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Angehörige von Robin Wood stehen nach Protesten gegen Nordflügel-Abriss vor Gericht.

Stuttgart - Weil sie einen Bagger am Hauptbahnhof besetzt hatten, um gegen den Abriss des Nordflügels zu protestieren, mussten sich am Dienstagnachmittag zwei Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood wegen Hausfriedensbruch vor dem Amtsgericht verantworten.

Überwiegend Graue Panther und wenig junge Leute waren es, welche den Angeklagten im prall vollen Gerichtssaal Solidarität zollten. Die beiden, eine in Lüneburg lebende Französin des Jahrgangs 1981, die sich als Aktionskletterkünstlerin bezeichnet, und ein ein Jahr jüngerer Mann aus Warstein, der angibt, Student zu sein, sich jedoch weigert, seinen Studiengang anzugeben, versuchten dem Gericht, zwei etwa gleichaltrige Frauen als Verteidiger zu präsentieren. Ein juristisches Staatsexamen sei für die Verteidigung nicht notwendig, die beiden hätten sich juristische Kenntnisse im Selbststudium angeeignet und in der Vergangenheit mehrere ähnliche Prozesse als Verteidiger begleitet. Doch in Stuttgart lehnte die Richterin der 20. Strafabteilung das Gesuch der beiden auf Zulassung unter lautem Murren des Publikums ab.

Die Angeklagten mussten vor Gericht erscheinen, weil sie gegen Strafbefehle über jeweils 50 Tagessätze zu je 20 Euro Einspruch eingelegt hatten. Auf den Ausschluss ihrer Freunde von der Verteidigung reagierten sie mit Protest, den sie der Richterin fix und fertig in schriftlicher Form präsentierten. Die Bemerkung der Juristin "Dies sind offenbar vorbereitete Erklärungen" kommentierte ein Zuhörer mit: "Die Urteile sind doch auch vorbereitet." Erst nach einigen Ausschlüssen von Störern aus der Verhandlung und Drohungen, die Öffentlichkeit vollständig von der Verhandlung auszuschließen, vermochte die Richterin die Ruhe im Saal herzustellen. Befangenheitsanträge beider Angeklagten gegen die Leiterin des Verfahrens lehnte die Justizbehörde nach längerer Prüfung ab, worauf ein junger Mann den Saal den Saal mit den Worten verließ: "Ich habe keine Lust mehr, diesem Unfug zuzuhören." Mehrfach versuchten die Angeklagten, die Verhandlung um die politischen Hintergründe des Bahnprojekt kreisen zu lassen. So wollten sie zwar ausführlich die Motive ihrer Tat ausbreiten, schwiegen jedoch demonstrativ zum Tathergang.

Mehrfach fielen die jungen Leute dabei der Richterin, welche die Verhandlung anscheinend allen Unterbrechungen zum Trotz an einem Tag beenden wollte, immer wieder in scharfem Ton ins Wort und versuchten vergebens, die Verhandlungsführung an sich zu ziehen.

So waren es Polizisten im Zeugenstand, welche die Version der Staatsanwaltschaft vom frühen Morgen des 30. August 2010 bestätigten. Laut Anklage haben am 30. August 2010 gegen 4.30 Uhr etwa 30 Gegner des Bahnprojekts den Bauzaun abgeschirmt. Damit hätten sie es den Angeklagten sowie einer weiteren Person ermöglicht, den Zaun zu überwinden und auf den Arm eines Abrissbaggers zu klettern, noch bevor Polizisten eingreifen konnten. In luftiger Höhe habe das Trio dann Transparente aufgerollt und sich auf einer Hängematte eingeigelt. Nach fruchtlosen Gesprächen der drei mit einem Verhandlungsteam der Polizei habe ein SEK-Kommando den Bagger geräumt.

Mitten in der Zeugenvernehmung zeigte sich die vorher noch quirlige Französin plötzlich fahrig und unkonzentriert. "Ich kann der Verhandlung nicht mehr folgen, weder Beweisanträge formulieren noch plädieren", sagte sie und unterstrich dies mit einem Schwerbehindertenausweis. Sie leide an einer rheumaähnlichen Arthritis und an einem Müdigkeitssyndrom.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 10. Mai, 15.30 Uhr, fortgesetzt.