Sam (Javon Walton, li.) hat in Joe (Sylvester Stallone) einen Ersatzvater gefunden. Foto: Amazon/MGM

In „Samaritan“ bei Amazon Prime Video spielt der 76-jährige Sylvester Stallone einen müden Superhelden, der sich mit einem 13-jährigen Jungen anfreundet.

In Granite City hat es einmal einen Superhelden gegeben – einen Hünen namens Samaritan. Und einen Superschurken, den im Zorn auf die ganze Welt verirrten Bruder des Samaritan mit Namen Nemesis. In einem brutalen Endkampf haben beide vor einem Vierteljahrhundert ihr Ende gefunden. So jedenfalls hat es der 13-jährige Sam, der größte Fan des von vielen bereits vergessenen Samaritan, stets erzählt bekommen, von den Medien und von allen abgeklärten Erwachsenen.

Sam aber ist überzeugt davon, dass sein Held nicht untergegangen ist, dass er irgendwo in der Stadt in der Verkleidung eines Normalbürgers lebt. Oft schon glaubte er, den Abgetauchten entdeckt zu haben, das verrät in dem nun bei Amazon Prime gestarteten Spielfilm „Samaritan“ ein langer Zettel mit Namen. Sogar der Pizzalieferant steht darauf. Neuerdings hat Sam einen nahen Nachbarn im Visier, den mit breitem Kreuz durch die Straßen schlurfenden Müllmann Joe, der Weggeworfenes aus den Tonnen zieht, repariert und dann verkauft. Dass Sam (Javon Walton) nicht völlig auf dem Holzweg ist, dürfte jedem Zuschauer schnell klar sein. Joe wird immerhin von Sylvester Stallone verkörpert. Man spielt nicht jahrzehntelang Kinolegenden wie Rocky und Rambo, um sich dann mit Normalem zu begnügen.

Mit den Wölfen heulen?

„Samaritan“ war ursprünglich fürs Kino gedacht, aber dann hat Amazon sich doch bloß zu einer Streaming-Premiere entschlossen. Das schien jene Online-Spötter zu bestätigen, die eine grandiose Peinlichkeit prophezeit hatten: Wie soll sich auch der 76-jährige Stallone seinen Teil vom Superhelden-Kuchen holen, ohne ins Lächerliche abzurutschen?

Aber der von Julius Avery („Operation: Overlord“) inszenierte „Samaritan“ malt uns Joe zunächst gar nicht als brachialen Wundergreis aus. Es geht vor allem um Sam, dessen alleinerziehende Mutter kaum das Geld für die Miete zusammenbekommt und der sich nun überlegen muss, ob er in einer rauen Nachbarschaft mit den jungen Wölfen heulen und kriminell Kohle machen will. „Samaritan“ hat Züge des Popcorn-Kinos der Achtziger, von Filmen wie „Goonies“ und „Gremlins“, die Unterhaltung für alle bieten wollten, aber speziell eine junge Zielgruppe im Auge hatten und die bei allem Radau ihre Märchenhaftigkeit offen zugaben.

Zuviel B-Movie-Gerappel

Aber nun ist der Schauplatz kein halbwegs heiles Amerika mehr, sondern eine kaputte Stadt mit vielen sozialen Problemen. Joe, der Kaputtes repariert, ist dadurch der richtige Held für diese Welt. Man fragt sich aber, wie Sam es heil bis ins Erwachsenenalter schaffen soll und was ihn erwarten mag.

Leider geht es dann doch los mit den langen Actionsequenzen, mit Rennen, Schießen, Brüllen, Prügeln. In den Comics, die dem Film zugrunde liegen, mag die wachsende Gewalt ironisch wirken, hier passt sie nicht zu den zarteren Tönen des Anfangs. Der von Stallone mit anrührender Müdigkeit und Skepsis ausgestattete Joe hätte Sam einiges zu sagen, spürt man. Aber es geht im Gerappel der B-Movie-Kämpfe unter.

Samaritan. Amazon Prime, bereits abrufbar