116 Meter hoch und unstrittig das Wahrzeichen Freiburgs: das Münster. Lange bleibt der Turm aber nicht „nackt“, in drei Jahren wird das nächste Gerüst errichtet. Foto: Siebold

Erstmals nach zwölf Jahren können die Freibugerinnen und Freiburger ihren Münsterturm wieder ohne Gerüst sehen. Die Sanierung des einzigen mittelalterlichen Münsterturms in Deutschland ist abgeschlossen – fürs erste.

Freiburg - Das Gerüst ist weg! Passionierten Freiburgerinnen und Freiburgern braucht man nicht zu erklären, um welche Baustelle es geht: Das Gerüst am Turm des Münsters ist nach zwölf Jahren erstmals wieder verschwunden, der Turm in voller Pracht sichtbar. Er ist der einzige mittelalterliche Münsterturm in Deutschland. Das Freiburger Münster ohne Gerüst, das kommt selten vor, zuletzt war das so zwischen 1983 und 1994. Dann begann die Münsterbauhütte, das Langhaus zu sanieren, den unteren und von 2006 an den oberen Teil des Turms, den Turmhelm und den Chor.

Die Freiburger Bischofskirche steht im Rang einer Kathedrale, wird aber aus Tradition Münster genannt. Das unangefochtene Wahrzeichen der Stadt wurde von den Zähringerfürsten im Jahr 1200 begonnen, das Vorhaben zog sich über deren Aussterben bis 1597 hin. Angefangen wurde im romanischen Stil, später wechselte die Mode zur Gotik. Schon 1330 wurde der Turm fertig, den der Basler Kunsthistoriker Jacob Burckhardt als „den schönsten Turm auf Erden“ bezeichnet hat.

Materialermüdung nach 700 Jahren

„Wir sind glücklich, dass wir den Freiburgern und ihren Gästen jetzt wieder einen freien Blick auf ihr Wahrzeichen zurückgeben können“, sagt die Münsterbaumeisterin. Die Architektin Yvonne Faller (57) kam 2005 ins Amt, ein Jahr später musste sie den Freiburgern den freien Blick auf den Turm nehmen. Denn es hatte sich bei Untersuchungen herausgestellt, dass der sich selbst tragende Turmhelm durch den Druck des eigenen Gewichts und die Zugbelastung durch den Wind an den Ecken schwere Schäden erlitten hatte. „Eine Materialermüdung nach 700 Jahren, das kann schon vorkommen“, sagt Yvonne Faller mit einem Schmunzeln.

Die Münsterbaumeiserin Yvonne Faller Foto: Thomas Kunz
Acht von 64 tragenden Ecksteinen mussten ausgewechselt werden. Eine höchst komplizierte Operation, bei der nichts ins Wackeln kommen durfte. „Wir haben Stahlkonstruktionen innen und außen eingezogen, zum Teil zwölf Meter hoch“, berichtet Thomas Laubscher. Der 46-jährige Schweizer ist der Betriebsleiter der Münsterbauhütte, deren 40 Steinmetze, Restaurateure und Steinbildhauer sich um die Erhaltung des Gebäudes kümmern.

Die 125 Jahre alte Bauhütte will im nächsten Jahr zusammen mit den Bauhütten in Ulm und Köln immaterielles Weltkulturerbe der Unesco werden. Für die Sanierung des Turms kam Thomas Laubscher vor 13 Jahren von Ulm nach Freiburg. „Wir haben die Streben im Helm von innen und außen in die Zange genommen. Die Baubehelfe mussten teils eigens dafür gebaut werden“, beschreibt der Steinmetz und Restaurator die technisch und handwerklich anspruchsvolle Arbeit. Bis zur Kreuzblume ganz oben sind es 116 Meter.

200 000 Arbeitsstunden und viel Geld stecken im Turm

Nicht nur Gehirnschmalz, Bärenkräfte, Hydraulik und Geschicklichkeit, auch 200 000 Arbeitsstunden und viel Geld waren nötig, um den Turm wieder zu stabilisieren. „Eine Million Euro pro Jahr haben wir gebraucht“, sagt die Baumeisterin Yvonne Faller. Vor dem Beginn der Sanierung wurde ein Finanzkonzept erstellt, unabhängig von den sonstigen Aufgaben an anderen Gebäudeteilen, für die jährlich 2,5 Millionen Euro anfallen. Die Ausgaben teilen sich das Land Baden-Württemberg, die Stadt Freiburg und der Münsterbauverein, der mit zahlreichen Kampagnen und aus vielen Quellen Spenden schöpft. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) gibt immer mal wieder Geld aus Spenden und von der Staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft für die Münsterrestauration. Seit 2003 waren es mehr als 900 000 Euro.

Am Langhaus und am Chor wird weiter saniert

Der Münsterturm ist gerüstfrei, das Hinterteil des Münsters jedoch nicht. Das Langhaus wird noch zwei bis drei Jahre lang saniert, die Arbeiten am gotischen Chor mit seinem Kranz von 13 Kapellen werden 30 Jahre dauern. Und auch der Turm bleibt nicht lange unverhüllt, da gießt die Münsterbaumeisterin zu ihrem Bedauern Wasser in den Wein der Freude. „In drei Jahren müssen wir im Oktogon weitersanieren“, kündigt Yvonne Faller an.

Denn auch im Achteck über dem Uhrengeschoss gibt es Steinschäden, die man nicht ignorieren kann. „Ein Gerüst ist nicht toll“, gibt die Baumeisterin zu, „aber es wäre eher bedenklich, wenn es bei einem solchen Gebäude keines gäbe. Dann würde ja nichts gepflegt.“ Und das ist das Letzte, was eine Architektin an einem Kulturdenkmal dieser Dimension zulassen würde.