An der Hauptstätter Straße ist der Süden mit am lautesten. Foto: Kathrin Wesely

Das Thema Feinstaub hat den Lärm als krankmachenden Faktor in den Hintergrund gedrängt. Die Grünen fordern nun Lärmschutzmaßnahmen, denn die Hauptstätter, Immenhofer und Karl-Kloß-Straße liegen deutlich über den Lärmbelastungsgrenzen.

S-Süd - Die Grünen im Bezirksbeirat Stuttgart Süd fordern von der Stadt, dass der Lärmaktionsplan im Süden umgehend umgesetzt wird. Einen entsprechenden Antrag hatte die Fraktion jüngst im Bezirksbeirat eingebracht. Die Sache sei dringlich, hieß es darin: „Denn der Süden ist besonders stark durch Lärm belastet.“ So seien Wohnbauten entlang der Böheimstraße, Immenhofer und Karl-Kloß-Straße – um nur einige verkehrsträchtige Trassen zu nennen – deutlich über den zulässigen Lärmbelastungsgrenzen. „Es ist im Grunde ein flächendeckendes Phänomen im Bezirk“, meint die Fraktionssprecherin der Grünen Christa Niemeier sogar. Besonders schlimm sei die Situation entlang der Hauptstätter Straße als einer Hauptverkehrsachse, wo Anwohner „ohrenbetäubenden Lärm“ ausgesetzt seien.

Krach macht krank

„Bei einer Lärmbelastung von über 65 Dezibel tagsüber und 55 Dezibel nachts muss mit Gesundheitsgefährdungen der betroffenen Bevölkerung gerechnet werden“, schreiben die Grünen in ihrem Antrag. Der Lärmaktionsplan der Stadt (LAP) nennt Gesundheitsrisiken: „Eine dauerhafte Lärmbelastung bei Pegeln von circa 60 bis 65 Dezibel, wie sie an Hauptverkehrsstraßen üblich sind, kann über lange Zeiträume hinweg zu Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen und schließlich in einigen Fällen zu Herzinfarkt und Tod führen.“ Es gibt im Süden 16 Lärmschwerpunkte, bei denen die Belastung durch Straßenverkehr laut LAP bei mehr als 65 Dezibel liegt. Der Kindergesundheitsbericht 2016 des Gesundheitsamtes bestätigt zudem eine überdurchschnittlich hohe und gesundheitsgefährdende Lärmbelastung für Kinder. Der LAP, der 2009 aufgelegt und 2015 fortgeschrieben wurde, empfiehlt für derart betroffene Gebiete zwar „sofortiges Handeln“. „Doch es geschieht nichts“, beklagt Christa Niemeier.

Die grünen Bezirksbeiräte fordern daher die Verwaltung auf, „Maßnahmen zur Senkung der Lärmbelastung zu entwickeln“, was unter den übrigen Bezirksbeiräten auf Zustimmung stößt. Für einige Bezirke der Stadt – Zuffenhausen und Bad Cannstatt etwa, hat die Verwaltung bereits Vorschläge für konkrete Orte ausgearbeitet. Doch bevor die Experten von der Stadt aktiv werden, müsste der Bezirksbeirat Süd das Thema puschen, sind die Grünen Bezirksbeiräte überzeugt. Erst dann entfalte das Thema jene politische Schlagkraft, die die Stadt rasch zum Handeln bewegte.

Die einfachste Maßnahme wäre ein Tempolimit, sagt der grüne Bezirksbeirat Norbert Retlich: „Ich bin ein Fan von Tempo 30. Der Lärm wäre geringer und die Fußgänger kämen leichter über die Straße.“ Ob auch die Schadstoffemission sinken würde, gibt Retlich zu, sei umstritten. Allerdings ist den Grünen Lokalpolitikern klar, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen heikel sind: „Die Stuttgarter haben ein existenzielles Verhältnis zum Auto,“ sagt Niemeier. Sie befürchtet erbitterten Widerstand, „obwohl Tempo 30 laut Bundesumweltministerium keine so krassen Folgen hat, wie viele meinen.“

Tatsächlich zählen Geschwindigkeitsbeschränkungen auch zum Maßnahmenkatalog der Lärmschutzexperten, die den LAP verfasst haben. Daneben werden auch Sperrungen, Verkehrsberuhigungen und Einbahnregelungen vorgeschlagen. Flankierend bedürfte es entsprechende bauliche Maßnahmen wie etwa Fahrbahnverengungen. Dagegen nimmt sich die Grünen-Forderung nach Tempo-30-Zonen als vergleichsweise milde verkehrliche Einschränkung aus.

Der LAP schlägt ferner den Ausbau des ÖPNV und des Radwegenetzes vor, ein LKW-Routenkonzept sowie die Verknappung und Verteuerung von Parkplätzen – „Parkraumbewirtschaftung“ genannt. Auch Parkleitsysteme tragen laut LAP dazu bei, den Verkehr und damit die Lärmquelle Nummer Eins, weiter aus der Stadt zu drängen. Darüber hinaus werden noch eine Reihe baulicher Maßnahmen im LAP aufgelistet und die Pädagogik spielt eine Rolle: Öffentlichkeitsarbeit und -informationen sollen Autonutzer stärker für das Lärmproblem sensibilisieren. Auch die Grünen im Bezirk sehen Aufklärungsbedarf und wollen das Thema wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken. Denn bei all den Debatten über Feinstaub und Kohlendioxid in den vergangenen Jahren, sind die krankmachenden Auswirkungen des Verkehrslärms in den Hintergrund getreten.