Start-ups werden in Stuttgart zu wenig gefördert, so Johannes Ellenberg. Foto: Kathrin Wesely

„Das Start-up ist auf der Suche nach einem Geschäftsmodell, der Unternehmensgründer hat schon eins“, sagt Johannes Ellenberg, Gründer und Geschäftsführer von Accelerate Stuttgart. Sein Geschäftsmodell: Start-ups mit Räumen und fachlichem Knowhow zu unterstützen.

S-West - Ein Existenzgründer ist jemand, der eine neuartige Torte auf den Tisch stellt – beispielsweise eine Schwarzwälder-Kiwi-Torte – und hofft, dass sie verputzt wird. Ein Start-up-Unternehmer indessen präsentiert der Kaffeetafel ein paar Kuchenrezepte, weil er messerscharf analysiert hat: Hier besteht ein prinzipieller Kuchenbedarf. Jetzt gilt es nur noch, das passgenaue Backwerk für dieses Kaffeekränzchen zu finden.

„Das Start-up ist auf der Suche nach einem Geschäftsmodell, der Unternehmensgründer hat schon eins“, sagt Johannes Ellenberg, Gründer und Geschäftsführer von Accelerate Stuttgart. Sein Geschäftsmodell: Start-ups aus dem digitalen Bereich für jeweils sechs Monate zu unterstützen, ihnen die Räume zu bieten, alle nötige technische Unterstützung und das fachliches Knowhow für die digitale Beherrschung von Akquise, Buchungen, Werbung und anderen Geschäftsprozessen. Im Idealfall können die Start-ups nach Ablauf der Zeit auf eigenen Beinen stehen – woran Ellenberg selbst ein massives Interesse hegt: Bezahlen lässt sich Accelerate – zu deutsch „beschleunigen“ – seinen Service nämlich in Form von Anteilen an den neuen Unternehmen: Drei Prozent im Basistarif, das Rund-Um-Sorglos-Paket berechnet Accelerate mit neun Prozent.

Die Idee zählt

Johannes Ellenberg, Kathleen Fritsche und Harald Amelung haben Accelerate Ende 2012 gegründet. Seit Anfang des Jahres bietet das mittlerweile sechsköpfige Team sein Start-up-Programm an. Den „Accelerate Space“, wie Ellenberg die Büros in der ehemaligen Schokoladenfabrik nennt, hat die Firma erst im Oktober im ehemaligen Waldbaur-Areal bezogen. Die neuen Räume ermöglichen ein weiter gefasstes Konzept und begünstigen das Netzwerken.

Ein rechteckiger, großer Konferenzraum in der Mitte des Stockwerks darf von allen zum Brainstormen und für Versammlungen genutzt werden. Ein Korridor führt einmal um ihn herum. Durch verglaste Wände abgetrennt, grenzen die Büro-Kabäuschen der Start-ups daran. Ein bis zwei Leute an Laptops bevölkern die meist kahlen Büros. Die insgesamt 22 angehenden Unternehmer samt Mitarbeitern sind zwischen Ende zwanzig und Anfang dreißig, viele erst mit dem Studium fertig.

In der ehemaligen Schokoladenfabrik Waldbaur vis-à-vis des Feuersees bosseln derzeit sieben Start-ups an ihren Kuchenrezepten. Da ist etwa die Firma Exitgames, die Reality-Rätsel für Erwachsene anbietet. Eine andere Firma plant Verkaufsterminals für Hotellobbys und ähnliche Räume. Das Unternehmen Lingo Ventura arbeitet an einer Internetplattform für die Buchung von Sprachreisen. Ballunas wollen Komplettangebote für Veranstaltungen, insbesondere Kindergeburtstage anbieten und E-Game-Strategy bastelt an einer Art digitalem Wett- und Vermittlungsbüro für Echtgeld-Spiele. Die Leute von Flurfunk arbeiten an einer lokalen Kommunikationsplattform – eine Art Exklusiv-Twitter für Stuttgart – inklusive Veranstaltungskalender, Restauranttipps, Polizeiberichten und Abfallkalender.

Accelerate nehme nicht jeden auf, der mit seiner Geschäftsidee aufwartet, sagt Ellenberg. „Das Konzept ist gar nicht so wichtig. Es geht mehr um den Markt. Man muss erkennen, wo Bedarf besteht.“ Fertige Geschäftsideen etablieren zu wollen, sei der falsche Weg. „Jede Idee, die Lösungen beschreibt ohne von den Problemen her zu kommen, ist schwierig.“ Leute aus technischen Berufen neigten dazu, fertige Produkte anzubieten. „Wenn jemand beispielsweise eine Website baut anstatt sie direkt am Kunden zu entwickeln.“

An einsamer Front

Fast genauso wichtig seien ihm die Teams, sagt der 31-Jährige. „Das ist das Entscheidungskriterium Nummer eins. Das Team sollte nicht zu homogen sein und, es muss einen geben, der den Hut auf hat. Bei dem ist entscheidend, dass er offen ist für Neues und nicht um jeden Preis an seinen Vorstellungen festhält.“ In Bewerbungsgesprächen versuchen die Leute von Accelerate das festzustellen.

Ellenbergs Wissen speist sich teils aus eigener Gründungserfahrungen. Gleich nach dem Studium an der Hochschule der Medien hatte er sich an einer Handelsplattform versucht. „Ich habe da einiges auf schmerzliche Weise lernen müssen.“ Das eigene Geschäftsmodell, die Unterstützung von digitalen Start-ups, hält Ellenberg für überaus zeitgemäß: „Diese Art Unternehmungen sind noch relativ neu.“ Es existiert kein kanonisiertes Grundwissen, Methoden und Modelle werden in der Praxis getestet und vermittelt.

Zudem boomt die Start-up-Szene. „Es ist kostengünstig. Man braucht keine Maschinen, kaum Startkapital, sondern bloß Knowhow. Selbst das Marketing im Internet kostet fast nichts.“ Ellenberg würde sich wünschen, dass die Stadt diese Szene mehr fördern würde, Stuttgart hinke der Entwicklung hinterher. „Berlin ist die Start-up-Hauptstadt, weil das politisch so gewünscht ist. In Stuttgart entwickelt sich das viel langsamer als in anderen Großstädten. Es fehlt die Förderung. Wir kämpfen bei Accelerate an einsamer Front.“