Die Preise für Altpapier schwanken. Vereine bewegen sich auf einem schwierigen Markt. Foto: dpa/Patrick Pleul), CVJM

Der CVJM Murr setzt trotz der Vertragskündigung der kreiseigenen Abfallgesellschaft AVL seine Sammlungen fort. Der Verein muss aber bei der privaten Vermarktung Einnahmerückgänge von rund 30 Prozent hinnehmen.

Murr - Danke – das ist das Wort, das der Murrer CVJM-Vorsitzende Andreas Nägele unbedingt weitergeben will: vor allem an die Spender, die ihr Altpapier dem CVJM vor wenigen Tagen ablieferten. Es war die erste Sammlung in Murr nach der Vertragskündigung durch die Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg (AVL), von der alle Vereine im Landkreis mit dem Ende des Jahres 2020 betroffen waren. Nägele beziffert den Einnahmerückgang für seinen Verein auf rund 30 Prozent. Trotzdem ist er froh, dass so viele Spender dem CVJM die Treue hielten und sogar ein Drittel mehr Altpapier als sonst ablieferten.

Findig mussten die CVJMler sein, damit die Sammlung überhaupt coronakonform stattfinden konnte. Das war durch ein Drive-in-Verfahren möglich. „Wir haben nicht gesammelt, sondern an der Gemeindehalle auf Anlieferer gewartet“, erzählt Nägele. Dort hatte ein Privatunternehmen vier Container aufgestellt, für die der CVJM insgesamt 250  Euro bezahlen musste. „Dieses Geld brauchten wir bei der AVL nicht aufzubringen.“ Auch die Vermarktung über das Privatunternehmen ist für den Murrer CVJM nicht so lukrativ wie vorher, sodass die Einbußen von rund einem Drittel zustande kamen. „Der Papierpreis an der Börse variiert, deshalb zahlt das Unternehmen nicht so viel wie die AVL“, erklärt Andreas Nägele.

Trotzdem ist der CVJM mit der Sammlung am Samstag hochzufrieden. Rund 20  Helfer, die sicherheitshalber alle eine Maske trugen, bewältigten den Andrang. Statt wie üblich zehn Tonnen Altpapier und zwei Tonnen Kartonage lieferten die Murrer 15 Tonnen Altpapier und drei Tonnen Kartonage ab. Der Online-Handel im Lockdown und die Weihnachtsverpackungen trieben die Mengen in die Höhe. Das Geld kann der CVJM gut gebrauchen. Er finanziert damit die Ferienfreizeit des Kinderheims Zsobok in Rumänien und Projekte in der hiesigen Jugendarbeit.

Trotz der Dankbarkeit spart der CVJM-Chef Andreas Nägele nicht mit Kritik – denn Anlass dafür gebe es leider genügend: „Wenn die AVL von 2022 an eine Tonne nur für Papiermüll anbietet, ist das für uns Vereine ein Schlag ins Gesicht.“ Dem Ehrenamt würden durch das Aus für den Rahmenvertrag und diese Umstellung Steine in den Weg gelegt.

Um Verständnis bittet dagegen der AVL-Geschäftsführer Tilman Hepperle. „Wir dürfen die Vereine nicht durch höhere Gebühren subventionieren“, erklärt er. Dies wäre vom Kunden einklagbar. Die AVL hätte den Preis von 40 Euro pro Tonne deutlich reduzieren müssen. „Wir haben uns die Zahlen sehr genau angesehen – wir konnten es nicht aufrechterhalten.“ Man habe aber den Vereinen Informationen gegeben, welche Firmen mit ihnen künftig kooperieren könnten. „Wer die Vereine unterstützen will, kann ihnen ja direkt etwas spenden“, findet Hepperle.

Die Waiblinger Alba hat nach der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit der AVL den Altpapierhandel mit den Vereinen aufgegeben. „Durch den starken Preisverfall bei Altpapier wären sogar Verluste durch die Vereinssammlung entstanden“, teilt die Alba-Pressesprecherin Susanne Jagenburg auf Anfrage mit. Die Erlöse hätten zwischenzeitlich unter der Summe gelegen, die Alba allein schon an die Vereine auszahlte.

Einen Teil der 70 Vereine, die bisher über die AVL ihr Altpapier absetzten, betreut die Ludwigsburger Kurz Entsorgungs GmbH. Deren Prokurist Martin Breitenberger berichtet von 18 Vereinskunden. „Ohne den Rahmenvertrag der AVL entstehen jetzt reale Marktpreise, die wir als Wirtschaftsunternehmen den Vereinen anbieten“, sagt er. Der Preis habe im Corona-Jahr sehr geschwankt. Gründe waren die Unter- und Überproduktion von Toilettenpapier sowie die Zunahme von Kartonagen durch den Online-Handel. „Der Preis kann sich durchaus um bis zu 100 Euro pro Tonne verändern.“ Zu Beginn der Corona-Krise im März habe man deutschlandweit 50 Euro draufzahlen müssen – inzwischen erziele ein Papierhändler 30 Euro, wenn er das Material an Recycling-Fabriken weiterverkauft.

Der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch zollt der Leistung der CVJMler Respekt. „Ich habe am Samstag selbst Papier abgeliefert und gesehen, wie gut das alles ablief.“ Der Rückzieher der AVL sei für die Vereine bedauerlich. Allerdings halte er es für nachvollziehbar, wenn die AVL ihre Wirtschaftlichkeit überprüfe. „Ich bin überzeugt: Wer bisher Altpapier für den CVJM daheim gesammelt hat, wird dies auch weiter tun“, ist sich Torsten Bartzsch sicher. Daran werde auch die Umstellung des gesamten AVL-Systems „Flach und Rund“ nichts ändern.

Vom Jahr 2022 an soll die Flach-Tonne nur noch für Altpapier dienen. Die grüne Rund-Tonne wird durch eine gelbe ersetzt. Darin werden auch Plastikfolien entsorgt, die aktuell noch in die Flach-Tonne geworfen werden. Für Altglas wird eine blaue Zusatzbox etabliert.

Blickwinkel zum Thema: "Zu leise"