Stefan Schittenhelm (li.) und Alfred Pantel auf der Sängerstaffel vor der vom Remsecker Graffiti-Künstler Simon Löchner (re.) gestalteten Mauer. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eine Hauseigentümergemeinschaft hat ein Metalltor und ein Mauerstück an der Sängerstaffel vom Graffiti-Künstler Simon Löchner gestalten lassen. Sie hofft, dass so die Schmierereien und anderen Verunreinigungen aufhören.

Stuttgart - Fußgänger, die die Sängerstaffel zwischen Urban- und Schützenstraße nutzen, können sich seit kurzer Zeit auf einem Teilstück des Treppenaufgangs an junger, urbaner Kunst erfreuen. Die Eigentümergemeinschaft des Gebäudes Urbanstraße 70 haben das Tor an der Zufahrt zum Grundstück über die Sängerstraße sowie die das Privatgrundstück flankierende Mauer entlang der Sängerstaffel von dem Graffiti-Künstler Simon Löchner gestalten lassen. Urschwäbische Beweggründe haben die Eigentümergemeinschaft zu diesem Schritt veranlasst: Weil Tor und Mauer regelmäßig massive Verschmutzungen aufwiesen und immer wieder aufwendig für teures Geld gereinigt werden mussten, entschloss sich die Eigentümerversammlung zu einem ungewöhnlichen Schritt. Auf Anregung des Miteigentümers Stefan Schittenhelm wurde der Sprayer Simon Löchner beauftragt, erst dem Tor, dann dem Mauerstück ein neues Aussehen zu verpassen. Die Idee dahinter: Das ist mittelfristig billiger.

Miteigentümer von der Idee überzeugt

„Ich hatte gehört, dass es zum Ehrenkodex der Sprayer gehört, das Werk eines anderen Sprayers nicht zu verhunzen“, sagt Stefan Schittenhelm. Seine Überlegung: Statt regelmäßig Geld in die Reinigung zu investieren sollte die Hausgemeinschaft einen Sprühkünstler beauftragen, dessen Arbeit dann – so Schittenhelms Hoffnung – für lange Zeit von mutwilligen Verschmutzungen verschont bleibt. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die an der Sängerstraße vor knapp zwei Jahren installierte S-21-Lärmschutzwand von Sprayern mit einem Bild des Titels „Urban Jungle“ gestaltet wurde und seither einen Teil der Sängerstaffel farbenfroh ziert, hat Schittenhelm ermutigt, den Miteigentümern einen ähnlichen Weg vorzuschlagen.

Der Graffiti-Künstler hatte freie Hand

„Wir haben dem Künstler bei der Gestaltung freie Hand gelassen“, sagt Alfred Pantel. Das Werk, so viel stand von Anfang an fest, sollte aber weitestgehend abstrakt sein und nichts konkretes zeigen. Pantel war von der Idee Schittenhelms von Anfang an begeistert. So sehr sogar, dass er sich auch dafür einsetzte, dass der Remsecker Graffitikünstler sein Werk auf der Mauer erweiterte, nachdem die Gestaltung des Metalltors an der Grundstückszufahrt abgeschlossen und auf viel positive Resonanz gestoßen war. „Simon Löchner hatte uns vor der Umsetzung zwar ein paar Skizzen gemacht. Erst als es auf dem Tor war, waren aber auch die letzten Zweifel einiger Miteigentümer verschwunden“, sagt Alfred Pantel. Er selbst beschäftigt sich schon seit Jahren mit Kunst und hat mit Joseph Zöttler eine kleine Sammlung mit überwiegend zeitgenössischen, grafischen Werken aufgebaut.

Einen Teil dieser Arbeiten hatte Löchner vor der Umsetzung des Graffitos auch gesehen. „Für mich war daher klar, dass es farblich reduziert, grafisch und abstrakt sein muss“, sagt der Sprayer, der seit Jahren im Auftrag von Firmen, Organisationen oder eben Privatpersonen mit der Sprühdose Bilder auf Wände bringt. Mal gestaltet er Gebäudefassaden, mal Wände in Kinderzimmern. „Das Spektrum ist riesengroß“, sagt der Remsecker.

Künstler war fünf Tage lang beschäftigt

Rund fünf Tage lang war er an der Sängerstaffel beschäftigt, um die Flächen erst zu reinigen und zu grundieren um ihnen anschließend ein neues Aussehen zu verpassen. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich die Fläche vorwiegend in Schwarz, Weiß und Grautönen sowie in zurückhaltenderen Farbtönen gestalte“, sagt Löchner. Figuren sollten keine in dem Werk zu finden sein, ebenso wenig Schrift. Dennoch hat der Sprayer in der ihm eigenen Art auf dem Tor zur Hofeinfahrt ein paar Lettern hereingeschmuggelt. Das Wort „urban“ hat er dort „stark abstrahiert eingearbeitet“, wie Löchner selbst sagt. Außerdem findet sich die Zahl 70 rechts unten in der Ecke des Tors. „Ich fand, das musste da rein“, sagt Löchner, „denn, dass ist urbane Kunst beim Gebäude an der Urbanstraße 70.“ Dies habe er als Künstler nicht einfach ignorieren können.

Löchner, der abseits seines künstlerischen Schaffens auch als Sozialarbeiter in Ludwigsburg tätig ist, hat die Gestaltung der Fläche an der Sängerstaffel viel Spaß gemacht. Dass das Ergebnis nun auch allen Beteiligten – sowie laut Pantel vielen Passanten – gut gefällt, freut ihn sehr. Bei der Umsetzung hätten viele Passanten auch Neugier daran gezeigt, was er macht – und sein Tun auch anerkennend gewürdigt.

Kein ganz billiges Unterfangen

„Natürlich muss man für so etwas Geld in die Hand nehmen und es ist nicht ganz billig“, geben Pantel und Schittenhelm unumwunden zu. Billig wäre aber auch die Reinigung der Flächen nicht – und keineswegs nachhaltig. Ob sich die Aktion im Hinblick auf die künftig hoffentlich wegfallenden Reinigungsarbeiten mittelfristig „gar als Schnäppchen“ erweist, bleibt laut Pantel abzuwarten. Sinnloser Luxus ist das Kunstwerk auf der Betonmauer laut Joseph Zöttler in keinem Fall. „Kunst ist ein Grundbedürfnis“, sagt er. Und sollte es der Eigentümergemeinschaft mit ihrer Aktion gelungen sein, der Allgemeinheit ein Stück moderne, zeitgenössische Kunst zugänglich zu machen, „dann hat sich die Investition in jedem Fall gelohnt“. Nachahmer seinen zudem „ausdrücklich erwünscht“, so Pantel.