Das Bürgervotum rückt näher: Bis Mitte Dezember erarbeiten die Teilnehmer des Forums zur Sanierung der Oper eine Empfehlung für die politischen Entscheider. Foto: picture alliance/dpa/Marijan Murat

Seit Oktober haben die Teilnehmer des Bürgerforums zur Sanierung der Staatsoper regelmäßig getagt. Nun geht es ans Eingemachte: Bis Mitte Dezember soll eine Handlungsempfehlung erarbeitet werden, wie es mit der Sanierung weiter geht.

Stuttgart - Drei Sitzungen hat das mit 57 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern besetzte Forum zur Sanierung der Stuttgarter Staatsoper absolviert, langsam rückt die Beschlussfassung über ein Votum für die Politik näher. Vor dessen Bekanntgabe am 16. Dezember tagt das Gremium noch zwei Mal – und berät weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit über seine Empfehlung. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Die Rahmenbedingungen

Die Coronapandemie hat auch das Bürgerforum beeinflusst. In mehrstündigen Videokonferenzen trugen die geladenen Experten und Kritiker des Großprojekts den Teilnehmern Fakten, Schätzungen und Ansichten vor. Zentrale Themen wie etwa die Kosten der Sanierung des historischen Littmann-Baus, mögliche Standorte für ein Interim oder der Bau einer dritten Spielstätte sowie der Einbau einer Kreuzbühne in das historische, denkmalgeschützte Gemäuer wurden abgearbeitet. Die Bürger konnten konkrete Nachfragen stellen, die Diskussion zwischen Befürwortern und Kritikern des Projekts wurde von Antje Grobe von der Agentur Dialog Basis unaufgeregt moderiert. Ausführlichst kamen in mehreren Sitzungen auch Vertreter des Vereins Aufbruch Stuttgart mit ihren Alternativvorschlägen und ihrer Kritik an den hohen Kosten der Sanierung zu Wort. Die Initiative um den Ex-TV-Moderator Wieland Backes und den Architekten Arno Lederer hatte ihre Teilnahme an dem Bürgerforum nach vorangegangener heftiger Kritik an dem Format zunächst abgesagt, sich dann aber kurzfristig doch fürs Mitmachen entschieden. Ebenso gehört wurde die Position des neben der Oper beheimateten Königin-Katharina-Stifts, das den Schulstandort bekanntlich nicht zugunsten einer vom Aufbruch propagierten Interimsspielstätte aufgeben will. Und natürlich dürften die Hauptbetroffenen – die Intendanten von Oper und Ballett sowie Beschäftige der Württembergischen Staatstheater – ihre Sicht der Dinge und die derzeitige Situation vor Ort schildern.

Die Knackpunkte

Hauptstreitpunkte in der Debatte bleiben die Kosten für die Sanierung und die geplante Übergangsspielstätte bei den Wagenhallen, die je nach Baubeginn und -fortschritt auf mehr als eine Milliarde Euro veranschlagt werden. Aber auch die Alternativmodelle des Vereins Aufbruch, der für einen Verzicht auf die Kreuzbühne aus Denkmalschutzgründen und ein opernnahes Mehrzweckgebäude als Interim wirbt und die Ausgaben dafür auf die Hälfte der von Stadt und Land prognostizieren Summe schätzt, wurden von den Bürgern kritisch unter die Lupe genommen. Einen besonderen Stellenwert nahm der geplante Einbau der Kreuzbühne und die damit einhergehende Teilverschiebung der südlichen Opernfassade um circa zwei Meter in Richtung Landtag ein. Die Kreuzbühne wird von den Staatstheatern als unabdingbar erachtet, um Bühnenbilder schneller wechseln und so auch aufwendige Opern- und Ballettaufführungen in schnellerer Folge inszenieren zu können. Für den Aufbruch Stuttgart wäre das ein Frevel am historischen Littmann-Bau, dessen Gesamtkonstrukt durch die Fassadenversetzung aus den Fugen gerate. Geladene Denkmalschutz- und Littmann-Experten halten dagegen – auch unter Berufung auf Aussagen des verstorbenen Architekten Max Littmann selbst – eine moderate Modifikation der historischen Bausubstanz für vertretbar

Die Zufallsbürger

Zufälle gibt’s, die gibt’s gar nicht, heißt es im Volksmund: Dass sich unter den nach Geschlecht, Alter und Berufsstand aus Land, Stadt und Region zufällig ausgesuchten Teilnehmern des Forums zunächst auch die Ex-Frau des Aufbruch-Vorsitzenden Wieland Backes befand, sorgte zu Beginn des Bürgerforums für Irritationen – und ließ den Verdacht der Befangenheit aufkommen, zumal sie als Aufbruch-Mitglied durchaus im Sinne der Initiative argumentierte. Sie legte ihr Mandat schließlich auf eigenen Wunsch nieder. Ansonsten stieß das Format bei den Mitwirkenden auf große Zustimmung. „Ich bin begeistert – vor allem auch darüber, dass nicht nur Stuttgarter in den Prozess einbezogen wurden“, sagt etwa Annette Greve aus Endingen am Kaiserstuhl. Schließlich sei die Sanierung der Staatsoper ja nicht nur ein Stuttgarter Thema. Sie fühle sich als Bürgerin von Politik und Fachleuten „absolut ernst genommen“. So sieht es auch Sven Gerhards aus Karlsruhe: „Unseren Wünsche nach zusätzlicher Expertise, etwa zum Thema Kreuzbühne, wurde Rechnung getragen. Ich bin vollkommen uninformiert in das Forum reingegangen und habe jetzt wirklich das Gefühl, ich kenne mich aus.“ Sein Fazit: Das Format sei auch für ähnlich gelagerte Großprojekte „zur Nachahmung empfohlen“. Auch Marcus Ilg aus Welzheim zeigt sich angetan von der „angenehmen Gesprächskultur“ im Forum. Mitunter auftretende technische Probleme bei den Videokonferenzen trübten den positiven Gesamteindruck nicht. Der gebürtige Stuttgarter freut sich vor allem über die Ehrlichkeit und Offenheit der Debatte: „Das war nichts Gestelltes.“

Die Landesregierung

Staatsrätin Gisela Erler, die das Forum entwickelt und gegen viele Widerstände im Vorfeld durchgesetzt hatte, zeigt sich mit dem bisherigen Verlauf naturgemäß ebenfalls zufrieden: „Wir sehen hier beispielhaft, was gute Bürgerbeteiligung leisten kann.“ Erstmals seien extrem gebündelt alle Aspekte zum Thema aufbereitet worden. „Das gab es zu diesem Thema in dieser komprimierten Form noch nie“, so Erler. Auch die Positionen des Aufbruch Stuttgart seien in aller Breite und mit zahlreichen Nachfragen geklärt worden. „Überrascht bin ich, wie gut das Online-Format funktioniert“, fügte Erler hinzu. Das sehen übrigens auch die befragten Teilnehmer des Forums so.