„Die Rampe ist unser Heimathafen“, sagen die Chefs der Rampe. Foto: StZ

Stuttgart ist ein guter Boden für freischaffende Künstler, hier sind auch die Voraussetzungen gegeben, dass Projekte über einen längeren Zeitraum entwickelt werden können.

S-Süd - Das Künstlerduo Melanie Mohren und Bernhard Herbordt hat in den letzten vier Jahren sieben Produktionen für das Theater Rampe erarbeitet, die als übergreifende Klammer unter dem Begriff „Die Institution“ stehen. Damit gehören sie gewissermaßen zum festen Künstlerbestand der Rampe-Intendantinnen Marie Bues und Martina Grohmann, die seit ebenso vier Jahren dieses Theater am Marienplatz leiten.

Stuttgart neu erobern

Stuttgart und Herbordt/Mohren – mit diesem Namen treten sie stets gemeinsam auf – das ist eine gewachsene Beziehung. Von 2008 bis 2010 waren sie Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude, konnten dort auch unterkommen, als sie danach viel weltweit unterwegs waren, 2012 bekamen sie wieder ein Stipendium hier in Stuttgart im Künstlerhaus. Inzwischen haben sie sich dauerhaft in Stuttgart niedergelassen in der Weißenburgstraße, haben hier eine junge Familie gegründet. „Die Rampe ist unser Heimathafen, unser Zentrum. Von hier kommt alles, hier geht auch alles wieder zurück. Stuttgart ist sehr gut zu uns“, erklärt Herbordt entschieden. „Wir arbeiten mit der Rampe sehr gut und partnerschaftlich zusammen. In der freien Szene ist es selten, dass solch eine verlässliche Verabredung über einen längeren Zeitraum möglich ist.“ Unterstützt haben das nicht nur die bereits genannten Einrichtungen, sondern auch Stadt und Land mit ihren jeweiligen Konzeptionsförderungen sowie der Landesverband der freien Theater. Und die beiden waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Denn vor etwa fünf Jahren waren die beiden Rampe-Intendantinnen ganz neu in der Stadt und auf der Suche, wie sie mit diesem Haus Stuttgart neu erobern können.

Überregionaler Kunstanspruch

Herbordt/Mohren konnten da interessantes bieten: Ihre guten Kontakte zu akademischen und wissenschaftlichen Einrichtungen, zugleich ihre Lust am Auseinandersetzen mit diesen, und ihre Neugier auf das, was die Stadt und ihre Bewohner alles zu bieten haben. Deutlich wurde letzeres etwa bei der Performance „Das Publikum“ im April und Mai 2015: Da zeigten verschiedene Einrichtungen der Stadt auf der Bühne, was in einem öffentliches Leben alles möglich ist, wie dikutiert, gehandelt, getauscht oder musiziert wird. Beteiligt waren etwa das freie Radio, der Debattierclub, ein Flötenensemble der Volkshochschule oder die Initiative Hotel Silber.

Theater an einem ganz anderen Ort machten Herbordt/Mohren in „Das Theater“ im Oktober 2015: Im Hohenlohischen in Michelbach an der Lücke. Mehr als zwei Jahre lang wurden diese Bustouren quasi als Tagesauflug angeboten: „Da hat uns der überregionale Kunstanspruch interessiert, eben auch auf dem Land in Baden-Württemberg“, so Herbordt, „wir haben dazu Feste veranstaltet, sowohl in der Rampe wie in Michelbach. Dazu sind internationale Experten gekommen, ebenso wie Beteiligte aus Michelbach“.

Freischaffende Theaterleute haben selten die Möglichkeit, über mehrere Jahre hinweg so kontinuierlich arbeiten zu können. So können sie aber allmählich zeigen, was sich hinter dem doch sehr allgemein gehaltenen Begriff „Die Institution“ verbirgt: Titel wie „Das Theater“, „Die öffentliche Probe“, „Das Stück“ oder „Der Monolog“ stehen für die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten, die das Theater nun mal bietet. Voraussichtlich bis 2020 wollen die beiden dies fortführen, sind dabei offen für Einflüsse, die sich auch erst jetzt im Laufe der Arbeit ergeben. Denn auch andere Theater interessieren sich für die Arbeit von Herbordt/Mohren, etwa die Theater Sophiensäle in Berlin oder Mouzonturm Frankfurt. „Solche Kooperationen machen wir gerne“, so Herbordt, „da können wir dann oft auch noch etwas lernen“. Alles lässt sich jedoch nicht transportieren, ein Michelbach etwa haben sie bisher im Umfeld dieser Metropolen noch nicht gefunden.

Die Stärke des gemeinsamen Arbeitens haben sie früh

Austausch mit der Wissenschaft

erkannt schon während ihres Studiums am Institut für angewandte Theaterwissenschaften in Gießen, das sie 2005 absolvierten. „Wir arbeiten Hand in Hand, es gibt absolut keine Rivalitäten zwischen uns“, so Herbordt, „welche Idee nun speziell von Melanie oder von mir kommt, das wissen so wirklich nur wir beide.“

Aus diesem Gießener Institut kommen noch andere Theaterschaffende, die als Rimini-Protokoll schon seit einigen Jahren die Bühnen der Staatstheater erorbert haben, auch hier in Stuttgart. „Wir kennen uns gut, wir haben durch das Studium einen ähnlichen Hintergrund. Wir beschäftigen uns mit neuen Formen des Theaters, beschäftigen uns mit einem erweiterten Theaterbegriff: Was gibt es da für andere Möglichkeiten als jene, die den meisten bekannt sind“, so Herbordt. In der praktischen Arbeit gibt es dann doch Unterschiede. Herbordt: „Rimini Protokoll schaut inzwischen, wie es dies auf großen europäischen Festivals und auf den ganz großen Bühnen zeigen kann. Dazu haben die schon einen eigenen Apparat entwickelt, sind sehr gut darin und erfolgreich. Wir sind mehr am Austausch mit wissenschaftlichen und akademischen Einrichtungen interessiert, suchen von dieser Warte aus nach neuen theatralischen Möglichkeiten“. Und wie es aussieht, machen sie dies weiter gerne von Stuttgart aus.