Der Salafistenprediger Ibrahim Abou Nagie. Foto: dapd

Reihenhaus, Luxusautos, Internethandel: Salafist Abou Nagie soll nicht bedürftig sein.

Köln - Die Sozialleistungen für den radikalen Vorbeter sorgten bundesweit für Aufsehen. Er bewohnt ein Reihenhaus am Stadtrand, nutzt zwei Luxusautos und betreibt einen Internethandel.

Grauer Anzug. Graues Hemd. Drei Begleiter, bereit, unliebsame Fragesteller sofort zur Seite zur drängen. Prediger Ibrahim Abou Nagies lächelt, schüttelt Hände, streichelt die Köpfe von Kindern. Kein Zeichen dafür, dass dem Hartz-IV-Empfänger am vergangenen Wochenende eigentlich das Wasser schon bis zum Hals stehen müsste: Zum 1. Juni strich die Arbeitsagentur (Arge) Köln dem Salafisten, seiner Frau und seinen drei Kindern nach gemeinsamen Recherchen des „Kölner Express“ und unserer Zeitung dem im Gazastreifen geborenen Deutschen das Arbeitslosengeld II sowie die Sozialhilfe. Das bestätigten Sicherheitskreise in Nordrhein-Westfalen.

Die Arge strich Nagie 1860 Euro Hartz-IV-Hilfe, weil er der Behörde keine Unterlagen vorlegte, die belegen, wie er einen Teil seiner Miete sowie den Unterhalt der von ihm und seiner Frau genutzten Luxusautos finanziert. Die Autos sind auf Unterstützer aus der Salafistenszene zugelassen.

Nagie hatte 1332 Euro Warmmiete für sein Reihenhaus im Kölner Norden geltend gemacht. Die Sachbearbeiter der Arbeitsagentur hatten zunächst die Kosten für das Haus und die Nebenkosten in Höhe von 1434,04 Euro übernommen. Nach einer Überprüfung wurde der Mietzuschuss auf 846 Euro gemindert. Nagie hatte gegenüber der Behörde behauptet, Freunde beglichen die Differenz. Zusätzlich erhielt die fünfköpfige Familie etwa 1000 Euro für die Grundsicherung sowie 450 Euro Kindergeld. Insgesamt wurde der Salafistenprediger damit monatlich mit etwa 2300 Euro vom deutschen Staat unterstützt. Unsere Zeitung hatte aufgedeckt, dass der Vorbeter seit April 2004 staatliche Sozialleistungen erhielt.

„Eine hübsche fünfstellige Summe“ auf dem Girokonto

Ermittler fanden in den vergangenen Wochen zudem ein Konto, zu dem Nagie „uneingeschränkten Zugang hat“. Auf dem Giro befinde „sich eine hübsche fünfstellige Summe“. Die Fahnder können nachweisen, dass von diesem Konto regelmäßig Geld abgehoben, es gleichzeitig aber auch von einer bisher unbekannten Quelle wieder aufgefüllt wurde. Die Bankverbindung hatte Nagie dem Kölner Jobcenter ebenfalls verschwiegen.

Der Fall Nagie und dessen staatliche Unterstützung hatten bundesweit Aufsehen erregt. So lieferte der als Hassprediger geltende Mann den Koran wahlweise in einem BMW X 3 oder einem Mercedes E-Klasse in deutschen Fußgängerzonen an, damit die Bücher für sein Projekt „Lies! Im Namen Deines Herren!“ verschenkt werden konnten. Nagie wollte so 25 Millionen Exemplare der eigens für ihn gedruckten Koranausgabe kostenlos an Passanten in Deutschland, Österreich und der Schweiz abgeben. Die Herstellungskosten für eine Ausgabe des Buches betragen zwei Euro. Nagie hatte bei Gesprächen mit seinen Sachbearbeitern bei der Arbeitsagentur mehrfach darauf hingewiesen, dass er wegen seiner Missionierungstätigkeit keiner geregelten Arbeit nachgehen könne.

Dafür engagiert sich Nagie in diversen Koranschulen sowie nahezu täglich auf seiner Internet-Missionierungsplattform „Die wahre Religion“. Für den ihr angeschlossenen Versandhandel ist Ibrahim Abou Nagie als Geschäftsführer geführt. Die Einnahmen dieses Handels müssen nach Ansicht der Arge-Kontrolleure Nagie zugerechnet werden. Zwar behauptet der gebürtige Palästinenser, mit dem Verkauf von Devotionalien keinen Gewinn erzielt zu haben, konnte dies aber nicht beweisen. Die Fahnder rechnen Nagie etwa 2300 bis 2500 Euro monatliche Einkünfte zu, die dieser nicht erklären könne.

Nagie kann gegen den Entziehungsbescheid der Arbeitsagentur noch bis zum 30. Juni Widerspruch einlegen. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt allerdings wegen Sozialbetrugs gegen den 47 Jahre alten Abou Nagie.