Eine atemberaubende Perspektive eröffnet sich vom Leichtflugzeug auf die Viktoriafälle des Sambesi-Flusses. Foto: Mansch

Microlights: ultraleichte Fluggeräte, mit denen Touristen über den Viktoriafällen kreisen.

Die Schreie der Bungee-Jumper sind von hier aus nicht mehr zu hören. Dabei stürzen sie sich ganz in der Nähe von der alten Eisenbahnbrücke, die Sambia und Simbabwe miteinander verbindet. Doch auf der sambischen Seite der Viktoriafälle übertönt das helle Schnurren der Microlights, ultraleichter Fluggeräte, alle anderen Geräusche.

Auf dem kleinen Flugplatz herrscht um sieben Uhr morgens schon reger Betrieb. Die Gesichter der Fluggäste changieren zwischen Grauen und Faszination. Im Zehnminutenabstand setzen die kleinen Flieger auf der rotbraunen Erde der Landebahn auf. Heran rattert eine Art langbeiniges Dreirad mit Segel oben und einem Propeller hinten. Eine junge Britin steigt von ihrem Beifahrersitz und schwärmt von der „unglaublichen Erfahrung“, die sie soeben gemacht hat. Vorher habe sie vor Angst an den Nägeln gekaut.

Rund 20-mal am Tag erlebt Pascal diese Szene, vor allem mit den Frauen. Der junge Pilot hat hier in der Flugschule Batoka Sky in Livingstone seine Ausbildung absolviert und ist staatlich geprüft. „Vorher will keiner glauben, dass es schön wird. Nachher sind sie dann alle glücklich“, erzählt er und grinst. Die Männer fotografieren oder nehmen die Microlights in Augenschein. Ihre Zweifel, mit einem solchen Ding in schwindelnder Höhe herumzufliegen, fechten sie still mit sich aus.

Auch ich weiß nicht, was mich geritten hat. Ich springe von keiner Bordsteinkante, so tief sitzt mir die Höhenangst im Nacken. Und die Microlights fliegen wirklich hoch; cockpitlos kreisen sie über dem breitesten Wasserfall der Erde. Mosi-oa-Tunya – donnernder Rauch – wird er von den Einheimischen genannt, denn den Sprühnebel sieht man noch 30 Kilometer weit. 1855 entdeckte der Missionar und Afrika-Forscher David Livingstone als erster Europäer den Wasserfall und gab ihm den Namen der englischen Königin. Mir fällt Helge Schneider ein, der sich dazu bekannte, „keine Angst vorm Fliegen, sondern vorm Abstürzen“ zu haben. Aber nun ist es zu spät, Pascal ist gerade wieder gelandet, sein Passagier steigt beseelt ab und macht Platz für den nächsten. Das bin ich. Ich setze mich hinter den Piloten. Ein Mitarbeiter sichert mich mit einem Bauchgurt und zeigt auf die dünnen Zeltstangen, an denen ich mich festhalten kann, und auf die Rückenlehne des Piloten.

Nach dem Start könne ich aber auch einfach loslassen und die Arme ausbreiten wie Kate Winslet auf der Titanic. Ich lächle gequält. Ab geht es auf die Startbahn. Der Propeller röhrt, und kurz vor dem Abheben redet Pascal auf mich ein. „Hör nicht auf zu atmen!“ Und schon hebt der Motordrachen ab. Panik krallt sich in mein Gemüt wie meine Hände in die Sitzlehne. Kurz erwäge ich die Sinnlosigkeit weiterer Angstattacken, hole tief Luft und plötzlich ist es überstanden. Ich werde ruhig. Schon bald gleitet unser Microlight in rund 400 Meter Höhe durch die frische Morgenluft.
Unter uns teilt sich der mächtige Sambesi-Fluss in viele Rinnsale auf, bevor er als tosende Wassermasse 110 Meter in die Tiefe der Viktoriaschlucht stürzt und so den berühmten „Rauch“ produziert. In der mächtigen Gischt bricht sich das Sonnenlicht zu einem immerwährenden Regenbogen.

In der Ferne liegt dunkel einer der Staudämme, mit denen die Sambier das Ungestüm des Viktoriafalls nutzen. Die Wasserkraft gehört mit dem Abbau von Kupfer und Kobalt zu den drei Hauptsäulen der sambischen Wirtschaft, die in den letzten Jahren einen zarten Boom verbuchen konnte. Doch das Programm zur Armutsbekämpfung bekommt davon noch zu wenig ab. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist beträchtlich. Und doch ist Sambia seit 1964, dem Jahr seiner Unabhängigkeit, frei von größeren Unruhen. Man sagt, die Konvention der „Cousinship“ halte die Menschen zusammen. Jeder hier fühlt sich verwandt und tief verbunden mit dem anderen. Konflikte, etwa zwischen den neun Provinzen, werden traditionell auf humoristische Weise ausgetragen und dürfen nur in Freundschaft enden.

Links von uns zieht jetzt ein Seeadler seine Runden, das Wappentier Sambias. „Und wir winken mal freundlich rüber“, ermuntert mich mein Pilot und weist auf die Kamera, die am Ende des Segels befestigt ist und uns fortwährend ablichtet. Ein letzter Gruß, dann schwenken wir zurück auf die rotbraune Landebahn. Butterweich setzen die drei Räder des Microlights auf, ich kann endlich die Hände vom Sitz lösen, und die Anspannung weicht einer stolzen Euphorie. Dankbar umarme ich meinen Piloten.

Livingstone

Anreise
South African Airways (www.flysaa.com) fliegt täglich nonstop von München oder Frankfurt nach Johannesburg und von dort weiter nach Sambia.

Microlights
Die Microlights von Batoka Sky fliegen ab Livingstone. Ein 15-Minuten-Flug kostet 135 US-Dollar. Buchungen unter: www.livingstonesadventure.com/Victoria-Falls-Livingstone-Zambia-Ultralight-Aircraft.

Der Flug ist auch als Teil einer Safari buchbar, z. B. bei www.wilderness-safaris.com. Das Fremdenverkehrsamt bietet individuelle Reiseberatung an: www.zambiatourism.com

Unterkunft
Luxuriöser Kolonialstil im Fünf-Sterne-Hotel Royal Livingstone am Ufer des Sambesi-Flusses (www.royal-livingstone-hotel.com). Unterkünfte ab 50 US-Dollar bieten die vielen Guesthouses von Livingstone. Rucksackreisende informieren sich unter www.backpackzambia.com.

Reisezeit
Die beste Reisezeit für Sambia ist der dortige Frühsommer von Oktober bis Dezember. Im Mai und Juni sind zwar die Wasserfälle besonders spektakulär, aber es herrscht auch Regenzeit. Malaria-Prophylaxe/Gelbfieberimpfung sind empfehlenswert.