nur mehr Sojabohnen abnimmt, sondern auch mehr Flüssiggas. Beides kommt den USA entgegen. Weil China als Retourkutsche für die US-Sanktionen den Import von Soja quasi gestoppt hat, sitzen die US-Bauern auf ihrer Ernte. Und weil Trump sich für eine Ölpipeline aus Alaska ausgesprochen hat – und damit Umweltschutzbedenken seines Vorgängers wegwischte – haben die USA zu viel Flüssiggas.

Ohne Nord-Stream 2 könnten Energiekosten steigen

Deshalb habe Trump vor kurzem gegen das Nord-Stream 2-Projekt gewettert; „aus Sicht von Trump macht das Sinn“, so Büchele. Doch für Deutschland und Europa würden die Energiekosten steigen und damit die Wettbewerbsfähigkeit sinken, erläutert er. Deshalb „müssen wir uns gegen Trumps Pläne stellen“, fordert er. „Wir können uns von einem anderen Staat nicht diktieren lassen, woher wir unsere Energie beziehen“, sagt Büchele.