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Weil die Fünftklässler verstärkt auf Realschulen und Gymnasien gehen, wird derzeit im Süden diskutiert, wie die Räume der Heusteig-Werkrealschule in Zukunft genutzt werden sollen.

S-Süd - Die Schließung der Werkrealschule an der Heusteigschule scheint beschlossene Sache. Noch bevor der Gemeinderat abgestimmt hat, noch bevor das Schulverwaltungsamt sich zu einer möglichen Gemeinschaftsschule an dem Standort äußert, sind die eigentlichen Präferenzen der Verwaltung klar: Das Gebäude der Heusteigschule soll frei werden, um dort je nach Bedarf eine zusätzliche Realschule oder eine Außenstelle des Karls-Gymnasium einrichten zu können.

Welche Fakten für diesen Weg sprechen, das erläuterte Karin Korn, die Leiterin des städtischen Schulverwaltungsamts, dem Bezirksbeirat Süd. Eines machte sie dabei deutlich: Die pädagogische Arbeit der Werkrealschulen sei ausdrücklich nicht Grundlage der Entscheidung gewesen, welche Schule geschlossen werden soll. Für den Bezirksbeirat hat der Diskussionsprozess zur Schulentwicklung jedoch erst begonnen. Die Bezirksbeiräte stimmten am Dienstagabend deshalb dafür, der Heu-steigschule im kommenden Jahr die Chance zugeben, noch Fünftklässler aufnehmen zu können. Sie wollen ihr nicht den Weg zur Gemeinschaftsschule verbauen.

Für eine Gemeinschaftsschule fehlen Schüler

Um jedoch überhaupt Gemeinschaftsschule werden zu können, dies machten Karin Korn und Ulrike Brittinger, die Leiterin des Staatlichen Schulamts Stuttgart, klar, fehle es schon jetzt an Fünftklässlern. 40 seien pro Klassenstufe nötig. Selbst die Lerchenrainschule und die Heusteigschule hätten mit zusammen genommen 30 neuen Fünftklässlern nicht genug. Weil es durch den erhöhten Andrang an Realschulen und Gymnasien vermutlich bereits zum nächsten Schuljahr Raumprobleme gebe, braucht man mittelfristig die Räume der Heusteigschule, um auf einen möglichen Platzmangel reagieren zu können.

Nach Ansicht von Brittinger hat die Lerchenrainschule die Chance, Gemeinschaftsschule zu werden. „Wenn der Gemeinderat ein Jahr mit dem Beschluss wartet, bestimmte Werkrealschulen zu schließen, ist die Entscheidung nur aufgeschoben“, warnte sie. „Die Fakten werden vermutlich keine anderen sein. Es wird eher noch weniger Anmeldungen an Werkrealschulen geben“, bestärkte Brittinger, was zuvor auch Karin Korn gesagt hatte. Nur wenn die Werkrealschulen auf wenige Standorte konzentriert würden, hätten die verbleibenden Schulen eine Zukunft.

Unmut seitens der Bezirksbeiräte

Die Kritik der Bezirksbeiräte ließ nicht auf sich warten. Einerseits monierten die Lokalpolitiker, dass der Prüfauftrag, die Heusteigschule zu einer Gemeinschaftsschule umzubauen, seit einem Jahr unbeantwortet sei. Andererseits fragte Ulrike Holch, die SPD-Bezirksbeirätin: „Wie kann man die Heusteigschule überhaupt zur Gemeinschaftsschule weiter entwickeln, wenn dort keine Fünftklässler mehr aufgenommen werden dürfen?“ Welche Eltern würden denn ihre Kinder auf eine Schule schicken, die morgen vielleicht schon geschlossen werden könnte.

Inwiefern Werkrealschulen künftig überhaupt eine Chance haben, sich zu einer Gemeinschaftsschule zu entwickeln, blieb in der Sitzung offen. Korn sieht vielmehr in den Realschulen die Basis für künftige Gemeinschaftsschulen. Dennoch seien Werkrealschulen Teil der Schullandschaft, und deshalb sei es zum jetzigen Zeitpunkt richtig, diese über das Stadtgebiet Stuttgart verteilt zu erhalten. Das gehe aber nur, wenn ein Großteil der jetzigen Werkrealschulen geschlossen werde. „Wir müssen Klarheit schaffen“, betonte die Leiterin des städtischen Schulverwaltungsamts. Klarheit für die Werkrealschullehrer, die sich für den Unterricht an der Gemeinschaftsschule weiterbilden können müssten, Klarheit auch für die Eltern, denn in wenigen Monaten beginnt die Anmeldephase für die weiterführenden Schulen.

Zu viele offene Fragen

Um vor dem aktuellen Hintergrund flexibel auf sich verändernde Schülerströme an staatlichen Schulen reagieren zu können, will Korn die Campuslösungen im Süden stärken. Das ist neben Heusteig- und Römerschule in Verbindung mit dem etwas entfernteren Karls-Gymnasium an der Tübinger Straße auch der Schickhardt-Campus oberhalb des Erwin-Schoettle-Platzes. Flexibilität ist auch deshalb erforderlich, weil sich im Süden mit drei neuen privaten Realschulangeboten auch das Angebot an Schulen stark verändert hat.

Die Bezirksbeiräte ärgerte, dass die Diskussion um die Schulentwicklung in Stuttgart damit beginnt, dass Fakten geschaffen werden, die viele Entwicklungsprozesse unmöglich machten, wie es etwa Wolfgang Jaworek, der Grünen-Fraktionssprecher, in einer Erklärung formulierte, der alle Fraktionen zustimmten. Zumal gar nicht klar sei, ob etwa behinderte Kinder künftig gezählt würden, wenn es um die Berechnung des Klassenteilers geht. Bisher werden sie das nicht. Auch deshalb bestehen alle Fraktionen weiter auf eine offene Diskussion.

Entwicklung der Schülerzahlen

Im Süden gibt es deutlich weniger Fünfklässler in den Werkrealschulen als in den Vorjahren. 14,4 Prozent der Fünftklässler, also 30 Schüler, wollten in diesem Jahr noch auf eine Werkrealschule. Etwa 51 Prozent aller Fünftklässler im Süden gingen dagegen auf ein Gymnasium, und an die 35 Prozent auf eine Realschule. Dieser Einbruch nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung ist deutlich. Sowohl Lerchenrain- und Heu-steigschule konnten mit jeweils 34 Schülern im Vorjahr zwei fünfte Klassen bilden.

Pro Jahr hätten alle derzeitigen Werkrealschulen in Stuttgart Kapazitäten für 1740 Schüler pro Jahrgang. Zum Schuljahr 2012/13 wurden jedoch nur 489 Kinder an den Werkrealschulen angemeldet. An den neun Werkrealschulstandorten in der Innenstadt gäbe es jedes Jahr Platz für 510 neue Schüler, angemeldet waren jedoch nur 137, davon 30 in Süd.