Den hundert Jahre alten Namen haben die Galeristen übernommen. Foto: Florentine Möhrle

Die Galerie Kernweine bereichert die Tübinger Straße kulturell. Der Schwerpunkt liegt auf Fotografie und damit dieser Ort täglich belebt ist, dockt im Vordergebäude der gk-Laden an und im Hinterhof das gk-Café & Bar.

S-Süd - Die Achse Mitte-Süd, dieser vielzitierte „Fahrradhighway“ Tübinger Straße, wird derzeit dicht besiedelt – mit Gastronomie, Kultur und Kreativen. In dem Block zwischen der Fangelsbacher Straße und dem Marienplatz haben in den vergangenen anderthalb Jahren das Café Misch Misch, die Bars Sattlerei und Karlsvorstadt sowie die Weinhandlung Wein-Moment eröffnet. Nicht zu vergessen der Secondhandladen Vintage Markt.

Mitten im Leben

Jetzt hat im Kern-Weine-Gebäude, Ecke Tübinger/Cotta-Straße, das ambitionierte Projekt Galerie Kernweine eröffnet. Den hundert Jahre alten Namen fand man gut und hat ihn kurzerhand übernommen. Der Galerie-Untertitel lautet „Foto und Raum“ und ist zugleich die Ausrichtung. Der Schwerpunkt liegt auf Fotografie und damit dieser Ort täglich belebt ist, dockt im Vordergebäude der gk-Laden an und im Hinterhof das gk-Café & Bar.

Dass die Ecke gerade heiß ist, war für die Wahl der Location zweitrangig, meint Florentine „Pilvi“ Möhrle, die sich um das Projekt und die Künstler kümmert. „Aber das ist natürlich schön für uns. Die Tübinger Straße erwacht immer mehr zum Leben und wir sind mittendrin.“ Gegründet wurde die Galerie Kernweine von Tino Kraft, Oliver Kröning, Dennis und Mick Orel. Im Team befindet sich außerdem ein fester Stamm aus Mitarbeitern der Kulturbranche. „Das Projekt Fotografie-Galerie war schon lange in unseren Köpfen, da wir selbst als Fotografen oder mit Fotografie und visuellen Medien arbeiten,“ erklärt Möhrle. Dank den Kernweine-Räumlichkeiten wurde der Gedanke Realität.

Klein und fein

Die (nüchterne) Realität erforderte zunächst sehr viel Arbeit, sowohl handwerkliche als auch administrative. Der Aufwand hat sich gelohnt: Der gk-Laden mit Eingang an der Cottastraße ist schnörkellose Coolness in Schwarz-Weiß. Der Fokus liegt hier auf limitierten Foto-Editionen von nationalen und internationalen Fotokünstlern, außerdem werden Bücher, Magazine und passender Krimskrams angeboten.

Durch einen schmalen, mit schwarzem Teppich bezogenen Gang gelangt man in das lichtdurchflutete Erdgeschoss des Galeriebereichs so wie in das gk-Café. Ausgleichenden Kontrast zum vorherrschenden Betongrau bietet das Mobiliar. Aus dem alten Bad-Berg-Bestand konnten die Galeristen eine Vitrine sowie einige Stühle retten.

„Das Café soll ein Ort sein, an dem man gerne Zeit verbringt, in gut sortierten Magazinen blättert und sich über die direkt einsehbaren Ausstellungen unterhalten kann,“ so Möhrle. Das Gastro-Angebot sei zugespitzt und auf Qualität fokussiert. „Wir werden keine 100 Gin- oder Kaffee-Sorten anbieten, dafür aber richtig gute.“

Vom Café spickelt man rüber ins Erdgeschoss der Galerie, wo derzeit die Werke von Constantin Schlachter zu sehen sind. Der junge Franzose ist seit zwei Jahren international gefragt und hat mit einer Einzelausstellung die Galerie Kernweine eröffnet. Die Ausstellung wird circa drei Monate zu sehen sein. Die nächsten Künstler sind schon terminiert. Workshops und Veranstaltungsformate zum Thema Fotografie und visuelle Medien sollen die Galerie weiter bereichern genauso wie vom Team kuratierte, limitierte Editionen.

Das Gesamtkonzept hat zum Ziel, dass die Galerie Kernweine als offener Raum wahrgenommen wird, im Gegensatz zu den vielen „stillen“ Galerien dieser Stadt. „Hemmschwellen, die klassische Galerien für den einen oder anderen mit sich bringen, sollen abgebaut werden und es entsteht eine Plattform für Künstler und Interessierte, auf der Dialoge stattfinden können.“ Man kennt das, wenn man vor einer Galerie steht, vielleicht gerne die ausgestellten Werke anschauen möchte, aber sich nicht hinein traut, weil außer einem gelangweilten, sich hinter einem Laptop aus Cupertino verschanzendem Aufpasser kein Mensch im Raum ist.

Dieses Phänomen will die Galerie Kernweine unbedingt vermeiden und ergänzt nun das angesagte Tübinger-Viertel nicht nur um eine kulturelle Komponente, sondern schließt auch eine Lücke in der Stuttgarter Galerie-Szene. „Ein offener Raum zu diesen Themen fehlte in dieser Form in Stuttgart“, ist sich Möhrle sicher.