Einer von vielen Vorfällen: Im April 2016 stolpert ein Mann vor eine S-Bahn – er wird nur leicht verletzt. Foto: 7aktuell/Eyb

Es passiert plötzlich und unverhofft – und leider immer wieder: Betrunkene verlieren am Bahnsteig der S-Bahn-Station die Kontrolle und stürzen aufs Gleis. Wie jetzt am Sonntagabend. Was tun? Und wie?

Stuttgart - Normalerweise ist diese Durchsage Alltag: „Gleis 1, Einfahrt S3 nach Flughafen/Messe über Stuttgart-Vaihingen. Bitte Vorsicht bei der Einfahrt.“ Doch am späten Sonntagnachmittag lösen die Worte aus den Lautsprechern an der S-Bahn-Haltestelle Schwabstraße höchste Alarmstimmung aus. Für einen 31-Jährigen wird es brenzlig, plötzlich entscheiden wenige Sekunden über Leben und Tod. Zuvor ist der Mann durch die Station getorkelt – und liegt unvermittelt im Gleisbett. .

Der Vorfall, der sich am Sonntag gegen 16.55 Uhr abspielt, bringt auch zwei wartende Fahrgäste in die Bredouille. Irgendwie müssen sie das Unglück verhindern, das sich vor den Augen der 36 und 37 Jahre alten Männer abzuspielen droht. Hinrennen, den Mann hochziehen – das kann mitunter gefährlich sein, sagt Bundespolizeisprecher Daniel Kroh: „Wenn die hilflose Person zu schwer ist, kann ein allein handelnder Retter schnell mit hinuntergezogen werden.“

Auch für Retter kann es gefährlich werden

Das hat es schon gegeben. Am 31. Mai 2016 etwa, als ein 42-Jähriger in der Station Stadtmitte einen 34-jährigen Bekannten zurück auf den Bahnsteig wuchtet, nachdem der Betrunkene auf die Schienen gefallen war. Der Retter selbst versucht noch auf den Bahnsteig zurück zu klettern – und wird dann selbst von der einfahrenden S-Bahn erfasst. Er stirbt noch an der Unfallstelle.

Der 31-Jährige, der am Sonntag auf Gleis 1 gestürzt ist, versucht ebenfalls wieder nach oben zu klettern. Hätte er vorher nur Paragraf 4 der Bestimmungen des Verkehrsverbunds beachtet: „Fahrgäste haben sich bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes, ihre eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen gebieten.“ Derweil nähert sich ein 24-jähriger Lokführer der S-Bahn S 3 in Richtung Flughafen. „Wer jetzt helfen will, sollte andere Reisende mit einschalten, sie ansprechen, und nur gemeinsam anpacken“, sagt Polizeisprecher Kroh. Denn nicht nur das Gewicht eines Hilflosen kann problematisch werden – auch die Sogwirkung eines einfahrenden Zuges ist für Personen zu nahe an der Bahnsteigkante gefährlich.

Mancher Betroffener hat pures Glück

Aufs Glück sollten sich Hilflose verlassen. Glück hatte etwa ein 40-Jähriger Anfang April 2016, als er in der S-Bahn-Station Feuersee aufs Gleis stolperte und von einer S-Bahn überrollt wurde. Wie durch ein Wunder kam er mit leichten Verletzungen davon. Einen zweiten Geburtstag feierte auch ein 25-Jähriger, der sich mit zwei Promille am S-Bahn-Halt Feuersee auf eine nicht vorhandene Sitzbank an der Bahnsteigkante setzen wollte und rücklings aufs Gleis stürzte. Die Bahn schob ihn beiseite. Ähnliche Wunder gab es voriges Jahr in Bad Cannstatt, in Waiblingen und in Ludwigsburg.

Auch wer zu weit von dem Geschehen entfernt steht, kann noch Gutes tun. „In den unterirdischen S-Bahn-Stationen kann man auch die Aufsicht alarmieren“, sagt Polizeisprecher Kroh. Das nützt freilich nur, wenn noch keine Bahn in Sichtweite ist.

Wenn nichts mehr hilft, hilft nur noch das

Während sich am Sonntag der 31-Jährige einige Meter von den Zeugen entfernt mit letzter Kraft auf den Bahnsteig hievt, rennen die 36 und 37 Jahre alten Zeugen an den Anfang der Station und winken der sich nahenden S-Bahn hektisch zu. „Wenn nichts mehr hilft, hilft nur noch das“, sagt Kroh. Der 24-jährige Lokführer reagiert und bremst den Zug voll ab. Gerade rechtzeitig: Die Bahn streift den 31-Jährigen nur noch an der Hüfte. Leicht verletzt kommt er ins Krankenhaus. Ob er alkoholisiert war, aus gesundheitlichen Gründen oder versehentlich stürzte, ist unklar. Die Bundespolizei hat keinen Alkoholtest veranlasst. Allerdings blüht dem Mann eine Anzeige wegen eins gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.