Die Interimsspielstätte in der Ehmannstraße Foto: dpa

Die Politik verschiebt den Umzug von Oper und Ballett in die Interimsspielstätte in Stuttgart auf 2023 – frühestens. Das ist hochriskant, kommentiert Susanne Benda.

Stuttgart - Viele Sprichwörter enthalten tiefe Weisheiten, aber jenes vom guten Ding, das Weile haben wolle, ist zumindest gelegentlich zu hinterfragen. Jeder, der die in vielen Bereichen gegen jede Arbeitsstättenverordnung verstoßenden Arbeitsbedingungen in der Stuttgarter Oper gesehen hat, jeder, der um die Anfälligkeit der völlig veralteten technischen Anlagen kennt, die an jedem Abend den totalen Zusammenbruch erleben könnten, und jeder, der sich auch nur vorstellt, was am Eckensee im Falle eines Brandes passieren könnte, weiß um die Zeitbombe, die im Littmann-Bau im Hinter- und Untergrund der Kunst tickt. 2021, hieß es lange, könne mit dem Bangen ein Ende sein: Dann würde die Oper an einen Übergangsspielort umziehen und die Sanierung des Stammhauses beginnen.

Jetzt hat sich der Verwaltungsrat der Staatstheater zwar endlich für eine Interimsspielstätte entschieden – noch dazu für eine, die wegen ihrer Atmosphäre, ihrer Lage und ihres Blicks auf die Stadt das Potenzial zum Kult-Ort hat. Aber das lange Hin und Her setzt sich fort und sorgt jetzt dafür, dass Auszug und Sanierungsbeginn in der Oper auf 2023 verschoben werden – „frühestens“, wie Gisela Splett, Staatssekretärin im Finanzministerium (Grüne), noch dazu einschränkte; schließlich muss noch geplant, extern geprüft und dann das Interim spieltauglich gemacht werden.

Ob die Verlängerung des ewigen Provisoriums im Stammhaus gut geht?

Das wirft Fragen auf. Eine von ihnen stellt sich beim Blick auf die Amtszeiten der jetzigen Entscheider: Bis 2023 sind weder die amtierende Landesregierung noch der jetzige Gemeinderat der Stadt mehr im Amt, und ob der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn 2020 ein zweites Mal kandidieren will, ist noch nicht bekannt. Fest steht, dass neue Gremien und Entscheider mit dem Thema Opernsanierung umgehen werden – wie auch immer. Die beiden designierten Intendanten von Oper und Ballett, Viktor Schoner und Tamas Detrich, die 2018 in ihre Ämter eintreten, hätten immerhin die Verlängerung ihrer Fünf-Jahres-Verträge quasi schon vor ihrem Einstand in der Tasche – schließlich können Planung und Logistik des Umzugs nur von Menschen gestemmt werden, die das Haus schon kennen. Womöglich wird man das gut und richtig finden – vielleicht aber auch nicht.

Die bängste Frage stellt sich indes mit Blick auf das alte Opernhaus. Ob die Verlängerung des ewigen Provisoriums gut geht? Der Rückumzug ins Opernhaus könnte bei optimalem Sanierungsverlauf 2028 stattfinden. Frühestens. Die heikle Geschichte des ewigen Verschiebens ist noch lange nicht zu Ende. Aber manchmal will gut Ding auch Eile haben.