Der Spielraum des Verkehrsministers ist genauso begrenzt wie seine Bereitschaft zu helfen.

Stuttgart/Berlin - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will am Freitag Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) für einen längeren Baustopp bei S21gewinnen. Doch der Spielraum des Ministers ist genauso begrenzt wie seine Bereitschaft zu helfen – das wissen alle Beteiligten.

Auf höchster Ebene soll ein Konflikt gelöst werden, der kaum mehr lösbar scheint: Am Freitag will Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) bei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) ausloten, ob sich der Bund an den Kosten eines verlängerten Baustopps für Stuttgart 21 beteiligt. Falls Ramsauer dem Wunsch nicht folgt, will die Deutsche Bahn die Bauarbeiten am Montag mit Nachdruck vorantreiben. "Ich nehme nicht an, dass jetzt Knall auf Fall irgendjemand vorprescht", betonte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Diesen Eindruck habe er aus einem Gespräch mit Bahn-Chef Rüdiger Grube gewonnen. Die Bahn könne kein Interesse daran haben, dass es wieder zu "massiven Protesten" gegen das Milliardenprojekt komme, meinte Kretschmann.

Nach Informationen unserer Zeitung könnten noch vor Pfingsten erste Baumaßnahmen bei der zurzeit ruhenden Baustelle für das Grundwassermanagement im Schlossgarten stattfinden. Kretschmann will in Berlin darauf drängen, dass der derzeitige Bau- und Vergabestopp bei Stuttgart 21 zumindest bis zum Stresstest für den Tiefbahnhof im Juni oder Juli verlängert wird. Er werde Minister Ramsauer daran erinnern, dass sich alle Seiten auf die Schlichtung zu S 21 eingelassen hätten, so Kretschmann. Für ihn sei wichtig zu erfahren: "Wie positioniert sich der Bund als Eigentümer der Bahn?"

Ramsauer wird den Schwarzen Peter kaum aufnehmen

Die Bahn hat die Kosten eines Bau- und Vergabestopps am Montag im Lenkungskreis des Projekts auf 410 Millionen Euro beziffert; außerdem würde sich die für Dezember 2019 geplante Inbetriebnahme um drei Jahre verzögern. Die Angaben beziehen sich aber auf ein Moratorium bis zur geplanten Volksabstimmung im Oktober 2010 zum Ausstieg des Landes aus der Finanzierung von Stuttgart 21. Nach dem monatelangen Aussetzen der Bautätigkeiten während der Schlichtung und nach der Landtagswahl sei man mittlerweile mit der eigenen Handlungsfreiheit am Ende, hatte Infrastrukturvorstand Volker Kefer dem Lenkungskreis erklärt. Die Bahn müsse jetzt weiterbauen, um Schaden vom Unternehmen fernzuhalten. "Eine weitere Verzögerung ohne Freistellung von damit verbundenen Kosten ist aktienrechtlich und vertragsrechtlich unmöglich", bestätigte ein Sprecher des Konzerns am Dienstag.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat die Rechnung und Begründung der Bahn komplett infrage gestellt; er will beides bis Freitag prüfen lassen. Ob der Bundesverkehrsminister willens und in der Lage ist, der Bahn die Last abzunehmen, erscheint freilich auch ungeachtet der konkreten Summen mehr als fraglich. "Weshalb sollte Herr Ramsauer das tun?", heißt es im Umfeld des Ministers. Für ein Entgegenkommen, für das letztlich der Steuerzahler einzustehen habe, gebe es für den CSU-Politiker weder politisch noch inhaltlich eine plausible Begründung. Das Spitzengespräch mit Ramsauer und Kretschmann ist von Hermann während der Sitzung des Lenkungskreises initiiert worden. Der Vertreter des Bundes, der als Beobachter mit am Verhandlungstisch saß, soll sich über den Vorstoß gewundert haben. "Seine Frage, was das Land von dem Gespräch mit Ramsauer erwartet, konnte nicht konkret beantwortet werden", erinnert sich ein Teilnehmer der Runde. Ramsauer wird den Schwarzen Peter aus Stuttgart kaum aufnehmen. Dabei kann er auch darauf pochen, dass S 21 kein Projekt aus dem sogenannten Bedarfsplan des Bundes, sondern ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG ist.

Der Bund ist an dem mit 4,088 Milliarden Euro veranschlagten Vorhaben nur mit einem festen Zuschuss von 564 Millionen Euro beteiligt. Alles in allem sei die Situation wohl "verfahren", hört man aus dem Ministerium Ramsauers. Erschwerend komme hinzu, dass die Landesregierung aus Grünen (Projektgegner) und SPD (Befürworter) nicht mit einer Stimme spreche. Das mache die Verantwortlichen "einigermaßen ratlos", heißt es. Am Dienstag hat sich der Vorstand der Bahn mit S 21 befasst. Falls Ramsauer kein Machtwort spricht, wird nicht nur die Bautätigkeit hochgefahren. Wichtiger sind für den Konzern die anstehenden Vergaben für den Fildertunnel und die Tunnel nach Ober- und Untertürkheim. Ende Juni soll der Aufsichtsrat den Vergaben zustimmen; Ende Juli sollen die Aufträge für die beiden größten Tunnelbaustellen im Volumen von 750 Millionen Euro unterschrieben werden.