So sieht das Gebäude jetzt aus ... Foto: factum/Simon Granville

Benjamin Geier will dem alten Stadtbahnhof in Vaihingen/Enz mit einem Themenrestaurant und einem Café in einem alten Passagierwaggon zu neuem Glanz verhelfen – das dürfte insbesondere Radler freuen, die künftig auf der zur Radbahn umgebauten WEG-Trasse unterwegs sind .

Vaihingen/Enz - Vollbeladene Pferdewagen kommen vor dem Gebäude zum Stehen, Männer verladen die Fracht in den Paketschuppen, von dort aus durch ein zweites Tor auf Güterwaggons, die später hinter einer dampfend-fauchenden Lok, von dannen ziehen – während Kunden drinnen am Schalter Fahrkarten kaufen.

Wer dieser Tage durch den alten Stadtbahnhof in Vaihingen an der Enz geht, kann sich solche Szenen zwar noch vorstellen – braucht dafür aber eine ordentliche Portion Fantasie. Denn momentan ist das Gebäude nicht mit Passagieren und emsigen Arbeitern gefüllt, sondern hauptsächlich mit Staub. An der Fassade prangen Graffiti, einige Fenster sind mit Brettern zugenagelt. Durch ein großes Loch im Dach regnet es hinein. „Hier wacht nur noch der Geist der Erinnerung“, hat jemand an die Wand geschrieben.

Wenn Benjamin Geier und sein Vater Harry Geier durch die Räume schlendern, tun sie das dennoch mit leuchtenden Augen. Der Grund: Sie haben eine Vision für das Gemäuer, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde. Sie wollen den ehemaligen Lagerschuppen zu einem Themenrestaurant umfunktionieren – mit Außenbewirtschaftung in einem Güterwaggon, der auf dem alten Gleis 1 stehen wird. Daneben soll künftig ein Reisezugwaggon, eingerichtet als gemütliches Café, Besucher anlocken – bis zu 80 Personen sollen in den beiden Lokalen in naher Zukunft einkehren können.

Der alte Stadtbahnhof steht unter Denkmalschutz

Für die Stockwerke darüber sind drei Wohnungen angedacht. Auf der Grünfläche neben dem baufälligen WC-Häuschen wiederum planen die Geiers eine personentragende Gartenbahn. Dass die stillgelegte Trasse der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) derzeit zu einem Fahrradweg umgebaut wird, passt gut in ihr Konzept. In ihrer Vorstellung legen die Radler hier einen Stopp ein und stärken sich im neuen Restaurant oder im Café. Deshalb ist es Benjamin Geier wichtig, den Radweg an das Bahnhofsareal anzubinden. Radstellplätze sind bereits eingeplant, außerdem auch Ladestationen für E-Bikes.

Benjamin Geiers Entwürfe überzeugten den Vaihinger Gemeinderat. Im vergangenen Frühjahr hatte die Stadt den 1904 eröffneten Bahnhof zum Verkauf ausgeschrieben – unter der Bedingung, dass das Gebäude saniert und gastronomisch nutzbar gemacht wird. Auf die Ausschreibung meldeten sich um die 20 Interessenten. Elf davon nahmen an Gebäudebesichtigungen teil, drei Bewerbungen gingen letztlich bei der Stadtverwaltung ein. Geiers Bewerbung setzte sich durch, im Oktober vergangenen Jahres bekam er den Zuschlag.

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Für die Sanierung scheut Geier weder Kosten noch Mühe. Das Areal erwarb er für 250 000 Euro, ein siebenstelligen Betrag, so schätzt der 32-Jährige, wird in die Sanierung fließen. Um zwei Güter- und einen Personenwaggon für den Außenbereich zu kaufen, ist er kürzlich bis nach Berlin gefahren. Bei der Sanierung des Gebäudes ist vieles zu beachten, denn der Backstein-Fachwerkbau steht unter Denkmalschutz. Den ursprünglichen Charme erhalten wollte Geier aber ohnehin. „Das Objekt hat Charme und passt perfekt“, sagt er. Es reizt ihn, alte Gemäuer zu erneuern und gleichzeitig deren besonderen Charakter zu erhalten. Benjamin Geier: „Das Kreative macht mir Spaß.“ Sein Vater Harry, ein Tüftler, steht ihm in dieser Hinsicht in nichts nach. Die Zugwaggons wird er in seiner Illinger Werkstatt eigenhändig ausbauen.

Faible für die Sanierung historischer Gebäude

Bei der Sanierung gelte es nicht nur, Altes zu erhalten, sondern auch, Gebäudeteile, die im Lauf der Zeit umgestaltet wurden, zurückzubauen oder wiederherzustellen, wie Benjamin Geier erklärt. „Der Originalcharakter des Jugendstil soll erhalten bleiben.“ Als Beispiel nennt er die Außenwände des Bahnhofsgebäudes, die teilweise nicht mehr wie ursprünglich aus Fachwerk, sondern aus Backsteinen bestehen, oder Sprossenfenster, die man im Lauf der Jahre durch günstigere Fenster ersetzt hat.

Dass er und seine Familie ein Händchen für die Erneuerung historischer Gebäude haben, haben sie bereits mit dem Kommod in Illingen bewiesen, einem Café, das sie in den Räumen eines ehemaligen Gemischtwarengeschäfts aufbauten – und das sich als voller Erfolg entpuppte. „Im Sommer stehen die Leute Schlange für das selbst gemachte Eis“, sagt Harry Geier stolz über das Geschäft, in dem seine Frau und Tochter Tamara Kittel, eine Konditorin, den Hut aufhaben.

Das Vaihinger Café im Eisenbahnwaggon wollen die Geiers wie das Kommod in Eigenregie betreiben, für die Verpachtung des Restaurants sind sie bereits im Gespräch mit Gastronomen. Das Ziel: eine schwäbisch-regionale Küche mit italienischem Einfluss. Dabei legen die Geiers in beiden Betrieben besonders Wert auf die Qualität der Produkte.

Geier rechnet mit einem Jahr Bauzeit

Spuren, die das Herz aller Eisenbahnromantiker bereits jetzt höher schlagen lassen dürften, finden sich im Innern des alten Stadtbahnhofs übrigens zuhauf. Da ist der Fahrplan in der Schalterhalle aus dem Jahr 1988. Die Waage im ehemaligen Paketschuppen. Oder ein kleines „Büro“-Schild an einer Tür, direkt neben einem Minifenster mit Spitzenvorhang.

Wenn alles läuft wie geplant, werden die Geiers Details wie diese bald neu in Szene setzen. Benjamin Geier hofft, dass das Denkmalamt schnell grünes Licht gibt und er noch in diesem Jahr mit der Sanierung beginnen darf. Schon ein Jahr später könnte der Bau fertig sein – „vielleicht sogar zusammen mit dem neuen Radweg.“