Nicht nur Lastwagen, auch rangierende Züge machen Lärm auf der Logistikfläche C2 am Nordbahnhof. Foto: Michael Steinert

Erneut ist über den Lärmschutz für die Anwohner an Nordbahnhof und Wartberg diskutiert worden – diesmal im S21-Stammtisch des Vereins Infoladen auf der Prag mit Vertretern der Bahn. Und wie zuvor im Bezirksbeirat Nord gab es wenig Zusagen vonseiten der Bahn.

S-Nord - Am deutlichsten war eine Aufnahme, die eine Anwohnerin der Störzbachstraße, direkt am Nordbahnhof, von ihrem Mobiltelefon abspielte: Minutenlanges Quietschen und Rattern beim Rangieren der Züge, mit denen der Erdaushub, der in der S-21-Tunnelbaustelle am Nordbahnhof entsteht, abgefahren wird. Der Vorwurf der Anwohner: Jede Nacht geht das so, es ist kein normaler Schlaf möglich, einerseits wegen des nächtlichen Rangierens der Züge, zum anderen wegen der lauten Piepgeräusche beim Rückwärtsfahren der Lastwagen.

Erst am Montag, 10. November, hatte Florian Bitzer von der Bahn im Bezirksbeirat Nord erklärt, das laute Piepen beim Rückwärtsfahren auf der Baulogistikfläche könne man nicht abschalten, weil sonst die Betriebserlaubnis erlösche und man EU-Recht breche (wir berichteten). Beim Stammtisch des Infoladens Stuttgart 21 auf der Prag mit Vertretern der Bahn widersprachen einige Anwohner dem: Sie hatten selbst nachgeforscht, zum Teil auch bei Anwälten nachgefragt. „Es ist nicht vorgeschrieben, einen Rückwärtspieper zu haben“, lautete die Auskunft. Zudem, gebe es viele Alternativen, beispielsweise Radar- oder Kamera-Monitor-Systeme. Insofern seien die Pieper nicht so zwingend notwendig, wie die Bahn es darstelle. Eine Anwohnerin brachte es auf den Punkt: „Ich verstehe nicht, dass wir seit einem Jahr darüber diskutieren. Immer sagen Sie, Sie schauen es sich an, Sie arbeiten daran – passiert ist nichts, und wir können immer noch nachts nicht ruhig schlafen. Soll das die nächsten sechs Jahre so gehen?“

Alternativen zum Rückfahrpieper werden geprüft

Eva-Maria Kapp war an diesem Abend zum ersten Mal als Vertreterin der Bau-Info Stuttgart–Ulm dabei, mühte sich zwar redlich, konnte den Anwohnern aber kaum Lösungsansätze anbieten. Die Berufsgenossenschaft gebe die Rückfahrpieper vor. Eine Zeitlang habe ein Unternehmer, der auf der C-2-Fläche tätig war, es „auf die eigene Kappe genommen, die Pieper auszustellen“, so Kapp. Seitdem seien weitere Firmen dort tätig geworden, und diese seien nicht bereit, die Warnsignale auszuschalten. „Wir ignorieren das nicht“, betonte Kapp, man sei in Gesprächen mit Maschinenherstellern und den betroffenen Bauunternehmen, um zu sehen, was man tun könne. „Warum wurde es nicht in der Ausschreibung festgesetzt, dass die Firmen keine Rückfahrpieper verwenden dürfen?“, wollte ein Anwohner wissen. Das hätte man tun können, gab Kapp zu, dafür sei es aber nun zu spät. Auch Thomas Türk, der in der Koordinationsstelle Planänderungsverfahren und Planfeststellung beim Bahnprojekt Stuttgart–Ulm tätig ist, gab zu, dass das Piepen nicht optimal sei: „Es gibt ja viele Gerätschaften, die piepen, auf einer Baustelle.“ Ihm zufolge sollen alternative Warnsysteme nun geprüft werden.

Auch zu den lauten Rangiergeräuschen der Züge konnte Eva-Maria Kapp keine guten Nachrichten überbringen: Aufgrund des knapp bemessenen Platzes auf der C-2-Fläche sei kein Platz für einen Vollzug, also müssten jeweils zwei Halbzüge gebildet werden, die dann zusammengelegt und ab 20 Uhr – wenn die erforderliche Lücke im S-Bahnfahrplan besteht – ins Gleisnetz abgefahren werden. „Das sind die lauten Geräusche, die Sie hören“, erklärte Kapp. Laut Planfeststellungsbeschluss dürfen die Züge von 7 bis 20 Uhr mit Erdaushub beladen werden, und zwischen 20 und 7 Uhr abgefahren werden. „Es wird geprüft, ob es Sinn ergibt, Gleise nachzuschleifen und eine automatische Schmieranlage an bestimmten Stellen einzusetzen.“

Auch Nordbahnhof soll neue Fenster bekommen

Was den aktiven Lärmschutz angehe, so nützten niedrige Schallschutzwände nichts. „Hohe Wände sind nicht möglich, weil sonst der Sicherheitsraum um die Lastwagen und die Fluchtwege nicht eingehalten werden“, erklärte Kapp. Das Problem sei außerdem, dass „wir keine punktuellen Lärmquellen an bestimmten Stellen haben, sondern dass der Lärm sich bewegt.“ Abhilfe schaffen sollen nun passive Lärmschutzmaßnahmen, wie neue, mehrfach verglaste Fenster. Solche bietet die Bahn jetzt nicht nur den Bewohnern am Wartberg beim Zwischenangriff Prag an, sondern nun auch denen im Nordbahnhofviertel an der C-2-Fläche.

Eine Wartbergbewohnerin, die mit einem Lärmmessgerät bereits „über 90 Dezibel“ gemessen hat, ist sich jedoch sicher: „Ich habe ja schon doppelt verglaste Fenster. Da hört man trotzdem alles.“ Einige der Anwohner machen sich nach eigener Aussage nun Gedanken über eine Klage gegen die Bahn – auf Schmerzensgeld.