Westliche Behörden gehen davon aus, dass es zu Sabotage an den Röhren Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gekommen ist. Untersuchungen laufen auf Hochtouren, auch Russland zeigt sich „extrem besorgt“ über die Vorfälle. Die Gasversorgung in Deutschland ist nicht betroffen.
Die beiden Erdgaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2, die Russland direkt mit Deutschland verbinden, sind möglicherweise Ziel eines Sabotageakts geworden. Das vermuten westliche Regierungen und Sicherheitsbehörden. In beiden Leitungen klaffen Lecks tief in der Ostsee, es gab einen Druckabfall, und Erdgas tritt aus. Was genau geschah, ist unklar. Die Untersuchungen dazu dauern an. Auswirkungen auf die Gasversorgung haben die Vorfälle zunächst nicht, denn Russland hatte seinen Erdgasexport nach Deutschland ohnehin weitgehend gestoppt. Zugleich geht hierzulande der politische Streit über die Zukunft der umstrittenen Gasumlage weiter.
Was ist bis jetzt über die Lecks bekannt?
Nord Stream 1 und Nord Stream 2 bestehen jeweils aus zwei Strängen. Es gibt insgesamt drei Lecks: an den beiden Strängen von Nord Stream 1 nordöstlich der dänischen Ostseeinsel Bornholm sowie eines an Nord Stream 2 südöstlich der Insel. Alle Lecks waren im Laufe des Montags entdeckt worden. Betroffen sind dänische und schwedische Gewässer. Die beiden Pipelines verlaufen weitgehend parallel durch die Ostsee, sie haben ihre Endpunkte in Lubmin bei Greifswald. Bei Bornholm liegen die Röhren etwa 70 Meter unter der Wasseroberfläche. Die dänische Marine und deutsche Experten versuchen, die Ursache für die Lecks zu finden. Die Betreiberfirma von Nord Stream 2 befürchtet, dass die Röhre komplett leerlaufen könnte. Der Druck in der Pipeline betrage normalerweise 105 Bar, jetzt seien es auf deutscher Seite nur noch sieben Bar. Umweltschützer gehen bislang nicht davon aus, dass das Ökosystem der Ostsee größeren Schaden nehmen wird. Erdgas ist grundsätzlich ungiftig und löst sich teilweise im Wasser. Allerdings ist es auch extrem klimaschädlich.
Gehen die Lecks auf Sabotage zurück?
Das ist noch nicht belegt. Aber westliche Staaten halten das für sehr wahrscheinlich oder sogar für offenkundig. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte am Dienstag: „Wir kennen heute noch nicht die Details dessen, was da passiert ist. Aber wir sehen deutlich, dass ein Sabotageakt vorliegt.“ Der „Tagesspiegel“ berichtete, dass die deutschen Sicherheitsbehörden ebenfalls von einem Anschlag ausgingen. Es gebe kein anderes plausibles Szenario, schrieb das Blatt unter Berufung auf eine anonyme Quelle in den Behörden. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte mit, man sei dabei, den Sachverhalt aufzuklären. „Aktuell kennen wir die Ursachen für den Druckabfall nicht.“ Die dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen sagte, Sabotage könne nicht ausgeschlossen werden. Da es aber drei Lecks gebe, sei es „schwer vorstellbar“, dass es sich um einen Zufall handele.
Wie wichtig sind die beiden Pipelines für die deutsche Gasversorgung?
Im Moment spielen sie hier keinerlei Rolle. Denn Russland liefert seit Anfang September ohnehin kaum noch Gas nach Deutschland. Durch Nord Stream 1 fließt gar kein Erdgas mehr. In der Vergangenheit war Nord Stream 1 die wichtigste Gaspipeline für Deutschland. Nord Stream 2 hingegen ist zwar baulich fertiggestellt, aber nie in Betrieb gewesen: Deutschland hatte kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das Genehmigungsverfahren gestoppt. Neben den beiden Ostseepipelines gibt es noch Röhren, die russisches Gas auf dem Landweg nach Deutschland transportieren können. Angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine versucht die Bundesrepublik, rasch unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden.
Was sagt Russland?
Während westliche Behörden argwöhnen, dass Russland selbst hinter möglichen Anschlägen stehen könnte, zeigt sich der Kreml „extrem besorgt“ in Bezug auf die Vorfälle. „Dies ist eine noch nie da gewesene Situation, die dringend untersucht werden muss“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Dienstag. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um einen Sabotageakt handele.
Wie geht es mit der Gasumlage in Deutschland weiter?
Alle drei Partner der Ampelkoalition sind inzwischen von der Umlage, mit der taumelnde Erdgasimporteure stabilisiert werden sollen, abgerückt. Noch ist aber unklar, wie die notwendigen Milliardenbeträge stattdessen aufgebracht werden sollen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sperrt sich dagegen, abermals die Regeln der Schuldenbremse außer Kraft zu setzen. Während die SPD-Führung davon ausgeht, dass die Umlage bereits Ende dieser Woche Geschichte sein wird, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, Klarheit über Alternativen werde es voraussichtlich erst Mitte oder gar Ende Oktober geben. Auch mit Blick auf das geplante dritte Entlastungspaket gibt es noch Klärungsbedarf: Ein für Mittwoch geplantes Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder soll nun am 4. Oktober stattfinden. Begründet wurde die Verschiebung mit der Corona-Erkrankung des Kanzlers. Die Länderchefs wollen sich am Mittwoch gleichwohl treffen.