Gleise und Signale vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof Foto: Kraufmann

Am Dienstag haben 79 Züge oder S-Bahnen in Stuttgart bis zu einer halben Stunde Verspätung.

Stuttgart - Am Dienstag ist im Hauptbahnhof das Stellwerk ausgefallen, was wieder zu massiven Störungen im Schienenverkehr geführt hat. Die Bahn bestätigt erstmals einen Zusammenhang mit vorbereitenden Baumaßnahmen zu Stuttgart 21. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) befürchtet weitere Ausfälle - und sorgt sich um die Sicherheit der Fahrgäste.

Wer am Dienstagmittag per Bahn unterwegs war, musste gute Nerven haben. S-Bahnen schlichen im Schneckentempo über die Gleisrampe beim Hauptbahnhof, kaum schneller rollten Fern- und Regionalzüge übers Gleisvorfeld. Auf manchen Zug warteten Reisende vergeblich. Laufbänder und Lautsprecher verkündeten, was den Fahrplan von 12.30 bis 14.15 Uhr an durcheinanderwirbelte: "Stellwerksausfall".

Auf der Überwachungstafel der 32 Jahre alten Steuerzentrale waren alle Gleisbelegungsanzeigen zeitgleich auf Rot gesprungen. Danach ging nichts mehr: Die Farbe Rot verdeutlicht dem Fahrdienstleiter, dass ein Zug das Gleis befährt. "Schriftlich musste den Lokführern freie Fahrt erteilt werden", so ein Bahnsprecher. Auf Sicht und mit gedrosseltem Tempo tasteten sich die Zugführer übers Gleisfeld zwischen Bad Cannstatt und Nordbahnhof. 79 Züge oder S-Bahnen hatten bis zu einer halben Stunde Verspätung, sieben Züge fielen aus. Auf 14 Verbindungen wendeten die Züge vor dem Zielbahnhof.

Sieben Züge fallen ganz aus

Auf Nachfrage bestätigte die Bahn indirekt, dass der Stellwerkskollaps im Zusammenhang mit Stuttgart 21 steht. "Kabelverlegungen im Technikraum haben zum Ausfall der Achszähler geführt, was die Rotausleuchtung im Stellwerk auslöste", so der Sprecher. Die Kabelarbeiten seien notwendig, um Weichen auf der Zulaufstrecke nach Bad Cannstatt zu verlegen. Die zeitweilige Baustelle an den beiden kommenden Wochenenden ist Teil des Gleisvorfeldumbaus, um die Bahnsteige für den Aushub des Tiefbahnhofs verschieben zu können.

Seit dem Baustart von Stuttgart 21 vor knapp einem Jahr häufen sich die Ausfälle der Stellwerkstechnik. Zuletzt standen Anfang Dezember stundenlang alle Signale im Hauptbahnhof auf Rot. Der VCD sieht das Alter der Anlagen als Grund. "Es gibt kein elektronisches Stellwerk, in dem sich Umbauten neben dem Fahrbetrieb testen lassen", kritisiert VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb. Aus Kostengründen habe man auf den Bau eines neuen teuren Stellwerks verzichtet und fahre stattdessen mit alter Relaistechnik weiter. "Es gibt immer weniger Bahner, die sich damit auskennen", so Lieb. Auch sei nicht gewährleistet, dass alle Modifikationen im Laufe der Jahrzehnte dokumentiert seien. Daneben würden alte Kabel und Bauteile beim Umbau weiterverwendet, was die Gefahr von Aussetzern durch Materialermüdung oder Wackelkontakte erhöhe. "Die Frage ist, ob dies alles noch der Sicherheit genügt", so Lieb.

Die Bahn wehrt sich gegen derartige Gedankenspiele. "Die Umbauten werden von Spezialisten vorgenommen", betont der Sprecher Graf. Die Sicherungstechnik erfülle sämtliche Anforderungen. "Wo Rot leuchtet, fährt ohne schriftlichen Befehl kein einziger Zug drüber", unterstreicht er. Seit Beginn des Gleisfeldumbaus gab es jedoch nicht nur Stellwerksaussetzer. Am 14.September 2010 entgleiste eine S-Bahn, als sie über eine wegen Umbauarbeiten gesperrte Weiche fuhr. "Die Ermittlungen konzentrieren sich auf Betriebsabläufe und Sicherungstechnik", so Moritz Huckebrink vom Eisenbahnbundesamt zum aktuellen Untersuchungsstand. Bei dem Unfall gab es immerhin keine Verletzten.